Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen und Verbrennungen

Unter Wundunterdrucktherapie kommt es zu einem kontinuierlichen Entfernen des Wundsekrets – die so an der Unfallklinik Murnau behandelten Patienten zeigten klinisch durchweg nicht nur saubere Wundflächen, sondern weitere für die Intensivtherapie bedeutende Effekte, die in den nächsten Kapiteln beschrieben werden.

Reduzierte wundinfektassoziierte Sepsis und reduzierter
Katecholaminbedarf

Beim konventionellen Verbandregime verbleiben zwischen den Verbandwechseln sämtliche Bestandteile des Wundsekrets – die Mediatoren des Wundsekrets selbst, aber auch Bakterien und Pilze sowie deren Toxine – in direktem Kontakt zur Wunde mit der Möglichkeit des Einschwemmens über die Wundoberfläche in den Patienten.

Bei der Wundunterdrucktherapie wird kontinuierlich das Wundsekret von der Wundoberfläche abgesaugt – die Mediatoren des Wundsekrets, insbesondere aber Mikroorganismen und deren Toxine werden so kontinuierlich entfernt – die Gefahr des Einschwemmens mit nachfolgender Kreislaufdepression und Katecholaminpflichtigkeit konnte bei den an der Unfallklinik Murnau unter Wundunterdrucktherapie gehaltenen schwerverletzten Patienten auf bis zu 75 % vermindert werden.

Reduzierter Schmerzmittelbedarf

Vor allem oberflächliche Brandverletzungen sind äußerst schmerzhaft. Wenngleich für das konventionelle Verbandregime in den vergangenen Jahren zahlreiche innovative Produkte vor allem zur Therapie bei oberflächlichen Brandverletzungen vorgestellt wurden, die ein Verkleben von Verbandmaterial mit der Wundoberfläche vermeiden sollten, blieb dennoch der Schmerzmittelbedarf der Patienten äußerst hoch.

Mit der Wundunterdrucktherapie konnte nun ein völlig neuer Ansatz hinsichtlich der Schmerztherapie erfolgreich eingeschlagen werden. Neben der kontinuierlichen Entfernung der Mediatoren – und damit auch jener Bestandteile des Wundsekrets, die die schmerzafferenten Fasern stimulieren – bleibt der Verband kontinuierlich an der Wundoberfläche angesaugt und die Entwicklung von Scherkräften – und der durch die Scherkräfte zwischen Verband und Wundoberfläche induzierten Schmerzen – wird minimiert.

Auch die beim konventionellen Verbandregime mindestens alle 2 Tage notwendigen Verbandwechsel bedingen häufige eine entsprechende Irritation am Wundbett mit nachfolgend verstärkten Schmerzen, wohingegen das beim Verbandwechsel bei Wundunterdrucktherapie lediglich einmal pro Woche zum Tragen kommt, sodass bei den mit Wundunterdrucktherapie behandelten schwerverletzten Patienten der Unfallklinik Murnau im Vergleich zu den konventionell therapierten Patienten der Bedarf an Opiaten um die Hälfte, der Bedarf an NSAR auf ein Viertel gesenkt werden konnte.

Optimierte Wundgrundkonditionierung

Viele Jahre bekannt ist die optimale Wundgrundkonditionierung von Wunden unterschiedlicher Genese durch die Wundunterdrucktherapie. Dies gilt für ausgedehnte Hautläsionen ebenso wie für tiefgradige Brandwunden: Sowohl nach tangentialem Debridement bei tief zweitgradigen als auch nach epifaszialem Debridement bei drittgradigen Wunden entwickelt sich unter der passager angelegten Wundunterdrucktherapie ein sauber granulierender Wundgrund, ideal vorbereitet für eine Hautübertragung.

Oberflächlich zweitgradige verletzte Areale sowie Spalthautentnahmestellen heilen unter der Wundunterdrucktherapie rasch und narbenfrei ab – zur Optimierung der Epithelisierung und Vermeidung von überschießender Granulation, soll bei der Verbandanlage zwischen Wunde und Polyurethanschaum ein Wunddistanzgitter eingelegt werden. Als Wunddistanzgitter werden eine Vielzahl von Produkten angeboten, die von einfachen Fettgazen bis hin zu Silikonbeschichteten und antimikrobiell wirksamen Produkten reichen, wobei unseres Erachtens nach Anwendervorlieben bzw. Anwendergewohnheiten den Ausschlag für das eine oder andere Produkt geben.

Reduktion der Verbandwechsel

Wesentlicher Vorteil der Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen ist die Reduktion der Verbandwechsel. Insbesondere Schwerbrandverletzte mussten bislang zweitägig, bei septischem Verlauf auch täglich im Narkosebad gereinigt und verbunden werden. Neben dem hohen Materialverbrauch und der Bindung von Personalressourcen ergaben sich durch die ständig wiederkehrenden Narkosen auch für den Patienten wesentliche Nachteile hinsichtlich Ernährung, Krankengymnastik und Ergotherapie sowie der Entwöhnung von der Beatmung.

Mithilfe der Wundunterdrucktherapie konnten an der Unfallklinik Murnau die Intervalle der Verbandwechsel auf 5–7 Tage ausgedehnt werden, Für einen schwerbrandverletzten Patienten mit 50 % betroffener Körperoberflächen bedeutet dies nun nur noch 5–6 Verbandwechsel bis zur definitiven Abheilung.

Exzellente Fixierung von
Spalthauttransplantaten

Wie eingangs beschrieben, fand die Wundunterdrucktherapie bei der Behandlung von Brandverletzungen ihren primären Einsatz bei der Fixierung von Spalthauttransplantationen auf umschriebenen Wundarealen und dann vor allem auf Dermisersatzmaterialien. Die Wundunterdrucktherapie leistete aber auch bei ausgedehnten Hautübertragungen zur Spalthautfixierung in gleicher Weise und ebenso problemlos anwendbar exzellente Dienste.

Gerade in schwierigen anatomischen Regionen sind Wundflächen oft schwer zugänglich und Spalthauttransplantate oft umständlich und nur mit aufwändigen Verbänden zu fixieren. Zur Verhinderung von Scherkräften wird der Patient zumeist zusätzlich immobilisiert. Diesen konventionellen Verbandanordnungen steht die Fixierung von Spalthauttransplantaten Unterdruck als überlegene Alternative gegenüber (Abb. 2). Der fixierende Verband über der Spalthaut erfolgt mit dünnem Wunddistanzgitter unter Polyurethanschaumschwamm und der transparenten, luftdichten Verbandfolie. Der Unterdruck sorgt für ein perfektes Anmodellieren der Hauttransplantate auch an unebenen Wundgrund, für konsequente Drainage von Hämatomen und Seromen sowie Minimierung der Scherkräfte zwischen Transplantat und Wundbett [12, 14, 15, 19]. Unter Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Sogs kann postoperativ die Mobilisation für die Patienten freigegeben werden, der erste Verbandwechsel erfolgt wie gewohnt um den 5. bis 7. postoperativen Tag.

Vom Prinzip her ähnlich ist die Wundunterdrucktherapie zur Fixierung von Dermisersatzmaterialien: Dermisersatzmaterialien sind künstliche Hautsubstitute, die zum einen aus einer biodegradierten kollagenen und eventuell elastinen Komponente und eventuell einer passageren Bedeckung aus Silikon als Trägerfolie bestehen. Werden Dermisersatzmaterialien auf das frisch exzidierte Wundbett aufgebracht, so entsteht eine Neodermis, die mit dünner autologer Spalthaut bedeckt werden muss. Die Anwendung von Dermisersatzmaterialien ist seit geraumer Zeit sowohl in der Akutbehandlung von schweren Verbrennungen als auch in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie etabliert. Der Vorteil wird in der Verbesserung sowohl des funktionellen als auch des ästhetischen Ergebnisses gesehen.

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