Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen und Verbrennungen

Die Wundunterdrucktherapie bei Brandverletzungen fand an der Unfallklinik Murnau ihre ersten Anwendungen bei der Fixierung von Spalthauttransplantaten auf tangential oder epifaszial nekretomierten Brandwunden. Vor allem die Fixierung von Spalthauttransplantaten auf Dermisersatzmaterialien zeigte die deutliche Überlegenheit der Wundunterdrucktherapie gegenüber den konventionellen Verfahren, sodass diese Technik sehr rasch auch für die plastisch-chirurgische Therapie großflächiger Hautläsionen übernommen wurde.

Die exzellenten Ergebnisse des raschen, definitiven Wundverschlusses sowie die bekannt guten Resultate der Wundgrundkonditionierung durch Wundunterdrucktherapie bei ausgedehnten Haut/-Weichteilinfektionen wie nekrotisierender Fasziitis und Fournier’scher Gangrän führten zur Anwendung der Wundunterdrucktherapie auch bei der Primärversorgung von Brandverletzungen. Beschränkte sich hier zu Beginn die Anwendung auf umschriebene Brandverletzungen von wenigen Prozent Körperoberfläche, wurden in den letzten Jahren zunehmend größere Wundareale eingeschlossen. In den vergangenen 8 Jahren wurden selbst schwer- und schwerstbrandverletzte Patienten (bis zu 90 % betroffener Körperoberfläche) mit Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung bis zum definitiven Wundverschluss behandelt (Abb. 1, 2).

Die retrospektive Analyse der an der Unfallklinik Murnau mit Wundunterdrucktherapie behandelten Patienten im Vergleich zu den mittels konventionellen Verbandregime therapierten Patienten erbrachte bemerkenswerte Ergebnisse:

Exakte Bilanzierung

Patienten mit ausgedehnten Hautläsionen, insbesondere Schwerbrandverletzte verlieren über die Wundflächen enorme Mengen an Flüssigkeit. Dieses Wundsekret wurde bei konventioneller Verbandtechnik primär durch die Verbände selbst aufgenommen. Sind die Verbände beim konservativen Verbandregime durchtränkt, gelangt das Wundsekret ins Patientenbett und wird dort von den Bett- und Matratzenauflagen aufgenommen. Zum Teil gelangt das Wundsekret dann aber auch durch das Bett hindurch bis auf den Zimmerboden oder wird in unter dem Patientenbett platzierten Gefäßen gesammelt.

Wenngleich versucht wurde, die Wundsekretmenge über die Bestimmung des Gewichts der beim Verbandwechsel abgenommenen Verbände zu eruieren, war dennoch eine exakte Bilanzierung praktisch nie möglich.

Mithilfe der Wundunterdrucktherapie ist es nun erstmals möglich, die Menge des über die Wundoberfläche verlorenen Wundsekrets exakt zu erfassen, da sämtliche Wundflüssigkeiten in den Auffangbehältern des Absaugsystems millilitergenau gesammelt werden. Dies bietet den wesentlichen Vorteil einer genauen Steuerung des Flüssigkeitsbedarfs, da nun exakte Werte und nicht bloße Schätzungen bezüglich des Volumenverlusts über die Wundflächen vorliegen.

Bei den an der Unfallklinik Murnau bislang mit Wundunterdrucktherapie behandelten Patienten konnte so – insbesondere bei schwerbrandverletzten Patienten – schon nach wenigen Tagen wieder das Aufnahmekörpergewicht (= Zielkörpergewicht) erreicht werden. Die unter konventionellem Verbandregime oft über viele Wochen resultierende Überinfusion des Patienten, die einen Anstieg des Körpergewichtes um 20–30 Kilogramm bedeutete, konnte vermieden werden.

Ödemreduktion und Optimierung der Durchblutung bei
ausgedehnten Hautläsionen am
Beispiel Brandverletzter

Bei Brandverletzungen führt die Einwirkung von Hitze zu einer zonenförmigen Schädigung des Gewebes: In der Koagulationszone ist dabei der Zelltod komplett und irreversibel.

In der angrenzenden Stasezone sind initial die meisten Zellen noch vital, sterben jedoch ab, wenn es nicht gelingt, die Durchblutung und die von ihr abhängige Mikrozirkulation in dieser Stasezone zu verbessern. Es kommt dabei zum Fortschreiten der Ausdehnung der Wundtiefe, zum sekundären Nachbrennen, das gewöhnlich innerhalb der ersten Stunden nach der Brandverletzung beginnt und zumeist für rund 48 Stunden anhält. Ursache dieses Nachbrennens ist eine zunehmende Schädigung der Gefäße und damit eine Reduktion der Durchblutung und der Mikrozirkulation. Die ischämiebedingte Hypoxie des Gewebes führt dann zum irreversiblen Zelltod. Einer der wesentlichen Faktoren zur Verringerung des Nachbrenn-Effekts ist die Vermeidung bzw. die Reduktion des Bindegewebeödems. Bislang versuchte man, dies durch einfaches Hochlagern der verbrannten Gliedmaße und durch forcierte Bewegungstherapie zu erreichen, insbesondere im Bereich der Hände.

Mehrere prospektive, z.T. multizentrische Anwendungsbeobachtungen von Wundunterdrucktherapien bei frischen oberflächlich- und tiefdermalen Brandverletzungen wurden publiziert. Ziel dieser Arbeiten war es, mit Hilfe der Wundunterdrucktherapie eine Reduktion der Ursachen für den Effekt des Nachbrennens zu erreichen [9, 10].

Die Untersuchungsergebnisse bestätigten gleichlautend die Hypothese, dass die Wundunterdrucktherapie zur Verminderung- bzw. Prophylaxe des Bindegewebeödems geeignet ist, Gewebeperfusion und Mikrozirkulation zu erhalten bzw. zu verbessern. Darüber hinaus gehende positive Effekte wurden in der Reduktion des zeitlichen, personellen und somit letztlich auch finanziellen Aufwands für die Versorgung Brandverletzter gesehen. Ergebnisse dieser Untersuchungen führten letztlich zur Zulassung der V.A.C.-Therapie für die Behandlung von oberflächlich und tief dermalen Brandverletzungen durch die FDA in den USA.

War bislang also die Verminderung des Ödems nach Brandverletzung bei frühzeitigem Einsatz der Wundunterdrucktherapie – idealerweise in den ersten Stunden nach Trauma – bekannt, zeigte sich in der retrospektiven Analyse an der Unfallklinik Murnau aber auch bei verzögertem Einsatz der Wundunterdrucktherapie noch eine exzellente Ödemreduktion. An der Unfallklinik Murnau wurde ein kontinuierlicher Einsatz der Wundunterdrucktherapie mit einer Sogstärke von 75 mmHg bei den brandverletzten Patienten angelegt. Ähnlich einer Kompressionstherapie beim Lymphödem führt dieser kontinuierlich angewendete Unterdruck zur Abschwellung innerhalb von 12–24 Stunden.

Durch das reduzierte Ödem und die reduzierte Diffusionsstrecke konnte neben der Verminderung des sekundären Nachtiefens auch eine Optimierung der Durchblutung der brandverletzten Haut und damit der Wundheilung erreicht werden (Abb. 3).

Kontinuierliche
Wundsekretentfernung

Ein weiterer wesentlicher Punkt beim Einsatz der großflächigen Wundunterdrucktherapie ist die kontinuierliche Wundsekretentfernung. Mussten beim konventionellen Verbandregime die Verbände zumindest 2-tägig, wenn nicht sogar täglich gewechselt und die Wundflächen im Narkosebad oder im Operationssaal gereinigt und desinfiziert werden, so verblieb das Wundsekret trotzdem in der Zeit zwischen den Verbandwechseln in den Verbänden und damit in direktem Kontakt mit der Wunde.

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