Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen und Verbrennungen

Markus Öhlbauer1, Britta Wallner1

Zusammenfassung: Die Wundunterdruckbehandlung steht seit mehr als 3 Jahrzehnten als erfolgreiche Methode der Wundtherapie sowohl bei akuten traumatischen als auch chronischen Wunden zur Verfügung. Ihre großflächige
Anwendung bei Schwer- und Schwerstbrandverletzten sowie Patienten mit großflächigen Hautläsionen wurde in den vergangenen 8 Jahren am Brandverletztenzentrum der Unfallklinik Murnau konsequent umgesetzt.

550 (schwer)brandverletzte Patienten mit einer brandverletzten Körperoberfläche bis zu 90 % sowie Patienten mit ausgedehnten Hautdefekten über 15 % Körperoberfläche wurden mittels Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung über die Phase der Wundkonditionierung nach Nekrosedebridement bis zur Spalthautübertragung behandelt.

Bei allen mit Wundunterdruckverbänden behandelten schwer- und schwerstverletzten Patienten konnte unter deutlicher
Reduktion notwendiger Verbandwechsel eine hervorragende Wundkonditionierung, nach Spalthauttransplantation ein rascherer Wundverschluss erreicht werden. Die ermittelten intensivmedizinischen und chirurgischen Parameter zeigten die mit Wundunterdruckverbänden versorgten Patienten im Vergleich zum konservativ therapierten Kollektiv wesentlich stabiler.

Der konsequente Einsatz der Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung bis zur definitiven Defektdeckung stellt sich bei den bislang therapierten Patienten, insbesondere bei den Schwer- und Schwerstbrandverletzten, als exzellentes Therapiekonzept dar.

Schlüsselwörter: Verbrennung, Wundunterdrucktherapie,
großflächige Hautläsion

Zitierweise
Öhlbauer M, Wallner B: Negative pressure wound therapy in
extensive skin defects and burn injuries.
OUP 2017; 5: 253–257 DOI 10.3238/oup.2017.0253–0257

Summary: Negative pressure wound therapy is used for more than 30 years in acute traumatic or chronic lesions. During the last 8 years, negative pressure wound therapy was consequently pursued at the Burn Center of the BG Trauma Center as a concept in adults with extensive skin defects and severe burn injuries.

More than 550 patients with severe burn injuries (TBSA up to 90%) or extensive skin defects with more than 15 % TBSA where treated with negative pressure wound therapy. This therapy was used during all stages of the treatment from the initial phases of debridement to split thickness skin grafting. Intensive care parameters and surgical parameters of tissue repair were recorded during the whole intensive care phase. These parameters were compared to data of patients who got conservative therapy.

All patients with severe skin injuries treated with negative pressure wound therapy showed a significant reduction of redressing. Furthermore outstanding wound conditioning as well as excellent take rate after split thickness skin grafting was observed.

Negative pressure wound therapy is shown to be an excellent option especially in treatment of severe burn patients from the initial debridement to the final split skin grafting.

Keywords: burn injury, negative pressure wound therapy,
extensive skin injury

Citation
Öhlbauer M, Wallner B: Negative pressure wound therapy in
extensive skin defects and burn injuries
OUP 2017; 5: 253–257 DOI 10.3238/oup.2017.0253–0257

Einleitung

Großflächige Hautläsionen wie schwere Brandverletzungen stellen eine große Herausforderung bezüglich Wundmanagement und Intensivtherapie dar. Die Wundunterdrucktherapie (engl. negative pressure wound therapy, NPWT) hat sich in den vergangenen Jahren weltweit zu einer Standardbehandlungsmethode für akute und chronische Wunden unterschiedlicher Ätiologie entwickelt. Seit der Erstbeschreibung im Jahr 1997 findet sich ein kontinuierlicher Anstieg von Indikationen und Anwendungen [1–8]. Das Spektrum der Wundunterdruckbehandlung wurde zuletzt um die Therapie von Brandverletzungen erweitert. Die Ergebnisse wegbereitender Studien zeigen, dass die Wundunterdruckbehandlung nicht nur als Wundverband dient, sondern einen innovativen Therapieansatz in der Versorgung von Brandwunden darstellt.

Eine frühe klinische Studie im porcinen Modell zeigte günstige Effekte der Wundunterdrucktherapie bei zweitgradigen Verbrennungen. Insbesondere wurde die Progression der Verbrennungstiefe verhindert [9]. In einem ersten klinischen Fallbericht von 2005 wird die Verwendung der Wundunterdrucktherapie bei tief zweitgradigen Verbrennungen von Hand und distalem Unterarm beschrieben. Angesichts der vielversprechenden Resultate ist die Bestätigung durch Studien mit größeren Fallzahlen erforderlich [10]. Vor allem sind Untersuchungen zur Wundunterdrucktherapie bei schweren Brandverletzungen und Hautläsionen rar, die größere Körperareale betreffen [9–17]. Eine kürzlich publizierte Analyse hat die mangelnde Datenlage nochmals eindrücklich bestätigt [18]. Folglich sollten Anstrengungen intensiviert werden, um ein umfassendes Verständnis der Wirkungsweise und Risiken dieses neuartigen Behandlungsansatzes zu erlangen.

Grundlagen

Das technische Prinzip der Wundunterdrucktherapie beruht auf der Anwendung offenporiger Polyurethan- oder Polyvinylalkoholschwämme auf Wundflächen, entweder mit eingelegten oder aufgesetzten Drainagesystemen. Abgedichtet mit einer transparenten Verbandfolie werden diese an eine Vakuumpumpe angeschlossen, deren Sog auf bis zu 800 mbar einstellbar ist, um einen gleichmäßigen Grenzzonenkontakt zwischen Schwamm und Wunde zu erreichen. Wundsekret wird dabei in ein geschlossenes Ableitungssystem gesaugt, wobei die Sogapplikation üblicherweise kontinuierlich mit einem Unterdruck von 50–125 mmHg durchgeführt wird, aber auch intermittierend und mit differenten Unterdruckwerten erfolgen kann [1]. Bedingt durch die oft erstaunlichen Effekte auch bei extrem problematischen Wunden hat sich quer durch alle chirurgischen Disziplinen die kontinuierlichen Wundunterdruckapplikation sowohl zur Konditionierung chronischer Wunden, als auch zur Vorbereitung auf definitive plastisch-chirurgische Deckungen etabliert, in selteneren Fällen aber auch als alleinige semi-konservative Therapie.

Der Einsatz der Wundunterdrucktherapie in der klinischen Routine der Behandlung von großflächigen Hautläsionen wie auch der Behandlung von großflächigen Brandverletzungen hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Erweiterung um neue Ansatzpunkte erfahren [1–8].

Aktuelle Aspekte der Wundunterdrucktherapie an der Unfallklinik Murnau

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