Übersichtsarbeiten - OUP 10/2015

Wechselstrategien bei periprothetischen Infektionen am Hüftgelenk

2. die systemische Gabe von Antibiotika gilt als conditio sine qua non. Die Dauer der Antibiotikabehandlung ist jedoch umstritten.

Grundsätzlich sind folgende therapeutische Ansätze denkbar:

Nicht operativ mit kurativem Ansatz: Alleinige Applikation von Antibiotika

Nicht operativ mit palliativem Ansatz: Alleinige Applikation von Antibiotika

Operativ mit kurativem Ansatz

Debridement mit Prothesenerhalt

Wechseloperationen:

Einzeitig (Prothesen-Explantation, Revision des Situs und Re-Implantation in einem Eingriff)

Zweizeitig mit und ohne Spacer (1. Eingriff: Prothesen-Explantation und Revision des Situs; 2. Eingriff: Re-Implantation der Prothese)

Mehrzeitig mit und ohne Spacer (1. Eingriff: Prothesen-Explantation und Revision des Situs; 2. und weitere Eingriffe: Revision des Situs; letzter Eingriff: Re-Implantation der Prothese)

Operativ mit palliativem Ansatz: Anlage einer Fistula persistenz

Resektionsarthroplastik: „Girdlestonesituation“

Amputation

Die Auswahl des therapeutischen Ansatzes wird determiniert durch:

Patientenbezogene Faktoren

Alter

Allgemeinzustand

Komorbiditäten

Knochenqualität

Infektbezogene Faktoren

Keimtyp („Virulenz)

Antibiotika-sensible Arten

Antibiotika-resistente Arten

„difficult to treat Keime“ (DTT). Sie gehören zu den Antibiotika-sensiblen Arten, ihre Behandlung ist jedoch problematisch.

Akuität (histologische Merkmale) [10]

akute Infektion

chronische Infektion

Low-grade-Infektion [11]

Laufzeit der Infektion

Frühinfektion

Spätinfektion

Reifegrad des Biofilms [5]

Prothesenbezogene Faktoren

Prothese fest

Prothese locker

Grundsätzlich ist die allein medikamentöse (antibiotische) Behandlung der PPI(H) denkbar, z.B. bei inoperablen Patienten. Auch der Prothesenerhalt unter kurativem Ansatz ist denkbar. Nach den Erkenntnissen von Trampuz unter folgenden Voraussetzungen [12]:

bekannter Keim (kein DTT, nicht aus der Gruppe der multiresistenten Keime),

Frühinfektion (bis zu einer „Laufzeit“ von 4 Wochen),

Prothese fest,

Weichteilmantel um die Prothese nur minimal von der Infektion betroffen.

Die Erfolgsaussichten bei dieser Herangehensweise sind allerdings limitiert. Die Erfolgsaussichten des Prothesenerhalts ohne Revisionseingriff werden in der Literatur mit ca. 30 % bewertet. Für diejenigen mit Revisionseingriff variieren die Angaben zwischen 26 und > 80 % [13, 14, 15, 16, 17, 18].

Bei kurativem Ansatz ist die operative Revision des Lokalbefunds die Option mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit. Diese Erkenntnis basiert auf 3 Faktoren:

1. Der Problematik der Infektbeherrschung am Muskuloskelettal-System durch alleinige Applikation von Antibiotika. Die Ursachen hierfür sind unter anderem:

eingeschränkte Wirksamkeit bei der Behandlung von Biofilmen

inadäquate Knochengängigkeit von Antibiotika

Mangel an effektiven Antibiotika

Mangel an wirklichen Antibiotika-Neuentwicklungen

2. Der Notwendigkeit des lokalen Debridements zur Entfernung von durch Infektion destruiertem Gewebe.

3. Der Notwendigkeit der mechanischen Entfernung des bakteriell induzierten Biofilms auf der Implantat-Oberfläche.

Auswahl des operativen
Revisionsverfahrens

In Bezug auf die operative Vorgehensweise besteht in der aktuellen Literatur Einigkeit, dass der Prothesenwechsel die Therapieform mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit ist. Diese Gruppe macht demnach das Gros der operativen Eingriffe bei der Behandlung der PPI(H) aus.

In Analogie zur grundsätzlichen Auswahl der Behandlungsweise wird auch die Auswahl des operativen Revisionstyps determiniert durch die bereits weiter oben genannten Faktoren. Der behandelnde Arzt sieht sich, wie schon bei der grundsätzliche Auswahl des therapeutischen Verfahrens, mit der Tatsache konfrontiert, dass es sich bei einer Vielzahl der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Faktoren um sog. weiche Faktoren handelt, also um solche, die nicht jederzeit zu objektivieren sind, sondern wesentlich durch Erfahrung und persönliche Einschätzung beeinflusst werden (als Beispiel sei die Unterscheidung in Früh- und Spätinfekt genannt. Die zeitliche Unterscheidung basiert nicht auf evidenzbasierten Fakten sondern auf persönlichen Erfahrungswerten.) Hinzu kommt, dass es in der Literatur nur wenige Untersuchungen gibt, die sich speziell mit dieser Problematik befassen. Weiterhin muss konstatiert werden, dass bei eben diesen Untersuchungen nur geringe Fallzahlen analysiert werden und somit ihr statistischer Wert relativ eingeschränkt ist.

Unstrittig ist jedoch, dass, unabhängig vom gewählten Revisionskonzept Folgendes immer gilt:

Die chirurgische Revision mit der Entfernung der Prothese und sämtlichen nekrotischen und makroskopisch infiziert wirkenden Geweben ist, wie bei jeder Art des Prothesenwechsels eine Conditio sine qua non.

Die mikrobiologisch-histologische Analyse des resezierten Gewebes ist eine Conditio sine qua non.

Die systemische erregergerechte Anwendung von Antibiotika ist eine Conditio sine qua non.

Hinsichtlich der Auswahl des Wechselkonzepts sind in der Literatur Tendenzen erkennbar:

Einzeitiger Wechsel (EZW)

Grundsätzlich bietet der EZW theoretisch eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Verfahren. Nach Haddad et al. handelt es sich hierbei um die folgenden Punkte [19]:

Kürzerer Krankenhausaufenthalt

Vermeidung von Komplikationen in Zusammenhang mit weiteren Operationen

Verbesserte postoperative Funktion

Geringeres postoperatives Schmerzlevel

Geringere Kosten

In ihrer Studie definierte die o.g. Gruppe Ausschlusskriterien für die Anwendung des EZW [19]:

Lokale Kriterien:

signifikante Weichteilbeteiligung

signifikanter Knochenverlust

signifikante Durchblutungsstörungen

Systemische Kriterien:

Immunsuppression

systemische Infektion (Sepsis)

Systemerkrankungen

Reinfektion

Erreger-spezifische Kriterien:

multiresistente Erreger

Mischinfektionen

problematische Resistenzprofile

nicht identifizierbare Erreger

Diese Auffassung wurde auch von Trampuz vertreten [12]. In Bezug auf die Erreger der PPI(H) forderte diese Gruppe konkret das Vorliegen Gram-positiver Erreger. Gerade die Erreger-spezifischen Ausschlusskriterien zeigen einen entscheidenden Schwachpunkt auf. Der korrekte Nachweis von Erregern muskuloskelettaler Infektionen ist per se problematisch:

bis zu 30 % falsch negative Ergebnisse.

Ist der nachgewiesene Erreger das Infekt auslösende Pathogen?

Der Nachweis von Erregern kann einen längeren Zeitraum beanspruchen.

Auch Winkler et al. kamen 2015 zu der Auffassung, dass die Indikation zum EZW sich auf die Fälle kapriziert, bei denen gute Weichteilverhältnisse und keine Problemkeime vorlagen [20]. Betrachtet man die in der Literatur beschriebenen Ergebnisse nach EZW so werden Erfolgsraten zwischen 83 und 94 % beschrieben [21].

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