Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Verletzungen des hinteren Kreuzbands – operativ oder konservativ?
Ein Beitrag des Ligament Komitees der Deutschen Kniegesellschaft (DKG)A contribution of the Ligament Committee of the German Knee Society

Liegt eine posterolaterale Begleitinstabilität vor, so sollten die posterolateralen Strukturen rekonstruiert werden. Die Diagnose ergibt sich aus der klinischen, radiologischen und arthroskopischen Diagnostik [20].

Im Schrifttum ist eine Vielzahl an Techniken zur posterolateralen Rekonstruktion beschrieben worden (Bizepstenodese, Popliteusbypass etc.) [6, 17, 32]. Die meisten Techniken haben einen Transplantatschenkel, der das laterale Kollateralband rekonstruiert und einen Schenkel, der den Popliteuskomplex rekonstruiert. Dabei verbinden die sogenannten Popliteus-Bypass-Rekonstruktionen die posterolaterale Tibia mit dem Femur [6] und die popliteofibularen Rekonstruktionen das Fibulaköpchen mit dem Femur [32].

Eine arthroskopische Popliteus-Bypass-Technik wurde von Frosch et al. [6] beschrieben. Es werden positive Erfahrungen mit diesem Verfahren berichtet. Bei Popliteus-Bypass-Techniken besteht jedoch die Gefahr des Overconstrainments, da mit einer Sehne ein dynamischer Stabilisator rekonstruiert wird (M. popliteus). Daher sollten diese Techniken auch nicht als anatomisch bezeichnet werden.

Die popliteofibularen Rekonstruktionen versuchen das Ligamentum popliteofibulare als passiven Stabilisator gegen die Aussenrotation zu rekonstruieren. Diese Techniken werden weiterhin in anatomische und isometrische Techniken unterschieden. Bei den anatomischen Techniken werden LCL und popliteofibularer Schenkel in getrennten Knochentunneln im Bereich der anatomischen Insertion am Femur verankert. Bei den isometrischen Techniken erfolgt die Verankerung in einem isometrischen Knochentunnel. In klinischen Studien wurde bisher kein Unterschied zwischen den verschiedenen Rekonstruktionstechniken gefunden [20].

Im eigenen Vorgehen hat sich die isometrische Rekonstruktionstechnik nach Larson bewährt (Abb. 9) [32]. Dabei werden die posterolateralen Strukturen mit einem autologen Sehnentransplantat ersetzt, dass durch ein Bohrloch in der Fibula gezogen wird. Es wird die Ansatzsehne des M. semitendinosus der Gegenseite als Transplantat verwendet. Der vordere Transplantatschenkel soll das laterale Kollateralband ersetzen. Der hintere Transplantatschenkel soll den Popliteuskomplex ersetzen. Beide Transplantatschenkel werden im Bereich des Epicondylus lateralis mit einer Interferenzschraube (Karl Storz, Tuttlingen) fixiert. Die Fixation erfolgt in 70° Beugung bevor das HKB-Transplantat fixiert wird.

Posteromediale
Rekonstruktion

Da das Heilungsverhalten der posteromedialen Strukturen gut ist, kommt es seltener zu chronischen posteromedialen Instabilitäten. Wenn eine drittgradige posteromediale Instabilität besteht, sollte sie jedoch adressiert werden.

Im Bereich der posteromedialen Gelenkecke stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Diese reichen von der Heilungsstimulation durch Mikrofrakturierung über die Raffung bis hin zum Sehnentransplantat [17, 30]. Bei den Rekonstruktionstechniken ist darauf zu achten, dass möglichst auch das hintere Schrägband durch einen Transplantatschenkel rekonstruiert wird, da dieses das Knie gegen die posteriore tibiale Translation sichert. Bei medialen Instabilitäten sollten die Beugesehnen der ipsilateralen Seite geschont werden, da diese das Knie aktiv gegen Valgusstress sichern [8]. Bei kombinierten Instabilitäten sollten deswegen bei diesen Operationen allogene Transplantate eingesetzt werden.

HKB/VKB/PLS-
Rekonstruktion

Bei Kombinationsverletzungen von vorderem und hinterem Kreuzband wird die einzeitige Rekonstruktion aller verletzten Strukturen angestrebt [26]. Das Sehnenmaterial für das HKB-Transplantat wird aus Semitendinosus- und Gracilis-Sehne der ipsilateralen Seite gewählt. Das Transplantat für die posterolaterale Rekonstruktion wird aus der Semitendinosus-Sehne der Gegenseite gewonnen und aus der Gracilis-Sehne der Gegenseite und dem Rest wird ein VKB-Transplantat präpariert.

Biplanare tibiale
Umstellungsosteotomie

Liegt eine Kombination aus Genu varum und posterolateraler Instabilität vor, so kommt es im einbeinigen Stand oder während des Gehens durch die Verschiebung der Lastlinie nach medial zu einem erhöhten Adduktionsmoment und damit zu einer hohen Belastung der lateral stabilisierenden Strukturen. Aus diesem Grunde sollte in Fällen mit einer ossären und ligamentären Varusdeformität (varus thrust) vor einer ligamentären Rekonstruktion eine Korrektur der Beinachse erfolgen [27]. Das Varus-thrust-Phänomen (Weitung des lateralen Gelenkspalts) erkennt man auf belasteten Röntgenaufnahmen.

Biomechanische Studien haben außerdem gezeigt, dass mit einer Korrektur der sagittalen Neigung des Tibiaplateaus (tibial slope) auch die A-P-Stabilität des Kniegelenks beeinflusst werden kann. Normal beträgt die Sagittalneigung des Tibiaplateaus ca. 3–10°. Wird die Sagittalneigung erhöht, schiebt sich die Tibia unter Last nach vorne; diese Verschiebung wirkt einer psoterioren Subluxationstendenz entgegen.

Für die biplanare Umstellungsosteotomie zur Korrektur ligamentärer Instabilitäten eignet sich die medial öffnende Technik, da auf diese Weise die Slope-Korrektur präziser möglich ist. Zur Stabilisation wird ein winkelstabiler Plattenfixateur verwendet (z.B. Loqtech HTO Platte). Sollte zusätzlich eine ligamentäre Rekonstruktion notwendig sein, so sollte die ossäre Korrektur immer vor dem Weichteileingriff durchgeführt werden. Grundsätzlich bevorzugen wir ein zweizeitiges Vorgehen.

Rehabilitation

Die Rehabilitation nach ligamentärer HKB-Rekonstruktion ist sehr zurückhaltend und richtet sich nach der konservativen Therapie der akuten HKB-Läsion. Dem Patienten wird 6 Wochen lang ein PTS-Brace in Streckstellung angelegt [10]. In Streckung zieht der Zug der ischiokruralen Muskulatur die Tibia nicht nach hinten. Außerdem kommt es durch die physiologische Sagittalneigung in Streckung unter Last eher zu einer anterioren Verlagerung der Tibia. Der PTS-Brace besitzt außerdem ein Polster, das die Wade im Liegen unterstützen soll. Damit soll der Schwerkraft im Liegen entgegengewirkt werden. Bewegungsübungen sollen in den ersten 6 Wochen nur passiv in Bauchlage erfolgen. Nach 6 Wochen wird dem Patienten eine bewegliche Knieorthese angelegt. Der PTS-Brace wird dann für weitere 6 Wochen nur noch zur Nacht getragen.

Fazit für die Praxis

Bei der Behandlung akuter und chronischer hinterer Instabilitäten handelt es sich um einen komplexen Therapie-Algorhitmus. Da HKB-Rupturen selten sind, sollten hintere Instabilitäten möglichst in spezialisierten Zentren behandelt werden [4].

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