Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion
Empfehlungen der DKG-Expertengruppe LigamentRecommendations of the DKG ligament expert group

Zur Evaluation der funktionellen Stabilität haben sich einfache einbeinige Sprungtests bewährt [19, 26]. In der Literatur werden verschiedene Einbein-Sprungtests beschrieben, die sich in ihrer Komplexität unterscheiden.

In der klinischen Praxis ist der Einbein-Sprungtest auf Weite (One Leg Jump Test) am einfachsten durchführbar. Dieser Test kann auch in einem ausreichend großen Untersuchungsraum durchgeführt werden (Abb. 5) wobei die jeweils erreichten Ergebnisse mit der gesunden Gegenseite verglichen werden. Die einbeinigen Sprungtests eignen sich dazu, die dynamische Stabilität des Kniegelenks beurteilen zu können und dienen als Prädiktoren für eine gute Kniegelenkfunktion. So konnte gezeigt werden, dass der Einbein-Sprungtest auf Weite mit einer guten, subjektiven, selbst erfassten Kniefunktion korreliert [15]. Er kann bei Breiten- und Freizeitsportlern angewendet werden. Auch der Quadrat-Sprungtest hat sich in der Praxis bewährt (Abb. 6).

Bei Leistungssportlern sollte eine Testbatterie zur Anwendung kommen (Tab. 2). Die Test-Retest-Zuverlässigkeit verschiedener Einbein-Sprungtests konnte in verschiedenen Studien bestimmt werden [49].

Mit Einbein-Sprungtests kann ein Sprung-Symmetrie-Index der unteren Extremitäten ermittelt werden (Lower limb Symetry Index = LSI). Dabei wird der LSI meist anhand von 3 Sprungtests der operierten und unverletzten Gegenseite gemittelt. Für die meisten Autoren ist ein LSI von > 85 % als Return-to-sports-Kriterium ausreichend [36, 60]. Im objektiven IKDC-Score wird ein LSI von mehr als 90 % mit A (normal), ein LSI von 89–75 % mit B (fast normal), ein LSI von 75–50 % mit C (abnormal) und ein LSI < 50 % mit D (deutlich abnormal) klassifiziert [IKDC score]. Bei der Interpretation sollte jedoch auch berücksichtigt werden, welches Bein das dominante ist. In manchen Sportarten mit einer hohen Sprungbelastung kann der LSI bereits bei gesunden Individuen ungleich sein.

Sprungtests stellen hohe Ansprüche an das Kniegelenk. Daher sollten sie nur zur Anwendung kommen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • 1. kein intraartikulärer Erguss,
  • 2. volle Beweglichkeit,
  • 3. Streckabhebung uneingeschränkt möglich,
  • 4. springen ohne Schmerzen möglich,
  • 5. subjektives Wohlbefinden des Patienten.

Bewegungsanalyse:
Dynamischer Valgus

In den letzten Jahren ist unter dem Aspekt der neuromuskulären Kontrolle die funktionelle Valgus-Stellung des Kniegelenks in den Focus gerückt, da der valgische Kollaps des Kniegelenks als Risikofaktor für das Erleiden einer VKB-Ruptur und einer Reruptur nach VKB-Ersatzplastik gesehen wird [22]. Die funktionelle Valgus-Stellung kann mit verschiedenen Test evaluiert werden:

  • 1. Einbein-Sprungtests,
  • 2. Drop-jump-Tests und
  • 3. einbeinige Kniebeugen.

Einbein-Sprungtests

Bisher hat die funktionelle Beinachsenanalyse bei der Auswertung der Einbein-Sprungtests nur wenig Beachtung gefunden. Dabei ist das valgische Einbrechen des Kniegelenks bei vielen Sprungtest in der Frontalansicht erkennbar. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die dynamische Valgusstellung zu analysieren. Am einfachsten und unter klinischen Gesichtspunkten pragmatisch ist die dichotome Einteilung in valgisch und nicht-valgisch. Eine Videokamera mit Zeitlupenfunktion kann zu Demonstrationszwecken dabei hilfreich sein. Die Kamerasysteme moderner „Smart-Phones“ erfüllen die Anforderungen an eine orientierende Bewegungsanalyse bereits. Quantitativ kann auch der Frontalebenen-Projektionswinkel bestimmt werden (frontal plane projection angle = FPPA) (Abb. 7 und 8). Dieser Winkel kann mit einfachen Programmen ermittelt werden (z.B. Smartphone-App Hudl Technique).

Vertikaler Sprungtest (Drop-jump-Test)

Noyes et al. [37] haben einen vertikalen Sprungtest (Drop-jump-Test) von einem Kasten beschrieben, bei dem die Stellung der Beinachse beim Landen mit einer Videokamera analysiert wird (mehr als 60 % Kniedistanz). Auch Hewett et al. [21] haben diesen Test für Untersuchungen gefährdeter Athleten verwendet.

Für die Durchführung eines Drop-jump-Tests werden die Athleten nur soweit instruiert, dass sie vor dem Sprungkasten im korrekten Winkel vor dem Betrachter oder der Kamera landen sollen und direkt danach einen maximalen vertikalen Sprung ausführen sollen [9, 37]. Diese Sequenz wird 3-mal wiederholt. Mit einem professionellen 3D-Analyse-System kann die Bewegung noch besser ausgewertet werden. Unter klinischen Gesichtspunkten haben sich jedoch 2-dimensionale Verfahren durch Auswertungen von Aufzeichnungen mit einer normalen Videokamera in der Frontalebene zumindest als tendenziell richtungsweisend bewährt. Dabei wird in der Originalbeschreibung die Kamera in 3 m Abstand vor dem Kasten platziert. Auch diese Aufnahmen können natürlich mit Smartphone-Kameras gemacht werden und mit Apps analysiert werden (z.B. Hudl technique).

Aus der Videoaufzeichnung werden dann folgende Bilder herausgeschnitten:

  • 1. Vor der Landung: Zehen-Bodenkontakt,
  • 2. Landung: Tiefste Position des Athleten,
  • 3. Absprung: Aufwärtsbewegung der Arme.

Dabei ist der Moment der Landung der Moment, in der das Knie am stärksten außer Kontrolle ist. In dieser kann entweder der Frontalebenen-Projektionswinkel oder das Verhältnis der Knie und Sprunggelenkabstände bestimmt werden (Abb. 9). Mizner et al. [33] konnten aufzeigen, dass beim Verhältnis der Knie- und Sprunggelenkabstände eine gute Korrelation zwischen 2– und 3-dimensionalen Analysen besteht. Die qualitative Beurteilung „Valgus oder Nicht-Valgus“ kann auch durch Inspektion ohne Kamera erfolgen.

Einbeinige Kniebeugen

Ein anderer Test, um die dynamische Valgusstellung des Kniegelenks zu analysieren, sind einbeinige Kniebeugen [12] (Abb. 10). Bei diesem Test korreliert das valgische Einbrechen des Kniegelenks mit einer schlechten Funktion der Hüftabduktoren [4, 12]. In der Originalversion dieses Tests steht der Athlet auf einer 20 cm hohen Box und er verschränkt die Arme vor der Brust: Dann soll er 5 einbeinige Kniebeugen so tief wie möglich durchführen (eine Kniebeuge in 2 Sekunden). Diese werden mit einer Videokamera aufgenommen. Anhand verschiedener Kriterien kann die Durchführung der einbeinigen Kniebeuge in gut, mittel oder schlecht eingeteilt werden. Diese Kriterien sind in Tabelle 3 wiedergegeben.

Fazit

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8