Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Von der Außenbandruptur zur chronischen Instabilität
Stadienadaptierte Therapie bei SprunggelenkinstabilitätAdapted therapy for ankle instability

Christian Hank1

Zusammenfassung: Die Verletzung der Außenbänder am Sprunggelenk ist sehr häufig. Eine nicht korrekte Behandlung kann in eine chronische Instabilität führen.
Bei der Beurteilung der Therapieoptionen, konservativ oder chirurgisch, wird die Bedeutung der neuromuskolären
Haltungskontrolle gerne unterschätzt. Hier soll ein Therapiealgorithmus vorgeschlagen werden, der diesem Problem Rechnung trägt.

Schlüsselwörter: Sprunggelenkverletzung, funktionelle
Instabilität, chronische Instabilität, Sprunggelenk

Zitierweise
Hank C: Von der Außenbandruptur zur chronischen Instabilität. Stadienadaptierte Therapie bei Sprunggelenkinstabilität.
OUP 2017; 7/8: 396–400 DOI 10.3238/oup.2017.0396–0400

Summary: Acute lateral ankle ligament injuries are common. If treated not correctly they can result in chronic instability. The meaning of neuromuscular postural control often is underestimated when treatment options, surgical or not
surgical, are evaluated. A therapeutical algorithm to take this problem in consideration is presented here.

Keywords: ankle sprain, functional instability, chronic instability, ankle joint

Zitierweise
Hank C: From lateral ligamtous injuries towards chronic instabilty. Adapted therapy for ankle instability.
OUP 2017; 7/8: 396–400 DOI 10.3238/oup.2017.0396–0400

Inzidenz

Von den etwa 23 Mio. regelmäßig sportlich aktiven Bundesbürgern verletzen sich jedes Jahr rund 1,25 Mio [7].

Dabei ist die Verletzung des Spru nggelenks durch Distorsion mit ungefähr 30 % die häufigste Sportverletzung überhaupt.

So werden jeden Tag in Deutschland ungefähr 8000, in den Vereinigten Staaten sogar 27.000 Verletzungen [16] diagnostiziert. Allein beim Volleyball macht die Verletzung des Sprunggelenks 52,7 % aller Verletzungen aus, beim Handball 23,7 %, Tennis 32,3 %. Bis zu 58,5 % aller Sportverletzungen in Deutschland entstehen allerdings allein beim Fußball [7].

Verletzungsmechanismus

Der typische Unfallmechanismus der Außenbandruptur ist das sogenannte Inversions- oder Supinationstrauma, bei dem meist der Fußinnenrand angehoben (supiniert) wird und oft eine Plantarflexion im oberen Sprunggelenk kombiniert wird. Beim Fußball geschieht dies typischerweise bei einem abruptem Richtungswechsel, womöglich kombiniert mit dem Wiederaufkommen nach einem Sprung. Meist passiert dies ohne Fremdeinwirkung. Dagegen ist es beim Volley- oder Basketball eher typisch, dass der Athlet auf dem Fuß eines Gegners aufkommt, was das Sprunggelenk in eine massive Inversion und damit zur Verletzung der Außenbänder zwingt.

Klassifikation

Das American College of Foot and Ankle Surgeons hat 1997 eine Klassifikation zusammen mit therapeutischen Leitlinien etabliert, die ausschließlich auf klinischen Kriterien beruht [2]. Sie hat über die Jahre ihren Stellenwert nicht verloren, da sie einfach ist und eine direkte Hilfe bei der Wahl der richtigen Therapie ist. Sie unterscheidet in 3 Stadien: leicht, mittel und schwer:

1. Dehnung: Schwellung, Schmerzen, kein Funktionsverlust

2. Teilruptur: Druckschmerz über den Außenbändern, Ekchymose, Schonhinken, Instabilität

3. Ruptur: Wie oben nur stärker, Patient kann nicht belasten

Relevante Anatomie oder warum vor allem das LFTA und eher in der Plantarflexion reißt

Grundsätzlich wird unser Sprunggelenk durch eine Anzahl von Strukturen und Automatismen ausreichend stabilisiert und damit geschützt. Wir unterscheiden in statische und dynamische Schutzmechanismen.

Zu den statischen Schutzmechanismen gehören:

Bänder: Besonders relevant beim Supinationstrauma sind die 3 Außenbänder Ligamentum Fibulotalare anterius (LFTA), Lig. Fibulocalcanealis (LFC) und das Lig. Fibulotalare posterius (LFTP). Das LFTA reißt am häufigsten weil es 1. einen niedrigeren Gesamtdurchmesser als z.B. das LFC hat, und 2. es schon bei leichter Plantarflexion angespannt und 3. das einzige Band ist, dass dann vor der Inversion schützt und 4. die Inversionshebelkraft durch den plantarflektierten Fuß massiv erhöht wird. Erst wenn das LFTA gerissen ist und die invertierende Kraft anhält, reißt auch das LFC.

Kapsel: Spielt eher eine zweitrangige Rolle.

Gelenkkongruenz: Die Formschlüssigkeit des oberen Sprunggelenks ist ein wichtiger Stabilisator des Sprunggelenks. Allerdings verliert auch dieser Stabilisator mit zunehmender Plantarflexion seine Effizienz, da bei dieser Bewegung der nach dorsal schmaler werdende Talus immer weniger die Malleolengabel ausfüllt und damit weniger Halt findet.

Die elastische Vorspannung der sprunggelenkübergreifenden Muskeln trägt auch zur zusätzlichen Stabilisierung des Gelenks bei, plötzliche destabilisierende Impulse auf das Sprunggelenk werden durch sie deutlich verlangsamt.

Dynamische Stabilisatoren des Sprunggelenks sind vor allem:

die reflektorische Stabilisierung: Hier unterscheiden wir in die sogenannten Kurzlatenzreflexe und den Langlatenzreflexe. Die propriozeptiven Kurzlatenzreflexe der Peroneen sind die wichtigsten dynamischen Stabilisatoren des Sprunggelenks überhaupt. Mechanozeptoren in den Sehnen derselben Muskeln lösen über einen monosynaptischen Reflex die Aktivierung ihrer eigenen Muskeln aus, um somit das Umknicken des Fußes zu verhindern [5]. Dagegen lösen propriozeptive Rezeptoren in der Fußsohle über Langlatenzreflexe das sofortige schützende Anheben des gefährdeten Beins aus [18].

Voraktivierte Muskeln haben eine kürzere Reaktionszeit. Durch Laufen oder Springen „voraktivierte“ Muskeln führen zu stärker ausgeprägten Reflexen der peronealen Mechanozeptoren und dadurch zu einer verkürzten Latenz der Peroneen. Diese propriozeptiven Automatismen sind in ihrer Gesamtheit für die Stabilisierung des Sprunggelenks von primärer Bedeutung. Die Kräfte, die am Sprunggelenk entstehen, z.B. bei einer sportlichen Aktion, können schnell bis zu einem Vielfachen des Körpergewichts gehen. Diese Kräfte können nicht ausreichend von den statischen Stabilisatoren aufgefangen werden. Dagegen kann der peroneale Haltungsreflex einer solchen Inversion widerstehen [10]. Erst als dies erkannt war, begann man, sich bei der Therapie verletzter Sprunggelenke mehr auf die neuromuskoläre Re-Integration der dynamischen Stabilisatoren und weniger auf die operative Rekonstruktion der Bänder zu konzentrieren. Aus dieser Dynamik entstand der Begriff „Funktionelle Instabilität“

Funktionelle Instabilität

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