Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion
Empfehlungen der DKG-Expertengruppe LigamentRecommendations of the DKG ligament expert group

Wolf Petersen1, Amelie Stöhr2, Andree Ellermann3, Andrea Achtnich4, Peter E. Müller5, Thomas Stoffels6, Thomas Patt7,Jürgen Höher8, Mirco Herbort9, Ralf Akoto10, Tobias Jung11, Christian Zantop12, Thore Zantop13, Raymond Best14

Zusammenfassung: Reruptur-Raten nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands (VKB) variieren zwischen 0 und 19 % für die operierte Seite; die Prävalenz für eine Verletzung der unverletzten Gegenseite wird auf etwa 7–24% eingeschätzt. Als Ursache für traumatische Rerupturen nach VKB-Rekonstruktion werden u.a. verbliebene neuromuskuläre Defizite gesehen. Diese erklären auch die erhöhten Verletzungs-Prävalenzen der Gegenseite. Neuere Tierstudien haben indes zeigen können, dass der Umbau der Transplantate bis zu 2 Jahren dauern kann. Viele Sportler kehren aber schon nach 6–10 Monaten zum Wettkampfsport zurück. Da zu diesem Zeitpunkt oft noch deutliche funktionelle Defizite vorliegen, können diese das OP-Ergebnis gefährden.

Die Entscheidung, wann ein Sportler zum Wettkampfsport zurückkehrt, kann neben dem Erfüllen klinischer Basiskriterien daher eigentlich nur nach zusätzlichen, umfangreichen funktionellen Untersuchungen getroffen werden.

Die Basiskriterien betreffen die Ergussneigung, die passive Stabilität (Lachman, Pivot-Shift, KT 1000) und die Beweglichkeit. Diese Kriterien sollten der IKDC-Klassifikation A oder B entsprechen. Bei pathologischen Befunden (IKDC C und D) sollten weitere Untersuchungen wie Laboranalysen, MRT oder CT zur Anwendung kommen, um die Indikation zu einer Revisions-OP zu überprüfen.

Werden die Basiskriterien als normal (A) oder fast normal (B) klassifiziert, sollten die neuromuskulären Fähigkeiten des Sportlers getestet werden. Zur Untersuchung der funktionellen Stabilität des Kniegelenks eignen sich u.a. verschiedene einfache, einbeinige Sprungtests zur Ermittlung eines vergleichbaren Symmetrie-Indexes (lower extremity symmetry index: LSI). Kraftmessungen können der Analyse verbliebener Kraftdefizite dienen, wobei diese sorgfältig interpretiert werden müssen. Mit einfachen Bewegungsanalysen sollten gefährdende Bewegungsmuster (dynamischer Valgus) entdeckt werden.

Schlüsselwörter: Reruptur, Rehabilitation, Sprungtests,
dynamischer Valgus, Kraft

Zitierweise
Petersen W, Stöhr A, Ellermann A, Achtnich A, Müller PE, Stoffels T, Patt T, Höher J, Herbort M, Akoto R, Jung T, Zantop C, Zantop T, Best R: Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion. Empfehlungen der DKG-Expertengruppe Ligament.
OUP 2016; 3: 166–176 DOI 10.3238/oup.2015.0166–0176

Summary: Re-rupture rates after ACL-reconstruction vary
between 0 and 19 % for the operated side and between 7–24 % for the contralateral side. A cause for traumatic re-ruptures could be neuromuscular deficits. These can also explain re-ruptures of the contralateral side. Younger animal studies have shown that the remodeling process of the grafts may take up to 2 years. Many athletes return to competitive sports after 6–10 months. For the decision, when an athlete can safely return to unrestricted activities, several functional tests are needed.

Basic criteria are effusion, passive stability and range of motion. These criteria should be classified A or B according to the IKDC-classification. In case of pathological results (IKDC C or D), additional examinations such as blood analysis, MRI or CT scan are needed to check the indication for revision surgery.

If the basic criteria are classified as normal (A) or nearly normal (B) neuromuscular tests are needed. The functional stability of the knee can be tested with one leg jump tests (LSI > 85 %). Isokinetic strength tests should be used to discover strength deficits. With simple motion analyzes hazardous motion patterns such as dynamic valgus can be discovered.

Keywords: re-rupture, rehabilitation, jump test, dynamic valgus, strength

Zitierweise
Petersen W, Stöhr A, Ellermann A, Achtnich A, Müller PE, Stoffels T, Patt T, Höher J, Herbort M, Akoto R, Jung T, Zantop C, Zantop T, Best R:
Return to sports after ACL reconstruction. Recommendations of the DKG ligament expert group.
OUP 2016; 3: 166–176 DOI 10.3238/oup.2015.0166–0176

Einleitung

Die Verletzung des vorderen Kreuzbands ist – abhängig von der jeweiligen Sportart – eine häufige Verletzung im Sport, die in vielen Fällen zur Sportunfähigkeit führen kann [7]. Im Fokus stehen dabei oft die sog. Risikosportarten wie Fußball, Basketball und Handball. Ursächlich ist oft ein Nicht-Kontakt-Trauma bei Landungen nach Sprüngen oder plötzlichen Drehbewegungen [22].

Im Verletzungsfall gilt die Kreuzbandplastik mit einem autologen Sehnentransplantat beim Sportler mit symptomatischer Instabilität als Therapie der Wahl [45]. Dabei wird das rupturierte oder insuffiziente vordere Kreuzband mit einer körpereigenen Sehne ersetzt, die sich in der Folgezeit zu einem Band umbauen muss (Remodeling). Entwickelt sich eine chronische Instabilität, kann die Funktionsminderung des Kniegelenks zu einer Beeinträchtigung des sportlichen Aktivitätsniveaus führen.

Im Gegensatz hierzu können durch operative Wiederherstellung der passiven Stabilität das Aktivitätsniveau verbessert und sekundäre Meniskus- und Knorpelschäden verhindert werden. So konnte ein systematisches Review zeigen, dass durch eine VKB-Ersatzplastik die Arthroserate gesenkt werden kann [6].

Aus Sicht des Breiten- und Leistungssportlers ist das Wiedererlangen des präoperativen Aktivitäts- und Leistungsniveaus ein wichtiges Ziel des Kreuzbandersatzes.

Die Frage, wann ein Sportler zum uneingeschränkten Mannschaftstraining und zum Wettkampfsport zurückkehren kann, wird seit jeher kontrovers diskutiert [8, 20, 31, 51]. Ein kürzlich erschienenes systematisches Review ergab deutlich, dass hinsichtlich der Kriterien für eine Wiederkehr zum Sport im Breiten- wie im Leistungssport kein klarer Konsensus besteht [8]. In den meisten Studien wird der zeitliche Abstand zur OP als einziges Kriterium angegeben und eine Sportfreigabe nach 6 Monaten befürwortet [8]. Im Schrifttum finden sich aber auch Fallberichte, in denen Profisportler schon nach 3 Monaten zum Wettkampfsport zurückgeschickt wurden [51].

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