Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion
Empfehlungen der DKG-Expertengruppe LigamentRecommendations of the DKG ligament expert group

Wolf Petersen1, Amelie Stöhr2, Andree Ellermann3, Andrea Achtnich4, Peter E. Müller5, Thomas Stoffels6, Thomas Patt7,Jürgen Höher8, Mirco Herbort9, Ralf Akoto10, Tobias Jung11, Christian Zantop12, Thore Zantop13, Raymond Best14

Zusammenfassung: Reruptur-Raten nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands (VKB) variieren zwischen 0 und 19 % für die operierte Seite; die Prävalenz für eine Verletzung der unverletzten Gegenseite wird auf etwa 7–24% eingeschätzt. Als Ursache für traumatische Rerupturen nach VKB-Rekonstruktion werden u.a. verbliebene neuromuskuläre Defizite gesehen. Diese erklären auch die erhöhten Verletzungs-Prävalenzen der Gegenseite. Neuere Tierstudien haben indes zeigen können, dass der Umbau der Transplantate bis zu 2 Jahren dauern kann. Viele Sportler kehren aber schon nach 6–10 Monaten zum Wettkampfsport zurück. Da zu diesem Zeitpunkt oft noch deutliche funktionelle Defizite vorliegen, können diese das OP-Ergebnis gefährden.

Die Entscheidung, wann ein Sportler zum Wettkampfsport zurückkehrt, kann neben dem Erfüllen klinischer Basiskriterien daher eigentlich nur nach zusätzlichen, umfangreichen funktionellen Untersuchungen getroffen werden.

Die Basiskriterien betreffen die Ergussneigung, die passive Stabilität (Lachman, Pivot-Shift, KT 1000) und die Beweglichkeit. Diese Kriterien sollten der IKDC-Klassifikation A oder B entsprechen. Bei pathologischen Befunden (IKDC C und D) sollten weitere Untersuchungen wie Laboranalysen, MRT oder CT zur Anwendung kommen, um die Indikation zu einer Revisions-OP zu überprüfen.

Werden die Basiskriterien als normal (A) oder fast normal (B) klassifiziert, sollten die neuromuskulären Fähigkeiten des Sportlers getestet werden. Zur Untersuchung der funktionellen Stabilität des Kniegelenks eignen sich u.a. verschiedene einfache, einbeinige Sprungtests zur Ermittlung eines vergleichbaren Symmetrie-Indexes (lower extremity symmetry index: LSI). Kraftmessungen können der Analyse verbliebener Kraftdefizite dienen, wobei diese sorgfältig interpretiert werden müssen. Mit einfachen Bewegungsanalysen sollten gefährdende Bewegungsmuster (dynamischer Valgus) entdeckt werden.

Schlüsselwörter: Reruptur, Rehabilitation, Sprungtests,
dynamischer Valgus, Kraft

Zitierweise
Petersen W, Stöhr A, Ellermann A, Achtnich A, Müller PE, Stoffels T, Patt T, Höher J, Herbort M, Akoto R, Jung T, Zantop C, Zantop T, Best R: Wiederkehr zum Sport nach VKB-Rekonstruktion. Empfehlungen der DKG-Expertengruppe Ligament.
OUP 2016; 3: 166–176 DOI 10.3238/oup.2015.0166–0176

Summary: Re-rupture rates after ACL-reconstruction vary
between 0 and 19 % for the operated side and between 7–24 % for the contralateral side. A cause for traumatic re-ruptures could be neuromuscular deficits. These can also explain re-ruptures of the contralateral side. Younger animal studies have shown that the remodeling process of the grafts may take up to 2 years. Many athletes return to competitive sports after 6–10 months. For the decision, when an athlete can safely return to unrestricted activities, several functional tests are needed.

Basic criteria are effusion, passive stability and range of motion. These criteria should be classified A or B according to the IKDC-classification. In case of pathological results (IKDC C or D), additional examinations such as blood analysis, MRI or CT scan are needed to check the indication for revision surgery.

If the basic criteria are classified as normal (A) or nearly normal (B) neuromuscular tests are needed. The functional stability of the knee can be tested with one leg jump tests (LSI > 85 %). Isokinetic strength tests should be used to discover strength deficits. With simple motion analyzes hazardous motion patterns such as dynamic valgus can be discovered.

Keywords: re-rupture, rehabilitation, jump test, dynamic valgus, strength

Zitierweise
Petersen W, Stöhr A, Ellermann A, Achtnich A, Müller PE, Stoffels T, Patt T, Höher J, Herbort M, Akoto R, Jung T, Zantop C, Zantop T, Best R:
Return to sports after ACL reconstruction. Recommendations of the DKG ligament expert group.
OUP 2016; 3: 166–176 DOI 10.3238/oup.2015.0166–0176

Einleitung

Die Verletzung des vorderen Kreuzbands ist – abhängig von der jeweiligen Sportart – eine häufige Verletzung im Sport, die in vielen Fällen zur Sportunfähigkeit führen kann [7]. Im Fokus stehen dabei oft die sog. Risikosportarten wie Fußball, Basketball und Handball. Ursächlich ist oft ein Nicht-Kontakt-Trauma bei Landungen nach Sprüngen oder plötzlichen Drehbewegungen [22].

Im Verletzungsfall gilt die Kreuzbandplastik mit einem autologen Sehnentransplantat beim Sportler mit symptomatischer Instabilität als Therapie der Wahl [45]. Dabei wird das rupturierte oder insuffiziente vordere Kreuzband mit einer körpereigenen Sehne ersetzt, die sich in der Folgezeit zu einem Band umbauen muss (Remodeling). Entwickelt sich eine chronische Instabilität, kann die Funktionsminderung des Kniegelenks zu einer Beeinträchtigung des sportlichen Aktivitätsniveaus führen.

Im Gegensatz hierzu können durch operative Wiederherstellung der passiven Stabilität das Aktivitätsniveau verbessert und sekundäre Meniskus- und Knorpelschäden verhindert werden. So konnte ein systematisches Review zeigen, dass durch eine VKB-Ersatzplastik die Arthroserate gesenkt werden kann [6].

Aus Sicht des Breiten- und Leistungssportlers ist das Wiedererlangen des präoperativen Aktivitäts- und Leistungsniveaus ein wichtiges Ziel des Kreuzbandersatzes.

Die Frage, wann ein Sportler zum uneingeschränkten Mannschaftstraining und zum Wettkampfsport zurückkehren kann, wird seit jeher kontrovers diskutiert [8, 20, 31, 51]. Ein kürzlich erschienenes systematisches Review ergab deutlich, dass hinsichtlich der Kriterien für eine Wiederkehr zum Sport im Breiten- wie im Leistungssport kein klarer Konsensus besteht [8]. In den meisten Studien wird der zeitliche Abstand zur OP als einziges Kriterium angegeben und eine Sportfreigabe nach 6 Monaten befürwortet [8]. Im Schrifttum finden sich aber auch Fallberichte, in denen Profisportler schon nach 3 Monaten zum Wettkampfsport zurückgeschickt wurden [51].

Eine Umfrage unter den Instruktoren der Deutschsprachigen Gesellschaft für Gelenkchirurgie (AGA) hat dagegen ergeben, dass die Mehrzahl der Operateure einen zeitlichen Abstand von 6 Monaten als zu früh für eine sichere Wiederkehr zum Wettkampfsport ansieht (Abb. 1) [46].

Der Faktor Zeit ist im Hinblick auf eine sichere Wiederkehr zum Sport dabei zwar kein sicherer, jedoch auf verschiedene Weise relevanter Faktor. Einerseits wird das Transplantat postoperativ nekrotisch und baut sich in eine ligamentäre Struktur um [1, 14, 18, 27, 28, 30, 41]. Andererseits kommt es, bedingt durch das OP-Trauma, Teilbelastung und Bewegungslimitierung zu Störungen von Kraft, Balance und Koordination.

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand von Daten aus dem Schrifttum unter Berücksichtigung der genannten Faktoren Kriterien zu definieren, die bei der Entscheidung, ob und wann ein Sportler zum Wettkampfsport zurückkehrt, hilfreich sein können. Aus diesen Kriterien soll ein Algorithmus entwickelt werden, der sowohl für Breiten- als auch für Leistungssportler gelten kann. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen außerdem als Grundlage für einen Konsensus-Prozess zu diesem Thema dienen.

Grundlagen zur Entscheidungsbildung

Rerupturraten und Risikofaktoren

Die im Schrifttum angegebenen Rerupturraten variieren zwischen 0 und 19 % für die ipsilaterale Seite, die Prävalenz für eine Ruptur der unverletzten Gegenseite liegt zwischen 7 und 24 % (Tab. 1) [24, 29, 34, 48, 56].

Als Risikofaktoren für eine Reruptur der operierten Seite gelten im Allgemeinen ein Alter unter 20, weibliches Geschlecht, eine hohe sportliche Aktivität und das Betreiben von Risikosportarten (z.B. Fußball, Handball, Basketball, Alpinski) [5, 16]. Auch rein biologische Faktoren bzw. eine unzureichend kurze Rehabilitationszeit werden immer wieder als Gründe eines Transplantatversagens aufgeführt [61]. Alle genannten Risikofaktoren sollten im Hinblick auf die Entscheidung berücksichtigt werden, wann ein Sportler zum Wettkampfsport zurückkehrt.

Auch die hohe Prävalenz an Rupturraten der unverletzten Gegenseite kann verschiedene Gründe haben. Am wahrscheinlichsten sind jedoch neuromuskuläre Faktoren, die als eigenständiger Risikofaktor an sich durch eine verletzte Gegenseite noch verstärkt werden und eine vielleicht vorbestehende funktionelle Valgus-Stellung fördern [22]. Zumindest bei weiblichen Athleten konnte ein Zusammenhang zwischen dynamischem Valgusdrift und der Verletzungsprävalenz aufgezeigt werden. [22, 40, 42]. Für männliche Athleten stehen umfassende Analysen noch aus. Wahrscheinlich können die Ergebnisse von den weiblichen Athleten auf die Männer übertragen werden.

Quasi bestätigend hierfür konnten Videoanalysen zeigen, dass bei den primären Verletzungsmechanismen die „Nicht-Kontakt-Mechanismen“ dominieren [22], die Verletzung also ohne Gegenkontakt geschieht.

Risikoathleten zeichnen sich durch Bewegungsmuster aus, die der Position der unteren Extremität in der Verletzungssituation ähnlich sind: Landen nach einem Sprung mit valgischer Kniestellung (Frontalebene) mit nur leichter Beugung und dem Körperschwerpunkt hinter dem Kniegelenk (Sagittalebene) [22, 42]. Die valgische Kniestellung wird auch als medialer Kollaps oder funktioneller Valgus bezeichnet [22] (Abb. 2).

Im Prinzip kann der verletzungsfördernde Valgusdrift kurz nach der einbeinigen Lande- oder Stabilisationsphase durch eine fehlende exzentrische Kraft des Quadrizepsmuskels, fehlende Kraft der Hüftstabilisatoren mit konsekutivem Abkippen des Beckens zur Gegenseite, eine übermäßige Eversion des unteren Sprunggelenks, fehlende koordinative und propriozeptive Fähigkeiten oder eine Kombination aus den genannten ausgelöst werden (Abb. 2)

Athleten mit derartigen Bewegungsmustern müssen im Rahmen der Rehabilitation nach VKB-Ersatzplastik identifiziert werden. Spätestens bei der Return-to-competition-Entscheidung sollte versucht werden, diese Bewegungsmuster mit einfachen Tests zu erfassen. Präventionsstudien haben gezeigt, dass die gefährdenden Bewegungsmuster durch spezielle Trainingsprogramme modifiziert und die Verletzungsraten mit diesen Maßnahmen reduziert werden können [22, 42]. Diese Programme umfassen Balanceübungen, Sprungübungen und spezielle Kräftigungsprogramme für die schützenden Beuger sowie den stabilisierenden Quadrizeps sowie die Abduktoren der Hüfte.

Einheilung und „Remodeling“ von Kreuzbandtransplantaten – Faktor Zeit

Unabhängig von jeglichen Risikofaktoren ist die biologische Heilung eines versorgten Kreuzbands grundlegend für eine valide Return-to-play-Entscheidung. Allein hier „fordert die Natur quasi ihre ausreichende Zeit!“

Bei der Kreuzbandersatzplastik wird das geschädigte vordere Kreuzband durch ein freies Sehnentransplantat ersetzt [43, 45]. Als autologe Sehnentransplantate kommen die Semitendinosus- und Gracilissehnen, die Patellarsehne und die Quadrizepssehne in Frage. Allogene Transplantate spielen in Deutschland nur im Bereich der Revisionschirurgie eine Rolle.

Die Kreuzbandtransplantate werden in Knochentunneln verankert und mit Implantaten (Interferenzschraube, Kippanker, transversale Stifte etc.) fixiert. In der Folgezeit muss das Transplantat im Knochen einheilen [43, 52].

Zur Einheilung von Sehnen in den Knochen liegen Daten aus Tierversuchen vor. Rodeo et al. [50] haben in einem Hundemodell gezeigt, dass die knöcherne Einheilung in den ersten postoperativen Monaten erfolgt. In der ersten Woche formte sich eine Schicht aus lockerem Bindegewebe zwischen Transplantat und Knochen, die sogenannte fibröse Zwischenzone. In der folgenden Einheilung wird das Transplantat über Kollagenfasern mit dem Knochen verbunden: Diese Fasern ähneln histologisch Sharphey‘schen Fasern [43]. Im Versagenstest kam es nach 8 Wochen noch zum Ausreißen der Transplantate aus dem Tunnel. Erst nach 12 Wochen waren die Transplantate eingeheilt. Diese Zeiten lassen sich nicht unbedingt auf den Menschen übertragen. Nach Einschätzung von Rodeo et al. [50] dauert die Sehnen-Knochen-Heilung beim Menschen wahrscheinlich doppelt so lange wie beim Hund. Diese Hypothese wird von neueren MRT-Studien unterstützt [2]. Danach waren die Knochentunnel noch nach 6 Monaten von einem deutlichen Ödem umgeben. Die Resorption von abbaubaren Interferenzschrauben kann bis zu 24 Monate dauern [3].

Von der Knochen-Sehnen-Heilung wird der Prozess der Umwandlung des Sehnentransplantats in ein Band („Remodeling“) unterschieden [27, 28, 41, 52]. Das von der Blutgefäßversorgung getrennte Sehnentransplantat wird zunächst partiell nekrotisch und muss in der Folgezeit revaskularisiert werden. Fibroblasten wachsen ein und neues Kollagen wird synthetisiert. Durch die neue funktionelle Beanspruchung kommt es anschließend zu einem Umbau in ein Band.

Dieser Prozess kann aufgrund von aus Tierversuchen gewonnener Daten in 3 verschiedene Phasen unterteilt werden:

  • 1. Frühe Heilungsphase,
  • 2. „Remodeling“-phase und
  • 3. Reifungsphase [41].

Angaben zur Dauer dieser Phasen im Tiermodell variieren zwischen 2 und 6 Wochen und 6 und 12 Monaten [1, 14, 30, 41, 55].

Auch an menschlichen Transplantaten ließen sich die genannten 3 Phasen nachweisen [27, 55]. An menschlichen Transplantaten war die Dauer der einzelnen Phasen jedoch deutlich länger als im Tiermodell. Die Angaben im Schrifttum zur Dauer der frühen Heilungsphase variieren zwischen 3 und 6 Monaten; die Angaben zur Dauer der „Remodeling“-Phase variieren zwischen 3 und 12 Monaten und die Angaben zur Dauer der Reifungsphase variieren zwischen 4 und 36 Monaten [1, 14, 30, 41, 55]. Im Hinblick auf die Dauer der einzelnen Phasen bestand kein Unterschied zwischen Beugesehnen und Patellarsehnentransplantaten. Bei Beugesehnentransplantaten setzten die Heilungsphasen jedoch um 6 Monate zeitversetzt später ein. Ein Problem bei der Interpretation der menschlichen Biopsiestudien ist, dass keine biomechanischen Daten zur Transplantatstabilität existieren.

Fazit für die Praxis

Im Schrifttum wird in vielen Studien ein 6-Monats-Zeitraum als einziges Kriterium bis zur Wiederkehr zum Sport angegeben [8]. Auch eine Umfrage unter den Instruktoren der Deutschen Gesellschaft für Gelenkchirurgie (AGA) hat gezeigt, dass viele Operateure VKB- Patienten nach 6 Monaten zum Sport zurücklassen [46]. Daher erfolgt in der Praxis die Belastung der Transplantate durch sportliche Betätigung zu einer Zeit, in der die Sehne zwar knöchern eingeheilt ist, der Umbau zu einem Band aber noch nicht abgeschlossen ist. Das bedeutet, dass die funktionelle Stabilität (neuromuskuläre Stabilisatoren) des Kniegelenks in dieser Phase optimal sein muss, um das sich noch im Umbau befindliche Transplantat zu schützen.

Gelenkfunktion nach
VKB Ersatzplastik

Durch das Unfall- und Operationstrauma kommt es zu Störungen der Gelenkfunktion. Diese Störungen umfassen Schmerz, Schwellung, Bewegungseinschränkungen und eine verminderte passive Stabilität [46]. Im Verlauf der Rehabilitation normalisieren sich diese Symptome. Bleibt eine Besserung aus, deuten diese Faktoren oft auf eine strukturelle Gelenkstörung hin, sie können im Einzelfall aber auch Ausdruck einer nozizeptiv bedingten Schonhaltung sein. Schmerz, Ergussbildung und Bewegungseinschränkungen können auf Cyclops-Läsionen, Arthrofibrosen, Infekte oder Fehlpositionen der Knochentunnel hindeuten. Passive Instabilitäten können durch Reruptur oder Tunnelfehlpositionen bedingt sein.

Fazit für die Praxis

Aus diesem Grunde kommt der Normalisierung der Gelenkfunktion im Rahmen der Return-to-play-Entscheidung eine grundlegende Bedeutung zu. Ohne „normale“ Gelenkfunktion kann eine Entscheidung zu einem „Return to Play“ nicht getroffen werden!

Kraftentwicklung nach
VKB-Ersatzplastik

Verschiedene systematische Reviews haben gezeigt, dass Kraftdefizite längere Zeit nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands persistieren können [47, 62]. Alle Studien konnten 6 Monate nach der Operation noch relevante Kraftdefizite nachweisen [47, 62]. Diese betreffen vornehmlich die Beuger und den M. quadrizeps. Der M. quadrizeps war verstärkt nach Patellarsehnenentnahme geschwächt, wobei die Flexoren vor allem nach Semitendinosus/Gracilis-Sehnen-Entnahme geschwächt waren [23, 47, 62]. Beide Muskelgruppen sind im Hinblick auf die Entstehung von Rerupturen bedeutsam. Die Quadrizepskraft korreliert mit gefährdenden Bewegungsmustern bei Sprüngen [57]. Die Beuger wirken unter funktionellen Gesichtspunkten agonistisch zum vorderen Kreuzband [35].

Einige Studien konnten auch postoperative Defizite im Bereich der Hüfte und des Fußes aufzeigen [47, 62]. Auch Hüftmuskeldefizite können im Hinblick auf die Entstehung von Rerupturen relevant sein. Wie bereits unter „Risikofaktoren“ erwähnt, können Hüftmuskel-Defizite die Rotation der unteren Extremität entscheidend negativ beeinflussen und eine funktionelle Valgusposition des Kniegelenks fördern [22, 44]. Die funktionelle Valgusstellung kann indes zum medialen Kollaps führen (oder umgekehrt).

Fazit für die Praxis

Die postoperativen muskulären Defizite sollten bei der Return-to-Play-Entscheidung berücksichtigt werden. In den meisten Studien werden isokinetische Messverfahren bei verschiedenen
Winkelgeschwindigkeiten (60°/sec, 180°/sec) eingesetzt [47, 62]. Einfache Methoden zur Kraftanalyse sind die Bestimmung der Umfang-Maße des Ober- und Unterschenkels, Maximalkrafttests mit Geräten oder der Trendelenburg-Test zur Erfassung von Hüftabduktor-Defiziten.

Neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenks –
funktionelle Stabilität

Sportliche Aktivitäten, aber auch Aktivitäten des alltäglichen Lebens, erfordern eine koordinierte neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenks. Eine Ruptur des vorderen Kreuzbands kann zu schweren funktionellen Störungen der neuromuskulären Kontrolle führen, die nicht abhängig von der anterioren Laxität ist [15, 53, 54, 58].

Ursächlich für eine gestörte neuromuskuläre Kontrolle sind wahrscheinlich intermuskuläre koordinative Defizite der muskulären Agonisten (Beuger) und Antagonisten (M. quadrizeps) des vorderen Kreuzbands. Diese werden wahrscheinlich verursacht durch Verlust an Propriozeption durch die Kreuzbandruptur. Es wird vermutet, dass Subluxationen und Rerupturen über eine Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle verhindert werden können [15, 22, 32, 42]. Dieser Zusammenhang wird auch als funktionelle Stabilität bezeichnet [15, 22, 32].

Über neuromuskuläre Kontrollmechanismen können manche Individuen mit einer VKB- Ruptur den Verlust an passiver Stabilität nahezu vollständig kompensieren (Kompensierer – Coper) [15, 38, 53, 54, 58].

Es besteht Evidenz, dass nach einer Kreuzbandersatzplastik für mehrere Monate postoperativ deutliche Defizite in der Propriozeption, Balance und neuromuskulären Koordination bestehen [10, 11, 13, 17, 39, 59, 60]. Bonfirm et al. [10] berichten, dass neuromuskuläre Defizite nach einer vorderen Kreuzbandersatzplastik bis zu 12–30 Monate persistieren können. Biomechanische Untersuchungen konnten Veränderungen in der Knie-Kinematik beim Gehen noch nach 3 Monaten, beim einbeinigen Landen nach einem Sprungs noch nach 4–12 Monaten und beim Bergabgehen noch nach 5–12 Monate nach einer VKB-Ersatzplastik nachweisen [11, 13, 59].

In der klinischen Praxis haben sich einbeinige Sprungtests bewährt, um Störungen der neuromuskulären Kontrolle und funktionellen Stabilität des Kniegelenks zu erfassen [26, 36, 49, 58]. Diese Tests eignen sich nicht nur zur Erfassung der dynamischen Instabilität nach einer VKB-Verletzung und Rekonstruktion [15]. Dabei besteht keine Korrelation von Sprungtest-Performance und passiver Stabilität und nur eine schwache Korrelation zur Muskelkraft [15]. Das zeigt, dass mit Sprungtests vor allem koordinative Faktoren erfasst werden.

Fazit für die Praxis

Die neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenks und funktionelle Stabilität sollte mit Ein-Bein-Sprungtests erfasst werden.

Testverfahren für einen
Return-to sport-Algorithmus

Zeitlicher Aspekt

Die bisher erarbeiteten Grundlagen zeigen, dass verschiedene Kriterien bei einer individuellen Return-to-play-Entscheidung berücksichtigt werden müssen.

So reicht ein fest definierter Zeitraum als alleiniges Kriterium nicht aus, da der Transplantat-Umbau selbst nach Abschluss des ersten Jahres nicht vollständig abgeschlossen ist. Trotzdem kehren die meisten Sportler zwischen dem 6. und 10. postoperativen Monat zum Sport zurück. Dieser Zeitraum entspricht der in Deutschland gebräuchlichen Praxis (Abb. 1) und erscheint angemessen, auch wenn noch kein komplettes Remodelling des Transplantats stattgefunden hat. Da jedoch in dieser Zeit durch entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen eine Normalisierung der verschiedenen Gelenkfunktionen erreicht werden kann, ist im Prinzip auch ein ausreichend funktioneller Schutz für eine weitere Bandmaturation im Sinne der kausalen Histogenese möglich. Ein längerer Zeitraum der Sportabstinenz erscheint nicht zwingend erforderlich, da beim Leistungssportler eine 2-jährige Spiel- oder Wettkampfpause für viele Athleten das Karriereende bedeuten würde.

Unerlässlich für eine Wiederkehr zum Wettkampfsport ist jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die strukturellen Eigenschaften des Transplantats mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht denen des normalen vorderen Kreuzbandes entsprechen, dass

die Funktion des Gelenks,

die Muskelkraft in ihren verschiedenen Qualitäten (Maximalkraft, Explosivkraft, exzentrische Kraft etc.)

die funktionelle Stabilität des Gelenks und

die neuromuskuläre Kontrolle der unteren Extremität

soweit wie möglich wiederhergestellt sind. Ist das nicht der Fall, muss die Rehabilitation nach sicherem Ausschluss struktureller Ursachen fortgesetzt werden. Ein entsprechender Algorithmus ist in Abbildung 3 dargestellt.

Die einzelnen Testverfahren zur Evaluation der genannten Kriterien sind individuell anzupassen und richten sich natürlich danach, welche Möglichkeiten im praktischen Alltag im Einzelfall zur Verfügung stehen. Der Umfang der Test-Batterie richtet sich danach, ob der Patient Breiten-, Leistungs- oder Profisportler ist. Zeitlich sollte der Return-to-play-Test zwischen dem 6. und 10. postoperativen Monat angesiedelt sein.

Gelenkfunktion

Zur Beurteilung der Gelenkfunktion sollten die Ergussneigung, die Beweglichkeit und die passive Stabilität des Kniegelenks erfasst werden. Für die Return-to-play-Entscheidung sollte keine Ergussneigung bestehen sowie die Beweglichkeit und passive Stabilität weitgehend der unverletzten Gegenseite entsprechen. Die genannten Faktoren können mit dem objektiven IKDC-Score erfasst werden [25] (Abb. 4). Mit diesem Score werden die einzelnen Kriterien in A (normal), B (fast normal), C (abnormal) und D (stark abnormal) unterteilt.

Vor Rückkehr zum Sport sollte keine Ergussneigung mehr bestehen (A) und die Parameter Beweglichkeit und passive Stabilität der Kategorie A oder auch B zugeordnet werden können. Die Beweglichkeit wird dabei nach der Neutral-Null-Methode ermittelt. Bei der passiven Stabilität sollte die anteroposteriore Stabilität mit dem Lachman-Test bzw. die Rotationsstabilität mit dem Pivot-shift-Phänomen erfasst werden. Der Lachman-Test kann fakultativ auch instrumentell mit dem KT 1000 oder dem Rolimeter erfasst werden, wobei das KT 1000 das besser validierte Verfahren ist und beim Leistungssportler zur Anwendung kommen sollte. Für die Erfassung des Pivot-shift-Phänomens existieren derzeit noch keine ausreichend validierten instrumentellen Messverfahren.

Im Falle eines Vorliegens von C- und D-Kriterien sollten weitere bildgebende diagnostische Maßnahmen ergriffen werden. Eine MRT dient der Erfassung der Transplantatstruktur, der Tunnellokalisation, Synovialishyperplasie, Cyclopsläsionen und (übersehener) Begleitläsionen. Bei Verdacht auf eine Tunnelfehlplatzierung kann auch ein 3D-CT hilfreich sein.

Bei pathologischen Befunden in der bildgebenden Diagnostik muss dann über einen Revisionseingriff nachgedacht werden (Arthroskopie, Cyclopsresektion, Arthrolyse, Re-Ersatzplastik oder Bohrkanalauffüllung).

Muskelkraft

Für die Beurteilung der Muskelkraft stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Die am häufigsten verwendeten Messverfahren sind isokinetische Kraftmessungen der Extensoren und Flexoren des Kniegelenks. Dabei bewegt der Sportler einen Hebelarm mit einer vorher festgelegten Winkelgeschwindigkeit (z.B. 60°/s oder 120°/s), wobei verschiedene Qualitäten der Kraft gemessen werden können (z.B. konzentrische Kraft, exzentrische Kraft, Kraftausdauer etc.). In Abhängigkeit vom Testprotokoll lassen sich dabei dann noch verschiedene Parameter ermitteln: Kraft (Nm), Arbeit, Leistung, Beschleunigungsenergie, das Verhältnis von Antagonisten und Agonisten, Muskelermüdung und Muskelerholung. Dabei liegen in den einzelnen Studien unterschiedliche Angaben im Hinblick auf die verwendeten Winkelgeschwindigkeiten vor [47, 62]. In der Praxis werden Winkelgeschwindigkeiten zwischen 60° und 240° eingesetzt. Das maximale Drehmoment (Nm) wird als Maximalkraft angegeben. Die höchsten Werte einer konzentrischen Belastung werden bei niedrigen Winkelgeschwindigkeiten (bis 60°) erreicht. Für die Beurteilung der Schnellkraft wird die Winkelgeschwindigkeit entsprechend erhöht. Im Hinblick auf die zu fordernden Messwerte wird eine Seitengleichheit angestrebt. Kraftwerte von weniger als 85 % oder Qualitätsunterschiede von etwa 20 % im Vergleich zur Gegenseite können als Hinweis auf Rehabilitationsdefizite gelten. Dabei sollte den Beugern besonderes Augenmerk geschenkt werden, da sie das vordere Kreuzband schützen können. Isokinetische Testverfahren sollten zumindest im Leistungssport bei der Return-to-competition-Entscheidung zum Standard gehören.

Für den Breiten- oder Freizeitsportler können auch einfachere Methoden zur Kraftanalyse eingesetzt werden. Diese sind z.B. Maximalkrafttests mit „geführten“ Kraftgeräten (z.B. Beinpresse, DAVID-Analyse etc.) oder als indirekte Messmethode die Umfang-Maße der unteren Extremität (15 cm unterhalb des Kniegelenkspalts sowie 10 und 20 cm oberhalb des Kniegelenkspalts). Auch hier sollen keine Seitenunterschiede > 15 % der Gegenseite vorliegen (LSI 85).

Funktionelle Stabilität

Zur Evaluation der funktionellen Stabilität haben sich einfache einbeinige Sprungtests bewährt [19, 26]. In der Literatur werden verschiedene Einbein-Sprungtests beschrieben, die sich in ihrer Komplexität unterscheiden.

In der klinischen Praxis ist der Einbein-Sprungtest auf Weite (One Leg Jump Test) am einfachsten durchführbar. Dieser Test kann auch in einem ausreichend großen Untersuchungsraum durchgeführt werden (Abb. 5) wobei die jeweils erreichten Ergebnisse mit der gesunden Gegenseite verglichen werden. Die einbeinigen Sprungtests eignen sich dazu, die dynamische Stabilität des Kniegelenks beurteilen zu können und dienen als Prädiktoren für eine gute Kniegelenkfunktion. So konnte gezeigt werden, dass der Einbein-Sprungtest auf Weite mit einer guten, subjektiven, selbst erfassten Kniefunktion korreliert [15]. Er kann bei Breiten- und Freizeitsportlern angewendet werden. Auch der Quadrat-Sprungtest hat sich in der Praxis bewährt (Abb. 6).

Bei Leistungssportlern sollte eine Testbatterie zur Anwendung kommen (Tab. 2). Die Test-Retest-Zuverlässigkeit verschiedener Einbein-Sprungtests konnte in verschiedenen Studien bestimmt werden [49].

Mit Einbein-Sprungtests kann ein Sprung-Symmetrie-Index der unteren Extremitäten ermittelt werden (Lower limb Symetry Index = LSI). Dabei wird der LSI meist anhand von 3 Sprungtests der operierten und unverletzten Gegenseite gemittelt. Für die meisten Autoren ist ein LSI von > 85 % als Return-to-sports-Kriterium ausreichend [36, 60]. Im objektiven IKDC-Score wird ein LSI von mehr als 90 % mit A (normal), ein LSI von 89–75 % mit B (fast normal), ein LSI von 75–50 % mit C (abnormal) und ein LSI < 50 % mit D (deutlich abnormal) klassifiziert [IKDC score]. Bei der Interpretation sollte jedoch auch berücksichtigt werden, welches Bein das dominante ist. In manchen Sportarten mit einer hohen Sprungbelastung kann der LSI bereits bei gesunden Individuen ungleich sein.

Sprungtests stellen hohe Ansprüche an das Kniegelenk. Daher sollten sie nur zur Anwendung kommen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • 1. kein intraartikulärer Erguss,
  • 2. volle Beweglichkeit,
  • 3. Streckabhebung uneingeschränkt möglich,
  • 4. springen ohne Schmerzen möglich,
  • 5. subjektives Wohlbefinden des Patienten.

Bewegungsanalyse:
Dynamischer Valgus

In den letzten Jahren ist unter dem Aspekt der neuromuskulären Kontrolle die funktionelle Valgus-Stellung des Kniegelenks in den Focus gerückt, da der valgische Kollaps des Kniegelenks als Risikofaktor für das Erleiden einer VKB-Ruptur und einer Reruptur nach VKB-Ersatzplastik gesehen wird [22]. Die funktionelle Valgus-Stellung kann mit verschiedenen Test evaluiert werden:

  • 1. Einbein-Sprungtests,
  • 2. Drop-jump-Tests und
  • 3. einbeinige Kniebeugen.

Einbein-Sprungtests

Bisher hat die funktionelle Beinachsenanalyse bei der Auswertung der Einbein-Sprungtests nur wenig Beachtung gefunden. Dabei ist das valgische Einbrechen des Kniegelenks bei vielen Sprungtest in der Frontalansicht erkennbar. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die dynamische Valgusstellung zu analysieren. Am einfachsten und unter klinischen Gesichtspunkten pragmatisch ist die dichotome Einteilung in valgisch und nicht-valgisch. Eine Videokamera mit Zeitlupenfunktion kann zu Demonstrationszwecken dabei hilfreich sein. Die Kamerasysteme moderner „Smart-Phones“ erfüllen die Anforderungen an eine orientierende Bewegungsanalyse bereits. Quantitativ kann auch der Frontalebenen-Projektionswinkel bestimmt werden (frontal plane projection angle = FPPA) (Abb. 7 und 8). Dieser Winkel kann mit einfachen Programmen ermittelt werden (z.B. Smartphone-App Hudl Technique).

Vertikaler Sprungtest (Drop-jump-Test)

Noyes et al. [37] haben einen vertikalen Sprungtest (Drop-jump-Test) von einem Kasten beschrieben, bei dem die Stellung der Beinachse beim Landen mit einer Videokamera analysiert wird (mehr als 60 % Kniedistanz). Auch Hewett et al. [21] haben diesen Test für Untersuchungen gefährdeter Athleten verwendet.

Für die Durchführung eines Drop-jump-Tests werden die Athleten nur soweit instruiert, dass sie vor dem Sprungkasten im korrekten Winkel vor dem Betrachter oder der Kamera landen sollen und direkt danach einen maximalen vertikalen Sprung ausführen sollen [9, 37]. Diese Sequenz wird 3-mal wiederholt. Mit einem professionellen 3D-Analyse-System kann die Bewegung noch besser ausgewertet werden. Unter klinischen Gesichtspunkten haben sich jedoch 2-dimensionale Verfahren durch Auswertungen von Aufzeichnungen mit einer normalen Videokamera in der Frontalebene zumindest als tendenziell richtungsweisend bewährt. Dabei wird in der Originalbeschreibung die Kamera in 3 m Abstand vor dem Kasten platziert. Auch diese Aufnahmen können natürlich mit Smartphone-Kameras gemacht werden und mit Apps analysiert werden (z.B. Hudl technique).

Aus der Videoaufzeichnung werden dann folgende Bilder herausgeschnitten:

  • 1. Vor der Landung: Zehen-Bodenkontakt,
  • 2. Landung: Tiefste Position des Athleten,
  • 3. Absprung: Aufwärtsbewegung der Arme.

Dabei ist der Moment der Landung der Moment, in der das Knie am stärksten außer Kontrolle ist. In dieser kann entweder der Frontalebenen-Projektionswinkel oder das Verhältnis der Knie und Sprunggelenkabstände bestimmt werden (Abb. 9). Mizner et al. [33] konnten aufzeigen, dass beim Verhältnis der Knie- und Sprunggelenkabstände eine gute Korrelation zwischen 2– und 3-dimensionalen Analysen besteht. Die qualitative Beurteilung „Valgus oder Nicht-Valgus“ kann auch durch Inspektion ohne Kamera erfolgen.

Einbeinige Kniebeugen

Ein anderer Test, um die dynamische Valgusstellung des Kniegelenks zu analysieren, sind einbeinige Kniebeugen [12] (Abb. 10). Bei diesem Test korreliert das valgische Einbrechen des Kniegelenks mit einer schlechten Funktion der Hüftabduktoren [4, 12]. In der Originalversion dieses Tests steht der Athlet auf einer 20 cm hohen Box und er verschränkt die Arme vor der Brust: Dann soll er 5 einbeinige Kniebeugen so tief wie möglich durchführen (eine Kniebeuge in 2 Sekunden). Diese werden mit einer Videokamera aufgenommen. Anhand verschiedener Kriterien kann die Durchführung der einbeinigen Kniebeuge in gut, mittel oder schlecht eingeteilt werden. Diese Kriterien sind in Tabelle 3 wiedergegeben.

Fazit

Ziel des beschriebenen Algorithmus ist es, das Risiko einer Reruptur nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands zu reduzieren. Ein fester Zeitpunkt, wann der Sportler ohne Risiko zum Wettkampfsport zurückkehrt, lässt sich anhand der bekannten Daten nicht festlegen. Realistisch erscheint ein Zeitraum zwischen 6 und 10 Monaten nach der Operation. Dem betroffenen Sportler, Trainern und Funktionären muss jedoch bewusst gemacht werden, dass das Transplantat zu dieser Zeit noch nicht vollständig umgebaut ist. Daher müssen die neuromuskulären Funktionen des Kniegelenks und der gesamten unteren Extremität zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Wettkampfsports wiederhergestellt sein.

Wenn die Basiskriterien wie Erguss, passive Stabilität und Beweglichkeit den IKDC-Bewertungen A oder B entsprechen, sollten funktionelle Tests zur Überprüfung neuromuskulärer Funktionen zur Anwendung kommen. Dazu zählen einbeinige Sprungtests, das Ermitteln der Muskelkraft, idealerweise isokinetisch, sowie Bewegungsanalysen im Hinblick auf Risikobewegungsmuster (funktioneller Valgus). Sollten hier Defizite (LSI < 85 %, funktionelle Valgusstellung) erkennbar sein, muss die Rehabilitation fortgesetzt werden.

Sollten die Basiskriterien den IKDC-Kategorien C und D zugeordnet werden, sollten weitere diagnostische Schritte eingeleitet werden. Diese beinhalten die Laborparameter CRP und Blutbild zur Infekt-Diagnostik, die MRT zur Beurteilung der Transplantat-Integrität und die CT zur Beurteilung der Tunnelposition. Pathologische Befunde können eine Revisionsoperation notwendig machen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Wolf Petersen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Martin Luther Krankenhaus

Caspar Theyss Straße 27–33

14193 Berlin

wolf.petersen@pgdiakonie.de

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Fussnoten

1. Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Martin Luther Krankenhaus, Berlin

2. OCM, München

3. Arcus Sportklinik, Pforzheim

4. Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie, Klinikum rechts der Isar, München

5. Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehabilitation, Klinikum der Universität München

6. Unfall-Krankenhaus Berlin

7. Orthopaedium, Delft

8. Sportsclinic Cologne, Köln

9. Klinik für Unfall- Hand-, und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Münster

10. Klinik für Unfall-, Hand-, und Wiederherstellungschirurgie, Asklepios Klinikum St. Georg, Hamburg,

11. Centrum für Muskuloskelettale Chirurgie, Charité, Berlin..

12. Return to play, Straubing

13. Sporthopaedicum, Straubing

14. Sportklinik Stuttgart, Stuttgart

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