Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Stellenwert der physikalischen Therapie zur Schmerzreduktion bei degenerativen Erkrankungen

Der Vorteil der Anwendungen ist, dass das Wasser als „Elektrode“ dem Körper überall gleichmäßig anliegt, wobei nur maximal 30 % des Stroms den Körper passieren. Bei den hydroelektrischen Teilbädern gibt es keine Nachteile durch den hydrostatischen Druck auf Herz und Kreislauf durch den Körperstamm und keinen Stromverlust durch Stromschleifen um den Körper. Zudem bestehen je nach Längs-, Quer- und Diagonalschaltung vielfache Durchflutungsmöglichkeiten der Strombehandlung.

Hydroelektrische Bäder eignen sich daher sehr gut bei ausstrahlenden radikulären und pseudoradikulären Schmerzsyndromen, bei degenerativen lumbalen und zervikalen Wirbelsäulensyndromen (Stangerbad) sowie bei schmerzhaften Arthrosen an Händen und Füßen (Zwei- und Vier-Zellen-Bad).

Beim Wechselstrom ändert sich die Polung der Elektroden kontinuierlich. Der Rhythmus des Wechsels wird als Frequenz mit der Einheit Hertz (Hz) angegeben. Diese werden in 3 Frequenzbereiche eingeteilt:

Niederfrequenz (0 – 1000 Hz)

Mittelfrequenz (1000 – 300.000 Hz, therapeutisch i.d.R. bis 10 KHz)

Hochfrequenz (über 300 KHz)

Transkutane Elektrische
Nervenstimulation (TENS)

Die für die Praxis am weitesten verbreitete Therapiemethode niederfrequenter Wechselströme ist die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS). Dabei kommen ausschließlich bidirektionale nullliniensymmetrische niederfrequente Wechselströme zur Anwendung. Eingesetzt werden kleine batteriegetriebene Geräte, die über kleinflächige Elektroden variable, in der Regel Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer abgeben. Um einen direkten Stromfluss der Elektroden zu vermeiden, sollte der Mindestabstand 1 cm und mehr betragen. Bei den heute handelsüblichen Geräten kann die Stromstärke ebenso wie die Impulsfrequenz und -breite individuell eingestellt werden: Der Anwendungsbereich reicht von einer schmerzarmen TENS-Anwendung bei niedrigen Stromstärken mit sensibel erträglicher Stromwahrnehmung (subjektives Kribbeln) ohne motorische Reizung bis zu einer schmerzhaften TENS-Anwendung bei hohen Stromstärken mit schmerzhaft empfundener Stromwirkung (subjektiv Nadelstiche) mit motorischer Wirkung. Die Wirkung der TENS-Therapie ist in der Regel auf die Stimulationsdauer begrenzt, teilweise gibt es einen poststimulatorischen analgetischen Effekt. Die Effekte der Anwendung sind dabei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, es bedarf einer individuellen variablen Geräteeinstellung, einer geduldigen Optimierung der Elektrodenplatzierung sowie einer Schulung des Patienten im Umgang mit der eigenständigen Anwendung dieser Therapieform [17]. In der Literatur werden hohe initiale Behandlungserfolge, insbesondere bezüglich der Schmerzlinderung beschrieben, während die Langzeiterfolge als deutlich geringer ausgewiesen sind und auch teilweise ein Placeboeffekt unterstellt wird [23]. In der Anwendung bei Gonarthrose konnten in einer Meta-Analyse aussagekräftige Studien identifiziert werden, die den Schluss zulassen, dass das Verfahren hinsichtlich der Schmerztherapie effektiver ist als eine Placebobehandlung [25]. Eine Besserung der Funktion konnte jedoch mittels TENS-Anwendung nicht nachgewiesen werden [5].

Manche Geräte können auch zur isolierten Muskelstimulation multifunktionell umgeschaltet werden und fungieren dann als (Neuro-) Muskuläre Elektrische Stimulation (NMES oder EMS). Die Studienlage ist hierzu jedoch inkonsistent, weshalb die deutsche Gonarthrose-Leitlinie NMES zur Muskelkräftigung nicht empfiehlt [27].

Neofaradischer Strom

Der neofaradische Strom wird als niederfrequenter Strom in abwechselnder Form von Stromimpuls und definierter Pausendauer verabreicht. Eine spezielle Form stellt der Ultrareizstrom nach Träbert dar, bei dem bei einer Frequenz von 143 Hz, einer Impulsdauer von 2 ms und einer Pausendauer von 5 ms ein Rechteckimpuls appliziert wird. Die analgesierende Wirkung steht dabei im Vordergrund, wobei durch die kurze Impulsdauer eine große Tiefenwirkung erzielt werden kann. Anwendungsgebiete sind wirbelsäulenbedingte degenerative Schmerzsyndrome sowie Arthrosen und Arthropathien großer Gelenke.

Diadynamische Ströme

Hier werden niederfrequente (50 – 100 Hz) sinusförmige Wechselströme mit einer Impulsdauer von 10 ms appliziert. Jeder Impuls löst dabei ein Aktionspotential aus (im Gegensatz zur Gleichstromtherapie, von der keine direkte Reizwirkung auf die Muskel- und Nervenzellen ausgeht). Unterschieden wird die Stromform MF (monophase fixe) zur Muskelreizung und DF (diphase fixe). DF hat eine dämpfende Wirkung auf das vegetative Nervensystem und ist damit besser für die Schmerztherapie geeignet und hat nur eine geringere Auswirkung auf die Muskulatur.

Mittelfrequenz-
Interferenzstromtherapie

Bei der Interferenztherapie werden 2 mittelfrequente Wechselströme verwendet, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Bei der Zweipolmethode werden 2 Elektroden verwendet, bei der Vierpolmethode werden 4 Elektroden am Körper angelegt. Dort wo sich diese Ströme im Gewebe überschneiden, entsteht eine Interferenz. Dabei werden verschiedene Behandlungsströme wirksam. Zunächst die mittelfrequente Trägerfrequenz über 2 KHz, die dazu beiträgt, den Hautwiderstand zu verringern und eine größere Tiefenwirkung zu erreichen. Darüber liegen die Behandlungsfrequenzen im niederfrequenten Bereich bis 200 Hz.

Neben einer schmerzdämpfenden Wirkung kommt es zu einer Durchblutungssteigerung, Detonisierung und Stoffwechselsteigerung im behandelten Gewebe. Bei der Gonarthrose konnte eine Verbesserung des Outcomes beim WOMAC von Gundog et al. im Rahmen einer 15-tägigen Applikation bei 40, 100 und 180 Hz nachgewiesen werden [10]. Aufgrund einer guten Tiefen- und Volumenwirkung kann der Einsatz auch bei arthrotischen Veränderungen der Wirbelsäule (Spondylarthrosen) erwogen werden.

Lasertherapie

Bei dieser Form der Phototherapie wird stark gebündeltes, monochromatisches Licht von hoher Intensität eingesetzt. Es kommt der sogenannte Low-level-Laser (LLL) zur lokalen Bestrahlung mit Laserlicht niedriger Energie zum Einsatz. Dieser hat wenig thermische Effekte, wirkt aber vor allem durch Aktivierung intrazellulärer photochemischer Prozesse. Marquina et al. konnten bei Behandlung mit einem therapeutischen Lasersystem mit dualer Wellenlänge (660 nm/905 nm) über 4 Wochen mit dreimal wöchentlicher Therapie bei Gonarthrose eine signifikante Schmerzlinderung in der LLL-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe im VAS nachweisen [21].

Magnetfeldtherapie

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