Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Verletzungen des hinteren Kreuzbands – operativ oder konservativ?
Ein Beitrag des Ligament Komitees der Deutschen Kniegesellschaft (DKG)A contribution of the Ligament Committee of the German Knee Society

Die Indikation zur ossären Korrektur kann bei Genu varum und posterolateraler Instabilität bestehen (triple varus Situation). Durch das im Einbeinstand verstärkte Adduktionsmoment kann es ansonsten zur Elongation des zur posterolateralen Rekonstruktion verwendeten Sehnentransplantats kommen. Tischer et al. haben in einem systematischen Literaturreview zeigen können, dass Rezidivinstabilitäten bei kombinierten hinteren und posterolateralen Instabilitäten durch eine valgisierende Umstellungsosteotomie verhindert werden können [27]. Auch bei medialen Knorpelschäden und hinterer Instabilität mit Genu varum sollte an eine Umstellungsosteotomie gedacht werden [27]. Zusätzlich kann bei diesen Korrekturosteotomien die Sagittalneigung des Tibiaplateaus (tibial slope) erhöht werden, da ein erhöhter tibial slope der posterioren tibialen Translation unter Last entgegenwirkt. An Korrekturen der Sagittalneigung des Tibiaplateaus sollte insbesondere in Revisionssituationen gedacht werden.

Fixierte hintere Schublade

Jede operative Maßnahme zu Wiederherstellung der ligamentären Stabilität kann jedoch nur sinnvoll sein, soweit keine fixierte hintere Schublade vorliegt, denn die Tibia kann nur so weit nach vorne gezogen werden, wie die fixierte Schublade zulässt. Das gilt jedoch nicht für ossäre Korrekturen.

Von einer fixierten hinteren Schublade spricht man, wenn sich das Kniegelenk durch eine nach anterior gerichtete Kraft nicht in die Neutralstellung bringen lässt (Abb. 5) [25]. Dieser Zustand lässt sich nur mit gehaltenen Röngtenaufnahmen (vordere Schublade und hintere Schublade in 90° mit 15 N) nachweisen. Eine fixierte hintere Schubalde kann z.B. entstehen, wenn eine hintere Instabilität fehlinterpretiert wird (Floppy ACL) und zur Therapie einer scheinbaren VKB Elongation eine VKB-Ersatzplastik durchgeführt wird.

Ein weiteres Problem sind Kombinationsverletzungen des vorderen und des hinteren Kreuzbands. Da die meisten Operateure mit der VKB-Ersatzplastik sehr gut vertraut sind, kommt es häufig vor, dass in diesen Fällen zunächst eine VKB-Ersatzplastik durchgeführt wird und der Patient danach zur sekundären Versorgung der hinteren Instabilität in ein spezialisiertes Zentrum geschickt wird. Oft ist dann bereits das Kniegelenk in der hinteren Schublade fixiert und es bleibt oft keine andere Option, als die VKB-Ersatzplastik wieder zu resezieren, um das Kniegelenk in die Neutralposition zu bringen [25].

Auch nach lange bestehenden chronischen Instabilitäten oder nach HKB-Ersatzplastik mit Verwendung von Transplantaten aus dem Streckapparat (Agonist zum HKB) wurden fixierte hintere Schubladen beobachtet [25].

Zur Therapie der fixierten hinteren Schublade ohne eine VKB-Ersatzplastik als Ursache wird der Patient zur Nacht mit einem PTS-Brace versorgt [25]. Diese Therapie kann mehrere Monate dauern. Wenn der Patient berichtet, dass sich das Kniegelenk plötzlich wieder instabiler anfühlt, dann ist oft das Therapieziel erreicht. Selten ist auch eine arthroskopische Arthrolyse oder Osteotomie erforderlich.

HKB-Ersatzplastik mit autologem Sehnentransplantat

Als operatives Verfahren zum HKB-Ersatz werden arthroskopische transtibiale Tunnel-Techniken und sogenannte Inlay-Techniken beschrieben [22]. Hinsichtlich der klinischen Ergebnisse konnte in einem systematischen Review kein Unterschied zwischen beiden Techniken gefunden werden [22].

Als Nachteil der Inlay-Techniken gilt, dass die dazu erforderlichen Knochenblock-Transplantate aus dem Streckapparat gewonnen werden. Dieser ist der muskuläre Agonist zum HKB und wird durch die Transplantatentnahme geschwächt. Aus diesem Grunde wird in der eigenen Praxis die arthroskopische HKB-Rekonstruktion mit einem autologen Beugesehnentransplantat in Einzelbündel-Technik bevorzugt (Abb. 8) [15].

Biomechanische Studien haben hinsichtlich der Stabilität zwar Vorteile für eine Doppelbündelrekonstruktion zeigen können [19]. Hinsichtlich der klinischen Ergebnisse bestand jedoch kein Unterschied zwischen beiden Techniken [19].

Es gibt weitere Faktoren, die für die Einzelbündelrekonstruktion sprechen: Das anterolaterale Bündel ist das deutlich kräftigere Bündel. Es sichert das Kniegelenk in mittlerer Beugung gegen die posteriore tibiale Translation. Das posteromediale Bündel spielt nur in maximaler Beugung und in Streckung eine Rolle. In Streckung übernehmen die posterolateralen Strukturen jedoch die primäre Stabilisation gegen die posteriore tibiale Translation. Eine biomechanische Studie hat gezeigt, dass es wichtiger ist, die Begleitinstabilitäten zu adressieren als eine Doppelbündel Rekonstruktion durchzuführen [2].

Die Operation beginnt mit der Transplantatentnahme [15]. Es wird ein Transplantat von mindestens 10 cm Länge benötigt. Das Transplantat wird zur extrakortikalen Fixation mit einem Kippanker (z.B. Flip tack, Karl Storz, Tuttlingen) und einem Fixationsknopf (z.B. Endotack, Karl Storz, Tuttlingen) armiert [11 29, 31].

Der proximale Anteil des HKB wird dargestellt indem das Synovialgewebe reseziert wird. Das insuffiziente Bandgewebe wird dabei möglichst intakt gelassen (remnant augmentation). Durch diese Technik bleiben propriozeptive Elemente erhalten und das Remodeling des Sehnentransplantats soll vorteilhaft sein [9]. Eine klinische Studie hat gezeigt, dass mit dem Prinzip der remnant augmentation gute Ergebnisse zu erzielen sind [9].

Der femorale Bohrkanal wird innerhalb des Ansatzes des anterolateralen Bündels des HKB gebohrt (Abb. 8) [14]. Dieser wird mit kanülierten Bohrern über ein tiefes anterolaterales Portal gebohrt. Dann wird ein posteromediales Portal angelegt, der Ansatz des HKB debridiert und ein spezielles HKB-Zielgerät mit einem geschlossenen Zielhaken über das anteromediale Portal eingebracht. Bei Anlage des tibialen Kanals muss auf die Gefäße und Nerven im Bereich der Fossa poplitea geachtet werden. Der Einzug des Transplantats um den spitzen Winkel des tibialen Kanals wird durch ein spezielles Elevatorium erleichtert. Die Fixation erfolgt femoral mittels Kippanker (z.B. Flip Tack, Karl Storz, Tuttlingen). Tibial erfolgt eine Hybridfixation mit Interferenzschraube (Megafix, Karl Storz, Tuttlingen). Das Transplantat wird in 90° Beugung gespannt. Vor der tibialen Fixation erfolgt, wenn notwendig, eine posterolaterale oder posteromediale Rekonstruktion.

Posterolaterale
Rekonstruktion

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