Übersichtsarbeiten - OUP 10/2015

Wechselstrategien bei periprothetischen Infektionen am Hüftgelenk

Spacer regelhaft über einen (vollständig vom Zement ummantelten) Metallkern verfügen sollten, um sog. Spacerbrüche zu vermeiden

Die Erfolgsraten der Wechselkonzepte mit und ohne Spacer werden in der Literatur unterschiedlich bewertet, liegen aber im Vergleich auf einem ähnlichen Niveau [27, 28]:

ohne Spacer: 66–93 %

mit Spacer: 89–96 %

Gleichzeitig wird auf die hohe Komplikationsrate von über 50 % verwiesen.

Restaging

Beim ZZW und MZW stellt sich, wie bereits oben beschrieben, immer die Frage nach dem idealen Zeitpunkt der Revisions-Endoprothetik [27]. Allgemeingültige Standards hierzu existieren nicht. Klar ist, dass die Implantation der Prothese in eine Infekt-Keim-freie Situation erfolgen sollte. Klar ist auch, dass zur Beurteilung 3 Kriterien herangezogen werden sollten:

Klinik mit Allgemein- und Lokalbefund

Laborchemie (insbesondere CRP und Leukozytenzahl)

Mikrobiologisch-histologisches Restaging

In Abbildung 7 wird das eigene Vorgehen dargestellt:

Vor allen geplanten rekonstruktiven Eingriffen

Mindestens 6 Wochen Abstand zur letzten Revision

Antibiotikagabe seit 14 Tagen beendet

Gewinnung in Form von (Stufen)-Biopsien

Keine Aspirationsmikrobiologie

Gewinnung an standardisierten (repräsentativen) Lokalisationen.

Therapeutisches Dilemma

Die dargestellten mehrzeitigen Revisionskonzepte (ZZW, MZW) gehen davon aus, dass die Infektberuhigung erreicht und die Revisions-Endoprothetik in einer patienten-individuell optimalen Situation elektiv erfolgen kann. Immer dann jedoch, wenn dieses nicht gelingt, stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Grundsätzlich muss an dieser Stelle geklärt werden, ob ein erneuter Versuch zur Infektberuhigung erfolgversprechend unternommen werden sollte oder das gesamte Konzept überdacht werden muss.

Wiederum ist das Vorgehen abhängig von mehreren Kriterien:

Allgemeinzustand des Patienten

Komorbiditäten

klinisches Bild

laborchemische Konstellation (CRP, Leukozytenzahlen)

Keimtyp

Zustand der Weichteile

Zustand der Knochen

Anzahl der vorhergehenden Versuche der Infektberuhigung

Leitlinien oder Regeln existieren zu diesem Thema nicht. Basis aller Überlegungen sollte der intensive Kontakt zum Patienten sein. Gemeinsam mit ihm und unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche und Vorstellungen sowie der medizinischen Möglichkeiten sollte das weitere Procedere festgelegt werden.

Fazit

Basierend auf den Ausführungen bis hierher bleibt zusammenfassend Folgendes:

Fakten

Der Prothesenerhalt ist in Ausnahmefällen möglich.

Die Kombination aus lokaler Revision mit Prothesenwechsel in Kombination mit der systemischen (und ggf. lokalen) erregergerechten Antibiotikatherapie ist das Vorgehen mit der besten Erfolgsaussicht.

Die chirurgische Revision mit der Entfernung der Prothese und sämtlichen nekrotischen und makroskopisch infiziert wirkenden Geweben ist, wie bei jeder Art des Prothesenwechsels eine Conditio sine qua non.

Die mikrobiologisch-histologische Analyse des resezierten Gewebes ist eine Conditio sine qua non.

Die systemische erregergerechte Anwendung von Antibiotika ist eine Conditio sine qua non.

Das lokale mikrobiologisch-histologische Restaging ist eine Conditio sine qua non.

Unklarheiten

Z.Zt. ungeklärt ist, welches Revisionskonzept in welcher Infektsituation das erfolgversprechende ist.

Z.Zt. ungeklärt ist der optimale Zeitpunkt für die Revisions-Endoprothetik.

Tendenzen

Je jünger der Patient, je kürzer die Infektlaufzeit („Frühinfekt“, „unreifer Biofilm“), je besser die Weichteile, je behandelbarer der präoperativ bekannte Erreger (Gram-positiv, kein DTT, keine Multiresistenz) umso eher ist ein EZW möglich.

Je weniger diese Kriterien zutreffen, umso mehr muss ein ZZW oder ein MZW erwogen werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med.
Andreas Heinrich Hugo Tiemann

Klinik für Orthopädie und Unfall-
chirurgie des SRH Zentralklinikums Suhl

Albert-Schweitzer-Str. 2

98527 Suhl

andreas.tiemann@zs.srh.de

Literatur

1. ISEG Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung; Bitzer EM, Grobe TG, Neusser S, Schneider A, Dörning H, Schwartz FW. BARMER GEK Report Krankenhaus 2010. Schwerpunkt: Trends in der Endoprothetik des Hüft und Kniegelenks. In: BARMER GEK Report Krankenhaus Juli 2010. S.9–60

2. Wengler A et al. Hüft- und Kniegelenkersatz in Deutschland und den USA. Dt. Ärzteblatt 2014; 111: 407–421

3. Urquhart DM, Hanna FS, Brennan SL et al. Incidence and risk factors for deep surgical site infection after primary total hip arthroplasty: a systematic review. J Arthroplasty 2010; 25: 1216–22

4. Perka C, Haas N Periprosthetic infection. Chirurg 2011; 82: 218–226

5. Mühlhofer HML et al. Periprothetischer Infekt des Hüftgelenkes. Orthopäde 2015; 44: 357–365

6. Parvizi J et al. New Definition for Periprosthetic Joint Infection The Journal of Arthroplasty 2011; 26: 1136–1138

7. Parvizi J, Gehrke T, Chen AF. Proceedings of the International Consensus on Periprosthetic Joint Infection Bone Joint J 2013; 95-B: 1450–1452

8. Braunschweig R, Bergert H, Kluge R, Hofmann GO, Tiemann AH Bildgebende Diagnostik Osteitis/Osteomyelitis und Gelenkinfektionen. Z Orthop Unfall; 2011: Z Orthop Unfall 149; 449–460

9. Tiemann AH, Krenn V, Krukemeyer Mget al. Infektiöse Knochenerkrankungen. Der Pathologe 2011; 32: 200–209

10. Tiemann AH. Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsappartesin: Krenn, Rüther: Pathologie des Bewegungsapparates. Berlin: De Gruyter Verlag, 2012

11. Morawietz L, Tiddens O, Mueller Met al. Twenty-three neutrophil granulocytes in 10 high-power fields is the best histopathological threshold to differentiate between aseptic and septic endoprosthesis loosening. Histopathology 2009; 54: 847–53

12. Trampuz A. Systemische Antibiotikatherapie. In: Periprothetische Infektionen – von der Forschung in die Klinik. Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik Bulletin 2010

13. Trebse R, Pisot V, Trampuz A. Treatment of infected retained implants.J Bone Joint Surg Br. 2005; 87: 249–56

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5