Übersichtsarbeiten - OUP 10/2015

Wechselstrategien bei periprothetischen Infektionen am Hüftgelenk

Als Grundlage gelten dafür das konsequente chirurgische Debridement und die systemische Anwendung von Antibiotika.

Die Einschränkungen derartiger Untersuchungen liegen auf der Hand [21]:

kleine Kollektive

unterschiedliche Nachuntersuchungszeiträume (fehlende Langzeitergebnisse)

unterschiedliche Prothesenkonzepte

unterschiedliche Antibiotikaregime

das Fehlen randomisierter Studien.

Bezüglich der Qualität und Anwendbarkeit der Revisionskonzepte bei PPI(H) werden neben der Erfolgsrate auch die Reinfektionsraten zu Rate gezogen. In einer Metaanalyse von 2012 wurden die Reinfektionsraten des EZW (13,1 %) und des zweizeitigen Wechsels (10,4 %) verglichen [22]. Die Einschränkungen derartiger Untersuchungen wurden bereits oben erwähnt. Für eine generelle Empfehlung pro oder kontra EZW ist die Datenlage mithin nicht ausreichend [20].

Zweizeitiger Wechsel (ZZW)

Der ZZW stellt heute die am häufigsten gewählte Option in der Behandlung des PPI, mithin auch des PPHI dar [23]. Wenn man im Zusammenhang mit der Behandlung von PPI überhaupt von einem „Gold-Standard“ sprechen kann, so scheint diese Bezeichnung für den ZZW zuzutreffen [21]. Diese Aussage trifft insbesondere für den chronischen PPI zu. Das Grundprinzip dieser Vorgehensweise besteht darin, die Prothesenexplantation und die sich daran anschließende lokale Revision des infizierten Situs von der Implantation der Revisions-Endoprothese zu trennen. Dieses bietet folgende Vorteile:

Trennung des „schmutzigen“ Parts (Explantation und lokale Revision) vom „sauberen“ Part (Revisions-Endoprothetik)

Möglichkeit weiterer Revisionseingriffe

Mikrobiologisch-histologisches Restaging vor Implantation der Revisions-Endoprothese

Implantation der Revisions-Endoprothese im Sinne eines Elektiveingriffs bei den patientenindividuell bestmöglichen Voraussetzungen. Generell erfolgt der „Wiedereinbau“, wenn der PPI klinisch und laborchemisch abgeklungen ist und ein Keimnachweis beim sog. mikrobiologisch-histologischen Restaging nicht möglich ist. Es bleibt aber immer eine gewisse Unsicherheit (fehlender Keimnachweis ? Keimfreiheit). Die Arbeitsgruppe um Gontarewicz stellte 2012 fest, dass gerade hinsichtlich der o.g. klinischen und laborchemischen Prädiktoren eindeutige Zeichen fehlen [24].

Die operations-technische und taktische Vorgehensweise besteht aus der Explantation der Prothese und dem konsequenten lokalen chirurgischen Debridement im ersten Eingriff in Kombination mit der erregergerechten systemischen und (fakultativ) lokalen Antibiotikagabe und der Implantation der Revisions-Endoprothese im zweiten Eingriff.

Wie schon für den einzeitigen Wechsel bestehen entsprechende Anwendungs-Kriterien auch für den ZZW [6, 12]:

unbekannter Keim (Keim nicht zu isolieren)

Weichteilverhältnisse schlecht (Fisteln, Abszesse, u.ä.)

schwerwiegende Komorbiditäten

Low-grade-Infektionen

chronische Infektion

difficult to treat pathogens oder multiresistente Erreger.

Es erscheint nachvollziehbar, dass ein Großteil dieser Kriterien gerade beim chronischen PPI vorliegt. Die Erfolgsraten des ZZW werden in der Literatur zwischen 90 und 100 % angegeben [25, 26]. Wie auch für den EZW gelten bei der Interpretation der in der Literatur vorliegenden Ergebnisse des ZZW die bekannten Einschränkungen (s.o.). Gerade in Spezialeinrichtungen zur Therapie muskuloskelettaler Infektionen stellt der ZZW aufgrund der negativen Selektion der Patienten das am häufigsten gewählte Konzept dar. Ein Fallbeispiel ist dargestellt in den Abbildungen 1–6.

Fallbeispiel

Fallbeispiel: Weiblich, 65 Jahre, Hüft-TEP 15 Jahre alt, Fieber 38,2 °C; Leukos 11,5; CRP 186, seit ca. 2 Wochen Schmerzen am rechten Oberschenkel (Abb. 1). Aus der bildgebenden Diagnostik (Abb. 2a-b) ergab sich folgender Befund: Akute Exazerbation einer Protheseninfektion. Insofern Indikation zur schnellstmöglichen Revision. Der histomorphologische Typ der Infektion ist erst nach der entsprechenden Gewebsanalye der intraoperativ entnommenen Proben möglich.

Durch Eröffnung des Markraums an vorgewählten Lokalisationen (Abb. 3–4) Entfernung des Prothesenschafts unter Sicht möglich ohne die Gefahr der unkontrollierbaren Frakturierung beim Ausschlagen. Hinzu kam, dass der Markraum unter Sicht revidiert werden konnte. Die korrekte Revision und die makroskopisch rückstandlose Entfernung von avitalem, nekrotischem und infiziertem Gewebe war so ad oculos zu verifizieren. Histologie: Chronische periprothetische Infektion, Mikrobiologie: Nachweis von S. aureus (nicht multiresistent). Endgültige Diagnose: Akute Exazerbation einer chronischen periprothetischen Infektion. 9 Wochen nach der Explanation wurde die Revisionsendoprothetik vorgenommen, nachdem 6 Wochen nach Explantation kein Keim mehr nachgewiesen wurde (Abb. 5). Abbildung 6 zeigt das Kontrollröntgenbild am 3. postoperativen Tag.

Mehrzeitiger Wechsel (MZW)

Die Voraussetzungen dafür sind zunächst analog denen für den ZZW. Erscheint es jedoch aufgrund des Lokalbefunds, der Keimpersistenz und der laborchemischen Konstellation geboten, zwischen der Prothesenexplantation und der Revisions-Endoprothetik weitere Revisionsoperationen durchzuführen, wird ein MZW-Konzept notwendig. Es ist selbsterklärend, dass die Anzahl möglicher Revisionen allein schon durch den vorhandenen Weichteilmantel und den notwendigen verbleibenden Knochen zur Verankerung der Revisions-Endoprothese limitiert ist. Es gilt die Regel:

Wenn nach 3 konsequent durchgeführten chirurgischen Revisionen eine lokale Infektberuhigung nicht gelingt, sind weitere Revisionsoperationen nicht erfolgversprechend.

In diesen Fällen muss das Gesamtkonzept der Infektionsbehandlung überdacht werden.

Spacerproblematik

Die Angaben pro und kontra der Anwendung von Spacern bei ZZW und MZW sind in der Literatur ebenso heterogen wie die zum Thema Wechselkonzepte. Grundsätzlich lassen sich Spacer nach folgende Kriterien unterteilen:

Funktion:

statischer Spacer (keine Bewegung möglich, reines „Totraum-Management“)

artikulierender Spacer

Fertigung:

handgemacht

vorgefertigt

Rein-Zement-Spacer

Hybrid-Spacer (mit Metallkern)

Antibiotikum:

mit Antibiotikum

ohne Antibiotikum

Mit allen bekannten Einschränkungen der vorliegenden Literatur zu diesem Thema könnte man sagen, dass

Spacer geboten sind bei absehbar langen Intervallen zwischen Revision und Reimplantation.

Vorsicht geboten ist mit artikulierenden (beweglichen) Spacern, wenn ein direkter Kontakt zu osteoporotischem Knochen besteht. Aufgrund der rauen Oberfläche des Spacers kann es hier bei langer Liegedauer zu signifikantem Knochenabrieb (-verlust) kommen.

Spacer wenn möglich mit einem erregergerechten Antibiotikum versehen sein sollten.

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