Originalarbeiten - OUP 12/2013

Verletzungsmuster und präklinische Versorgung von polytraumatisierten Kindern und Jugendlichen

Im untersuchten Zeitraum wurden insgesamt 47.915 Patienten dokumentiert, von denen 3522 unter 18 Jahre waren. Dies entspricht einem Anteil von 7,4 % am Gesamtkollektiv. Den größten Anteil stellt dabei die Gruppe der 16–17-Jährigen mit 1347 dokumentierten Fällen (Tab. 1). Betrachtet man die Unfallursache, so zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den einzelnen Altersgruppen. Der führende Unfallmechanismus ist mit 58,5 % der Verkehrsunfall. Je nachdem, in welcher Rolle die Kinder am Straßenverkehr teilnehmen, ändert sich mit zunehmendem Alter auch der Unfallmechanismus. Während die 6–10-Jährigen im Straßenverkehr am häufigsten als Fußgänger verunglücken (31,5 %), so ist bei den 11–15-Jährigen der Fahrradunfall führend (19,1 %). Die 16–17-Jährigen verunfallen in der Mehrzahl mit dem Motorrad bzw. Mofa (34,8 %), wohingegen im Erwachsenenalter der Verkehrsunfall mit dem Auto der häufigste Unfallmechanismus ist. Lediglich die Kinder im Alter von 0–5 Jahren verunglücken nicht so häufig im Straßenverkehr. Hier ist der Sturz aus weniger als 3 m Höhe die führende Unfallursache (19,8 %). Eine detaillierte Darstellung des Unfallmechanismus kann Tabelle 2 entnommen werden [6].

Ebenfalls abhängig zum Alter zeigt sich das Verletzungsmuster. So sinkt die Anzahl an Patienten mit schweren Kopfverletzungen mit dem Alter deutlich. Sind bei den 0–5-Jährigen noch 71,1 % betroffen, so sind es in der Altersgruppe von 16–17 Jahren lediglich 50,9 %. Im Gegensatz dazu stehen die Verletzungen von Thorax und Abdomen. Hier steigt die Anzahl der Verletzungen mit dem Alter. Insgesamt sind Verletzungen des Abdomens seltener als thorakale Verletzungen. Ein ähnliches Verteilungsbild zeigt sich bei den Verletzungen der oberen und unteren Extremitäten. Im Alter von 0–5 Jahren sind lediglich 15,0 bzw. 19,3 % betroffen. Diese Zahl steigt mit zunehmendem Alter auf bis zu 31,3 bzw. 41,5 %. Es liegen häufiger Verletzungen der unteren Extremitäten vor. Die Verteilung der Verletzungsmuster innerhalb der einzelnen Altergruppen wird in Tabelle 3 dargestellt [6].

Auch bezüglich der Letalität zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen. Die höchste Letalität unter den Kindern hat mit Abstand die Gruppe der 0–5-Jährigen. Diese beträgt hier 16,3 %. Die Gruppen der 6–10-Jährigen, 11–15-Jährigen und 16–17-Jährigen weisen eine Letalität von 9,0 %, 10,1 % bzw. 11,5 % auf. Diese Zahlen ähneln der Letalität der erwachsenen Kontrollgruppe mit 11,0 %. Neben der eben beschriebenen beobachteten Letalität kann aus dem RISC-Score die erwartete Letalität berechnet werden. Diese liegt in fast allen Altersgruppen über der beobachteten Letalität. Die größte Differenz zeigt sich hier in der Gruppe der 6–10-Jährigen. Bei einer erwarteten Letalität von 12,2 % liegt die tatsächliche Letalität lediglich bei 9,0 %. Dies ergibt einen Unterschied von –3,2 %. Als einzige Gruppe zeigen die 0–5-Jährigen mit einer beobachteten Letalität von 16,3 % hier einen größeren Wert als die errechnete Letalität von 16,2 %.

Ein besonders Augenmerk in dieser Arbeit soll auf die präklinische Versorgung der schwerverletzten Kinder gelegt werden. Folgende Interventionen bzw. Behandlungen in der Präklinik werden im TraumaRegister erfasst und konnten ausgewertet werden: Intubation, Volumengabe, Katecholamingabe, Analgosedierung, Reanimation und die Anlage einer Thoraxdrainage. Zudem wurde die Dauer der präklinischen Versorgung vom Unfallzeitpunkt bis zum Eintreffen im Traumazentrum ausgewertet. In der vorliegenden Arbeit zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen. Der größte Unterschied zeigt sich hier bei der Häufigkeit der Analgosedierung der jungen Patienten. Je jünger die Kinder, desto seltener wird eine Analgosedierung durchgeführt. Die geringste Rate zeigt sich bei den 0–5-Jährigen mit 62,8 %. Die 6–10-Jährigen werden in 74,4 % analgosediert. Den höchsten Anteil an analgosedierten Patienten bietet die Gruppe der 16–17-Jährigen mit 82,1 %. Auch der Anteil an Patienten, welche eine präklinische Volumengabe erhalten, steigt mit dem Alter deutlich.

Hier ist es ebenfalls wieder die Gruppe der 0–5-Jährigen, welche mit 70,5 % den geringsten Anteil im Vergleich zeigten. In der Gruppe der 6–10-Jährigen erhalten schon 82,8 % der Patienten Volumen. Der größte Anteil mit 89,9 % zeigt sich erneut in der Gruppe der 16–17-Jährigen. Dies entspricht, ähnlich wie bei der Analgosedierung, dem Anteil der erwachsenen Kontrollgruppe. Aber auch die präklinischen Interventionen wie die Anlage einer Thoraxdrainage und die Intubation steigen mit zunehmendem Alter deutlich. Bei der Anlage der Thoraxdrainage zeigt sich bei den Kindern und Jugendlichen eine deutlich niedrigere Rate als in der Kontrollgruppe der Erwachsenen. Insgesamt wird mit 2,6 % bei den 0–5-Jährigen bzw. 3,0 % bei den 11–15-Jährigen nur ein geringer Anteil an Patienten mit einer Thoraxdrainage versorgt. In der Gruppe der Erwachsenen liegt dieser Anteil bei 6,1 %. Nicht ganz so groß ist der Unterschied in der Rate der präklinischen Intubationen. Aber auch hier zeigt sich der geringste Anteil in der Gruppe der 0–5-Jährigen mit 43,7 % und der größte Anteil in der Gruppe der 16–17-Jährigen mit 54,7 %. Ein anderes Verhältnis zeigt sich lediglich bezüglich der präklinischen Reanimation. Hier ist auffällig, dass in der Gruppe der 0–5-Jährigen mit 8,2 % mit Abstand am häufigsten reanimiert wird. In der Gruppe der 6–10-Jährigen sinkt der Anteil bereits auf 5,3 %, um bei den 11–15-Jährigen mit 3,6 % die niedrigste Rate zu erreichen (s. Tab. 4 und Abb. 1). Betrachtet man die Dauer der gesamten präklinischen Versorgung vom Unfallzeitpunkt bis zum Erreichen der Klinik, so zeigt sich im Vergleich der einzelnen Altersgruppen eine Differenz von maximal 6 Minuten. Die Versorgungszeit der schwerverletzten Kinder liegt mit 72 Minuten zwischen den durchschnittlichen Zeiten der Erwachsenen. In der Gruppe der 11–15-Jährigen ergibt sich mit 67 Minuten die schnellste präklinische Versorgungszeit. Am längsten dauert die Versorgung der 16–17-Jährigen mit insgesamt 73 Minuten (s. Tab. 5 und Abb. 2).

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