Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2017

Von der Außenbandruptur zur chronischen Instabilität
Stadienadaptierte Therapie bei SprunggelenkinstabilitätAdapted therapy for ankle instability

Ab einer Läsion Stadium 2 ist es aus Sicht des Autors immer ratsam, Standard-Röntgenuntersuchungen des Sprunggelenks einzuleiten, um knöcherne, osteochondrale oder indirekt weichteilige Schäden ausschließen zu können. Einigkeit besteht jedoch hinsichtlich gehaltener Röntgenaufnahmen des Sprunggelenks zur Beurteilung der anterioren Schublade oder des Talaren Tilts: Diese Art von Bildgebung ist mit einer Sensitivität von stellenweise nur 36 % nicht verlässlich genug, um Aussagen über mögliche Bandverletzungen am Sprunggelenk zu machen [4,15, 6].

Die Resonanztomografie als detaillierte Bildgebung bei Zustand nach Supinationstrauma am Sprunggelenk hat sich von allen bildgebenden diagnostischen Mitteln als das wichtigste und hilfreichste etabliert. Band-, Syndesmose- und Sehnenverletzungen, aber auch osteochondrale Läsionen bis zu Knochenödemen, lassen sich hier spezifisch und sensitiv nachweisen. Die Frage, ab welchem Stadium und zu welchem Zeitpunkt dieses Mittel genützt werden sollte, ist zumindest im deutschsprachigen Raum bis heute nicht einheitlich geklärt. Die Ultraschalluntersuchung kann je nach Operateur und verfügbarem Gerät sehr spezifische und sensitive Hinweise liefern.

Therapie

Bei der Instabilität des Sprunggelenks ist es weniger die Frage ob die konservative oder die operative Therapie die bessere ist als wann welche der Möglichkeiten eingesetzt werden sollte.

Nach Durchsicht der hierzu relevanten Literatur schlage ich im Folgenden einen Therapiealgorithmus zur Behandlung des instabilen Sprunggelenks vor (Abb. 1).

Akute Sprunggelenkverletzung

Jede akute Läsion, auch wenn es ein Rezidiv ist, sollte zunächst konservativ behandelt werden.

Bei akuten Läsionen Stadium I reicht meist eine 2-wöchige Schonung in Kombination mit abschwellenden Maßnahmen (PECH Schema). Sollten bei Wiederaufnahme größerer Belastung Schmerzen auftreten, ist eine Wiedervorstellung ratsam.

Außenbandverletzungen ab Stadium II werden zunächst für 6 Wochen mit einer sogenannten 3-Phasen-Orthese in Kombination mit abschwellenden Maßnahmen behandelt, wobei diese Orthese eine Vorrichtung haben sollte, die eine Flexo-Extension im oberen Sprunggelenk verhindert, da sonst das LFTA immer wieder überdehnt wird und nicht bzw. nicht in korrekter Länge vernarben kann. Bei Verletzungen Stadium III sollten unbedingt mit entsprechender Bildgebung größere Begleitverletzung (z.B. Frakturen, Syndesmoseruptur) ausgeschlossen und ggf. sofort adressiert werden. Hiernach orientiert sich zunächst auch die Weiterbehandlung. Sollte dies aber ohne weiteren Befund ausfallen, wird die gleiche Vorgehensweise wie im Stadium II gewählt. Ab Ende der 1. Woche sollte mit vorsichtiger funktioneller Beübung begonnen werden.

Die Orthese sollte nach Ablauf der 6 Wochen nicht weiter verwendet werden. Der Heilprozess ist beendet und ein weiteres Tragen kann eher zur Beeinträchtigung der selbststabilisierenden Fähigkeit führen. Es entsteht eine Art Abhängigkeit, wobei die Orthese keinesfalls eine befriedigende Endlösung sein kann.

Vielmehr empfiehlt sich im Anschluss ein mehrmonatiges posturales Rehabilitationsprogramm. Dabei sollte der Patient anfangs durch einen Physiotherapeuten angeleitet werden, um dann die Übungen täglich selbstständig zuhause durchzuführen. Diese Übungen sollten idealerweise barfuß (propriozeptive Rezeptoren in der Fußsohle) und bei geschlossenem Auge durchgeführt werden, da sonst der Gleichgewichtssinn mehr das Auge zu Hilfe nimmt als die Propriozeption. Die Übungen sollten zunehmend auf instabilem Untergrund (Trampolin, halbe Rolle, Gelkissen etc.) fortgeführt werden um die neuromuskoläre Integration weiter zu schärfen [1, 11, 12]. Dies ist ein sehr langsamer Prozess. In der Literatur gibt es keine einheitlichen Angaben, wie lange dieses Programm durchgeführt werden sollte. Vorgeschlagene Zeiträume gehen von 3 bis zu 6 Monaten. Der Autor schlägt 6 Monate vor, da die Integration neuer Nervenbahnen zur funktionellen Stabilisierung, zumindest in der klinischen Realität, sehr langsam ist und nach 3 Monaten immer noch eine Besserung einzutreten scheint.

Chronische Instabilität

Wenn das korrekt durchgeführte 6-monatige sensomotorische Training ohne Erfolg bleibt und eine Bandinstabilität klinisch nachweislich ist, sollte die operative Therapie diskutiert werden. Bei der Entscheidung, welche OP-Technik und welche weiteren Maßnahmen man wählen sollte, gibt es 3 Faktoren zu berücksichtigen:

Ausmaß der Bandruptur

Begleitverletzungen (z.B. Peronealsehne, Osteochondrale Läsionen)

Pathologischer Rückfußvarus

Die meisten Außenbandläsionen haben eine ausreichend gute Gewebesituation, um durch eine anatomische Rekonstruktion gute Ergebnisse zu erhalten. Die von Gould modifizierte OP nach Broström hat dabei mit exzellenten Langzeitergebnissen von 91,2 % nach 26 Jahren einen sehr hohen Stellenwert [3]. Hierbei wird meist das LFTA, öfters auch das LFC, quer durchtrennt und durch raffende Nähte wieder mit sich selbst vernäht. Dadurch entsteht eine Spannung und verdoppelnde Kräftigung der Bänder. Eine zusätzliche Stabilisierung wird erreicht, indem das inferiore Extensorenretinakulum mit auf dieses Konstrukt und möglichst an die ventrale Fibula genäht wird (Modifikation nach Gould).

Sollten aber die lateralen Bänder unzureichend oder gar nicht mehr vorhanden sein, empfiehlt sich eine Augmentation durch eine autologe Spendersehne wie der des M. Plantaris oder des M. Semitendinosus. Dabei gilt es, die gewonnene Spendersehne durch transossäre Fixation im Talus, Fibula und ggf. Calcaneus exakt in die ursprüngliche Position der verlorenen Bänder und bei korrekt angepasster Spannung zu implantieren. Der Autor bevorzugt eine von Pagenstert vorgeschlagene Technik [14]

Ältere Techniken, bei denen Sehnen, vor allem der Peroneen, anteilig oder ganz zur Rekonstruktion verwendet wurden, haben ihren Stellenwert verloren, da damit langfristig keine ausreichende Stabilität erzielt wurde und bei bis zu 60 % der Fälle chronische Schmerzen bestanden [19, 20]. Generell sollten die Peroneen als Auslöser und Effektoren der stabilisierenden Reflexe des Sprunggelenks nie geopfert werden.

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