Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion
Empfehlungen der DKG-Expertengruppe LigamentRecommendations of the DKG ligament expert group

In der klinischen Praxis haben sich einbeinige Sprungtests bewährt, um Störungen der neuromuskulären Kontrolle und funktionellen Stabilität des Kniegelenks zu erfassen [26, 36, 49, 58]. Diese Tests eignen sich nicht nur zur Erfassung der dynamischen Instabilität nach einer VKB-Verletzung und Rekonstruktion [15]. Dabei besteht keine Korrelation von Sprungtest-Performance und passiver Stabilität und nur eine schwache Korrelation zur Muskelkraft [15]. Das zeigt, dass mit Sprungtests vor allem koordinative Faktoren erfasst werden.

Fazit für die Praxis

Die neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenks und funktionelle Stabilität sollte mit Ein-Bein-Sprungtests erfasst werden.

Testverfahren für einen
Return-to sport-Algorithmus

Zeitlicher Aspekt

Die bisher erarbeiteten Grundlagen zeigen, dass verschiedene Kriterien bei einer individuellen Return-to-play-Entscheidung berücksichtigt werden müssen.

So reicht ein fest definierter Zeitraum als alleiniges Kriterium nicht aus, da der Transplantat-Umbau selbst nach Abschluss des ersten Jahres nicht vollständig abgeschlossen ist. Trotzdem kehren die meisten Sportler zwischen dem 6. und 10. postoperativen Monat zum Sport zurück. Dieser Zeitraum entspricht der in Deutschland gebräuchlichen Praxis (Abb. 1) und erscheint angemessen, auch wenn noch kein komplettes Remodelling des Transplantats stattgefunden hat. Da jedoch in dieser Zeit durch entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen eine Normalisierung der verschiedenen Gelenkfunktionen erreicht werden kann, ist im Prinzip auch ein ausreichend funktioneller Schutz für eine weitere Bandmaturation im Sinne der kausalen Histogenese möglich. Ein längerer Zeitraum der Sportabstinenz erscheint nicht zwingend erforderlich, da beim Leistungssportler eine 2-jährige Spiel- oder Wettkampfpause für viele Athleten das Karriereende bedeuten würde.

Unerlässlich für eine Wiederkehr zum Wettkampfsport ist jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die strukturellen Eigenschaften des Transplantats mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht denen des normalen vorderen Kreuzbandes entsprechen, dass

die Funktion des Gelenks,

die Muskelkraft in ihren verschiedenen Qualitäten (Maximalkraft, Explosivkraft, exzentrische Kraft etc.)

die funktionelle Stabilität des Gelenks und

die neuromuskuläre Kontrolle der unteren Extremität

soweit wie möglich wiederhergestellt sind. Ist das nicht der Fall, muss die Rehabilitation nach sicherem Ausschluss struktureller Ursachen fortgesetzt werden. Ein entsprechender Algorithmus ist in Abbildung 3 dargestellt.

Die einzelnen Testverfahren zur Evaluation der genannten Kriterien sind individuell anzupassen und richten sich natürlich danach, welche Möglichkeiten im praktischen Alltag im Einzelfall zur Verfügung stehen. Der Umfang der Test-Batterie richtet sich danach, ob der Patient Breiten-, Leistungs- oder Profisportler ist. Zeitlich sollte der Return-to-play-Test zwischen dem 6. und 10. postoperativen Monat angesiedelt sein.

Gelenkfunktion

Zur Beurteilung der Gelenkfunktion sollten die Ergussneigung, die Beweglichkeit und die passive Stabilität des Kniegelenks erfasst werden. Für die Return-to-play-Entscheidung sollte keine Ergussneigung bestehen sowie die Beweglichkeit und passive Stabilität weitgehend der unverletzten Gegenseite entsprechen. Die genannten Faktoren können mit dem objektiven IKDC-Score erfasst werden [25] (Abb. 4). Mit diesem Score werden die einzelnen Kriterien in A (normal), B (fast normal), C (abnormal) und D (stark abnormal) unterteilt.

Vor Rückkehr zum Sport sollte keine Ergussneigung mehr bestehen (A) und die Parameter Beweglichkeit und passive Stabilität der Kategorie A oder auch B zugeordnet werden können. Die Beweglichkeit wird dabei nach der Neutral-Null-Methode ermittelt. Bei der passiven Stabilität sollte die anteroposteriore Stabilität mit dem Lachman-Test bzw. die Rotationsstabilität mit dem Pivot-shift-Phänomen erfasst werden. Der Lachman-Test kann fakultativ auch instrumentell mit dem KT 1000 oder dem Rolimeter erfasst werden, wobei das KT 1000 das besser validierte Verfahren ist und beim Leistungssportler zur Anwendung kommen sollte. Für die Erfassung des Pivot-shift-Phänomens existieren derzeit noch keine ausreichend validierten instrumentellen Messverfahren.

Im Falle eines Vorliegens von C- und D-Kriterien sollten weitere bildgebende diagnostische Maßnahmen ergriffen werden. Eine MRT dient der Erfassung der Transplantatstruktur, der Tunnellokalisation, Synovialishyperplasie, Cyclopsläsionen und (übersehener) Begleitläsionen. Bei Verdacht auf eine Tunnelfehlplatzierung kann auch ein 3D-CT hilfreich sein.

Bei pathologischen Befunden in der bildgebenden Diagnostik muss dann über einen Revisionseingriff nachgedacht werden (Arthroskopie, Cyclopsresektion, Arthrolyse, Re-Ersatzplastik oder Bohrkanalauffüllung).

Muskelkraft

Für die Beurteilung der Muskelkraft stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Die am häufigsten verwendeten Messverfahren sind isokinetische Kraftmessungen der Extensoren und Flexoren des Kniegelenks. Dabei bewegt der Sportler einen Hebelarm mit einer vorher festgelegten Winkelgeschwindigkeit (z.B. 60°/s oder 120°/s), wobei verschiedene Qualitäten der Kraft gemessen werden können (z.B. konzentrische Kraft, exzentrische Kraft, Kraftausdauer etc.). In Abhängigkeit vom Testprotokoll lassen sich dabei dann noch verschiedene Parameter ermitteln: Kraft (Nm), Arbeit, Leistung, Beschleunigungsenergie, das Verhältnis von Antagonisten und Agonisten, Muskelermüdung und Muskelerholung. Dabei liegen in den einzelnen Studien unterschiedliche Angaben im Hinblick auf die verwendeten Winkelgeschwindigkeiten vor [47, 62]. In der Praxis werden Winkelgeschwindigkeiten zwischen 60° und 240° eingesetzt. Das maximale Drehmoment (Nm) wird als Maximalkraft angegeben. Die höchsten Werte einer konzentrischen Belastung werden bei niedrigen Winkelgeschwindigkeiten (bis 60°) erreicht. Für die Beurteilung der Schnellkraft wird die Winkelgeschwindigkeit entsprechend erhöht. Im Hinblick auf die zu fordernden Messwerte wird eine Seitengleichheit angestrebt. Kraftwerte von weniger als 85 % oder Qualitätsunterschiede von etwa 20 % im Vergleich zur Gegenseite können als Hinweis auf Rehabilitationsdefizite gelten. Dabei sollte den Beugern besonderes Augenmerk geschenkt werden, da sie das vordere Kreuzband schützen können. Isokinetische Testverfahren sollten zumindest im Leistungssport bei der Return-to-competition-Entscheidung zum Standard gehören.

Für den Breiten- oder Freizeitsportler können auch einfachere Methoden zur Kraftanalyse eingesetzt werden. Diese sind z.B. Maximalkrafttests mit „geführten“ Kraftgeräten (z.B. Beinpresse, DAVID-Analyse etc.) oder als indirekte Messmethode die Umfang-Maße der unteren Extremität (15 cm unterhalb des Kniegelenkspalts sowie 10 und 20 cm oberhalb des Kniegelenkspalts). Auch hier sollen keine Seitenunterschiede > 15 % der Gegenseite vorliegen (LSI 85).

Funktionelle Stabilität

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