Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Stellenwert der physikalischen Therapie zur Schmerzreduktion bei degenerativen Erkrankungen

Kontraindikationen der Hochfrequenz-Therapien sind Patienten mit Herzschrittmacher, Schwangerschaft, Metalle jeglicher Art (Osteosynthesematerial, Ringe, Piercings, Spangen etc.), sowie bei Bekleidung mit Gewebe aus Perlon, Nylon und dergleichen, insbesondere wenn diese feucht sind (Schwitzen).

Infrarottherapie

Die Infrarottherapie basiert auf elektromagnetischer Energie, die erst im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt wird. Die Wellenbereiche der Infrarottherapie liegen zwischen 780 bis > 3000 nm. Die Absorption und der thermische Effekt umfassen nur die oberflächlichen Hautschichten (Strahlungswärme). Für große Gelenkstrukturen konnten deshalb keine Effekte in Bezug auf Funktion, Aktivität, Partizipation und Lebensqualität durch die Behandlung mit monochromatischer Infrarottherapie nachgewiesen werden [11].

Kältetherapie

Diese umfasst physikalische Therapieverfahren, bei denen dem Körper Wärme entzogen wird. Therapeutisch werden Temperaturen zwischen +15° bis –180° C verwendet. Der Begriff Kryotherapie wird verwendet, wenn Temperaturen unter 0° C eingesetzt werden.

Kältetherapie als lokaler Wärmeentzug führt zu einer veränderten Vasomotorik mit Vasokonstriktion der Haut und Muskelgefäße, zu einem Absinken der Gewebetemperatur und einer Reduktion der Stoffwechselvorgänge durch Verlangsamung der Mikrozirkulation. Mit zeitlicher Verzögerung werden damit auch eine Ödembildung, Entzündung und Lymphproduktion sowie Blutungsneigung gehemmt und die Gewebeviskosität erhöht - allesamt Kälteeffekte, die zur Behandlung postoperativer Schwellneigungen und entzündlicher und degenerativer Prozesse genutzt werden kann. Es kommt zu einer Verringerung der Nervenleitungsgeschwindigkeit sowie zu einer Verlangsamung der physiologischen Kenngrößen eines Muskels (Latenz-, Kontraktions- und Erschlaffungszeit) und damit zu einer Detonisierung der Muskulatur.

Bei einer Anwendungsdauer von mindestens 20 Minuten wird die Wirkung der Kältetherapie bei degenerativen Erkrankungen vermittelt über eine

Reduktion der Aktivität knorpelschädigender Enzyme,

Hemmung der Freisetzung und Aktivierung von Entzündungsmediatoren [24],

Schmerzschwellenanhebung von Nozizeptoren und Blockierung bzw. Verlangsamung der Schmerzfortleitung [1].

Neben den direkten lokalen Reaktionen kommt es im Sinne einer Fernwirkung zu einer thermoregulatorischen Gegenreaktion, die sich durch Blutdruckerhöhung, eine Intensivierung der Atmung sowie kutiviszerale Reaktionen auszeichnet.

In der Praxis werden bei einer aktivierten Arthrose unterschiedliche Verfahren der Kältetherapie eingesetzt u.a. kaltes Peloid, kalter Wickel, Eisgranulat und Eisbeutel, gestielte Eisroller, Gelpackungen und Kältekompressen. Bei Anwendung von Eismassage konnte in einem systematischen Review der Cochrane Collaboration bei Gonarthrose ein günstiger Effekt auf die Besserung des Bewegungsumfanges, die Bewegungsfunktion und die Muskelkraft nachgewiesen werden [4].

Kältekammer

Bei der Ganzkörperkältetherapie (Kältekammer) erfolgt eine Exposition an trockener kalter Luft in Badekleidung unter Akren- und Atemschutz. Teilweise erfolgt eine Kälteadaption in einer Vorkammer (–60° C). In der Hauptkammer (–110° C) bewegen sich die Patienten moderat-schnell bis zu maximal 3 Minuten. Bei fehlender Verdampfungskälte werden die Temperaturen nicht ganz so unerträglich eiskalt wahrgenommen. Es kommt zu einer Absenkung der Hauttemperatur um ca. 5° C, die Körperkerntemperatur bleibt unverändert. Reaktiv kommt es zu einer oberflächlichen reaktiven Hyperämie. In vereinzelten Studien konnte eine Reduzierung des Arzneimittelverbrauchs nach serieller Ganzkörperkältetherapie bei –110° C beobachtet werden [30, 31]. Dies ist hauptsächlich auf die antiphlogistische und analgetische Wirkung zurückzuführen.

Massage

Massagetherapie muss als komplexes Ganze gesehen werden, in dem viele Wirkmechanismen miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Dabei sind verschiedene, sowohl physiologische als auch psychologische Aspekte zu berücksichtigen, da neben reflektorisch-segmentalen Wirkungen und einer lokalen Hyperämisierung, alleine schon durch die Berührung, auch emotionale und psychische Effekte ausgelöst werden können. Effekte der einzelnen Massagetherapien (klassische Massage, Weichteiltechniken, Funktionsmassage, mobilisierende Massage u.a.) zielen – je nach Anwendungsform - auf folgende Effekte:

Reduktion von Schmerzen

Gewebsmobilisation

Fazilitation von neuralen Anpassungsprozessen

Beeinflussung des Stoffwechsels

Die Manipulativmassage nach Terrier kann durch vielfältige Druck- und Dehnungsreize in Form von kombinierten Traktions- und Gleittechniken zu einer raschen Schmerzlinderung und verbesserten Beweglichkeit der Gelenke führen.

Die Querfriktion nach Cyriax entfaltet seine schmerzreduzierende Wirkung in erster Linie bei begleitenden Tendinosen und Tenosynovitiden, wobei die Wirkungsweise letztlich nicht geklärt ist.

Bei der manuellen Lymphdrainage führt eine spezielle Grifftechnik über eine Verschiebung von Gewebsflüssigkeit und Lymphe zu einer verbesserten Aufnahme von Flüssigkeit in die Lymphbahnen und dort zu einem Anstieg der Lymphangiomotorik. Einsatzgebiet sind daher insbesondere postoperative Zustände aber auch Schwellungszustände der Gelenke bei degenerativen Erkrankungen.

Bei der Triggerpunktmassage/-therapie werden je nach Lokalisation myofasziale, kutane, fasziale, ligamentäre und periostale Triggerpunkte, Zentren erhöhter Reizbarkeit in einem Gewebe, mit verschiedenartigen Behandlungstechniken (Kühlspray, Dehnung, Druck, Infiltration) bearbeitet [34].

Bei der Triggerpunktbehandlung mit dünnen Nadeln („dry needling“) gibt es einen fließenden Übergang zur Akupunktur, ein Verfahren, das definitionsgemäß den naturheilkundlichen Behandlungsformen zugerechnet wird. Die Studienlage ist hier, auch aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, sehr uneinheitlich. Zur Akupunktur bei Gonarthrose liegen mehrere RCTs vor, bei denen die Verum-Akupunkturgruppen hinsichtlich Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Lebensqualität den Kontrollgruppen gegenüber (Sham-Akupunktur, NSAIDs, Warteliste etc.) signifikant überlegen waren [20]. Die deutsche Gonarthrose-Leitlinie führt Akupunktur als Kann-Option auf [27].

Hydro- und Balneotherapie

Als Hydrotherapie wird die Anwendung reinen Wassers als Heilmittel zur Unterstützung der Genesung bezeichnet. Bei der Balneotherapie werden in der Regel mineralisierte Wässer und andere Heilmittel (Gase, Peloide) verwendet. In der internationalen Literatur wird häufig auch die Bewegungstherapie im Wasser (Bewegungsbad) zur Hydrotherapie gerechnet. In Deutschland wird diese vielmehr unter dem Begriff der Physiotherapie subsumiert.

Es kommen dabei folgende Wirkqualitäten in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen:

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