Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen und Verbrennungen

Markus Öhlbauer1, Britta Wallner1

Zusammenfassung: Die Wundunterdruckbehandlung steht seit mehr als 3 Jahrzehnten als erfolgreiche Methode der Wundtherapie sowohl bei akuten traumatischen als auch chronischen Wunden zur Verfügung. Ihre großflächige
Anwendung bei Schwer- und Schwerstbrandverletzten sowie Patienten mit großflächigen Hautläsionen wurde in den vergangenen 8 Jahren am Brandverletztenzentrum der Unfallklinik Murnau konsequent umgesetzt.

550 (schwer)brandverletzte Patienten mit einer brandverletzten Körperoberfläche bis zu 90 % sowie Patienten mit ausgedehnten Hautdefekten über 15 % Körperoberfläche wurden mittels Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung über die Phase der Wundkonditionierung nach Nekrosedebridement bis zur Spalthautübertragung behandelt.

Bei allen mit Wundunterdruckverbänden behandelten schwer- und schwerstverletzten Patienten konnte unter deutlicher
Reduktion notwendiger Verbandwechsel eine hervorragende Wundkonditionierung, nach Spalthauttransplantation ein rascherer Wundverschluss erreicht werden. Die ermittelten intensivmedizinischen und chirurgischen Parameter zeigten die mit Wundunterdruckverbänden versorgten Patienten im Vergleich zum konservativ therapierten Kollektiv wesentlich stabiler.

Der konsequente Einsatz der Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung bis zur definitiven Defektdeckung stellt sich bei den bislang therapierten Patienten, insbesondere bei den Schwer- und Schwerstbrandverletzten, als exzellentes Therapiekonzept dar.

Schlüsselwörter: Verbrennung, Wundunterdrucktherapie,
großflächige Hautläsion

Zitierweise
Öhlbauer M, Wallner B: Negative pressure wound therapy in
extensive skin defects and burn injuries.
OUP 2017; 5: 253–257 DOI 10.3238/oup.2017.0253–0257

Summary: Negative pressure wound therapy is used for more than 30 years in acute traumatic or chronic lesions. During the last 8 years, negative pressure wound therapy was consequently pursued at the Burn Center of the BG Trauma Center as a concept in adults with extensive skin defects and severe burn injuries.

More than 550 patients with severe burn injuries (TBSA up to 90%) or extensive skin defects with more than 15 % TBSA where treated with negative pressure wound therapy. This therapy was used during all stages of the treatment from the initial phases of debridement to split thickness skin grafting. Intensive care parameters and surgical parameters of tissue repair were recorded during the whole intensive care phase. These parameters were compared to data of patients who got conservative therapy.

All patients with severe skin injuries treated with negative pressure wound therapy showed a significant reduction of redressing. Furthermore outstanding wound conditioning as well as excellent take rate after split thickness skin grafting was observed.

Negative pressure wound therapy is shown to be an excellent option especially in treatment of severe burn patients from the initial debridement to the final split skin grafting.

Keywords: burn injury, negative pressure wound therapy,
extensive skin injury

Citation
Öhlbauer M, Wallner B: Negative pressure wound therapy in
extensive skin defects and burn injuries
OUP 2017; 5: 253–257 DOI 10.3238/oup.2017.0253–0257

Einleitung

Großflächige Hautläsionen wie schwere Brandverletzungen stellen eine große Herausforderung bezüglich Wundmanagement und Intensivtherapie dar. Die Wundunterdrucktherapie (engl. negative pressure wound therapy, NPWT) hat sich in den vergangenen Jahren weltweit zu einer Standardbehandlungsmethode für akute und chronische Wunden unterschiedlicher Ätiologie entwickelt. Seit der Erstbeschreibung im Jahr 1997 findet sich ein kontinuierlicher Anstieg von Indikationen und Anwendungen [1–8]. Das Spektrum der Wundunterdruckbehandlung wurde zuletzt um die Therapie von Brandverletzungen erweitert. Die Ergebnisse wegbereitender Studien zeigen, dass die Wundunterdruckbehandlung nicht nur als Wundverband dient, sondern einen innovativen Therapieansatz in der Versorgung von Brandwunden darstellt.

Eine frühe klinische Studie im porcinen Modell zeigte günstige Effekte der Wundunterdrucktherapie bei zweitgradigen Verbrennungen. Insbesondere wurde die Progression der Verbrennungstiefe verhindert [9]. In einem ersten klinischen Fallbericht von 2005 wird die Verwendung der Wundunterdrucktherapie bei tief zweitgradigen Verbrennungen von Hand und distalem Unterarm beschrieben. Angesichts der vielversprechenden Resultate ist die Bestätigung durch Studien mit größeren Fallzahlen erforderlich [10]. Vor allem sind Untersuchungen zur Wundunterdrucktherapie bei schweren Brandverletzungen und Hautläsionen rar, die größere Körperareale betreffen [9–17]. Eine kürzlich publizierte Analyse hat die mangelnde Datenlage nochmals eindrücklich bestätigt [18]. Folglich sollten Anstrengungen intensiviert werden, um ein umfassendes Verständnis der Wirkungsweise und Risiken dieses neuartigen Behandlungsansatzes zu erlangen.

Grundlagen

Das technische Prinzip der Wundunterdrucktherapie beruht auf der Anwendung offenporiger Polyurethan- oder Polyvinylalkoholschwämme auf Wundflächen, entweder mit eingelegten oder aufgesetzten Drainagesystemen. Abgedichtet mit einer transparenten Verbandfolie werden diese an eine Vakuumpumpe angeschlossen, deren Sog auf bis zu 800 mbar einstellbar ist, um einen gleichmäßigen Grenzzonenkontakt zwischen Schwamm und Wunde zu erreichen. Wundsekret wird dabei in ein geschlossenes Ableitungssystem gesaugt, wobei die Sogapplikation üblicherweise kontinuierlich mit einem Unterdruck von 50–125 mmHg durchgeführt wird, aber auch intermittierend und mit differenten Unterdruckwerten erfolgen kann [1]. Bedingt durch die oft erstaunlichen Effekte auch bei extrem problematischen Wunden hat sich quer durch alle chirurgischen Disziplinen die kontinuierlichen Wundunterdruckapplikation sowohl zur Konditionierung chronischer Wunden, als auch zur Vorbereitung auf definitive plastisch-chirurgische Deckungen etabliert, in selteneren Fällen aber auch als alleinige semi-konservative Therapie.

Der Einsatz der Wundunterdrucktherapie in der klinischen Routine der Behandlung von großflächigen Hautläsionen wie auch der Behandlung von großflächigen Brandverletzungen hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Erweiterung um neue Ansatzpunkte erfahren [1–8].

Aktuelle Aspekte der Wundunterdrucktherapie an der Unfallklinik Murnau

Die Wundunterdrucktherapie bei Brandverletzungen fand an der Unfallklinik Murnau ihre ersten Anwendungen bei der Fixierung von Spalthauttransplantaten auf tangential oder epifaszial nekretomierten Brandwunden. Vor allem die Fixierung von Spalthauttransplantaten auf Dermisersatzmaterialien zeigte die deutliche Überlegenheit der Wundunterdrucktherapie gegenüber den konventionellen Verfahren, sodass diese Technik sehr rasch auch für die plastisch-chirurgische Therapie großflächiger Hautläsionen übernommen wurde.

Die exzellenten Ergebnisse des raschen, definitiven Wundverschlusses sowie die bekannt guten Resultate der Wundgrundkonditionierung durch Wundunterdrucktherapie bei ausgedehnten Haut/-Weichteilinfektionen wie nekrotisierender Fasziitis und Fournier’scher Gangrän führten zur Anwendung der Wundunterdrucktherapie auch bei der Primärversorgung von Brandverletzungen. Beschränkte sich hier zu Beginn die Anwendung auf umschriebene Brandverletzungen von wenigen Prozent Körperoberfläche, wurden in den letzten Jahren zunehmend größere Wundareale eingeschlossen. In den vergangenen 8 Jahren wurden selbst schwer- und schwerstbrandverletzte Patienten (bis zu 90 % betroffener Körperoberfläche) mit Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung bis zum definitiven Wundverschluss behandelt (Abb. 1, 2).

Die retrospektive Analyse der an der Unfallklinik Murnau mit Wundunterdrucktherapie behandelten Patienten im Vergleich zu den mittels konventionellen Verbandregime therapierten Patienten erbrachte bemerkenswerte Ergebnisse:

Exakte Bilanzierung

Patienten mit ausgedehnten Hautläsionen, insbesondere Schwerbrandverletzte verlieren über die Wundflächen enorme Mengen an Flüssigkeit. Dieses Wundsekret wurde bei konventioneller Verbandtechnik primär durch die Verbände selbst aufgenommen. Sind die Verbände beim konservativen Verbandregime durchtränkt, gelangt das Wundsekret ins Patientenbett und wird dort von den Bett- und Matratzenauflagen aufgenommen. Zum Teil gelangt das Wundsekret dann aber auch durch das Bett hindurch bis auf den Zimmerboden oder wird in unter dem Patientenbett platzierten Gefäßen gesammelt.

Wenngleich versucht wurde, die Wundsekretmenge über die Bestimmung des Gewichts der beim Verbandwechsel abgenommenen Verbände zu eruieren, war dennoch eine exakte Bilanzierung praktisch nie möglich.

Mithilfe der Wundunterdrucktherapie ist es nun erstmals möglich, die Menge des über die Wundoberfläche verlorenen Wundsekrets exakt zu erfassen, da sämtliche Wundflüssigkeiten in den Auffangbehältern des Absaugsystems millilitergenau gesammelt werden. Dies bietet den wesentlichen Vorteil einer genauen Steuerung des Flüssigkeitsbedarfs, da nun exakte Werte und nicht bloße Schätzungen bezüglich des Volumenverlusts über die Wundflächen vorliegen.

Bei den an der Unfallklinik Murnau bislang mit Wundunterdrucktherapie behandelten Patienten konnte so – insbesondere bei schwerbrandverletzten Patienten – schon nach wenigen Tagen wieder das Aufnahmekörpergewicht (= Zielkörpergewicht) erreicht werden. Die unter konventionellem Verbandregime oft über viele Wochen resultierende Überinfusion des Patienten, die einen Anstieg des Körpergewichtes um 20–30 Kilogramm bedeutete, konnte vermieden werden.

Ödemreduktion und Optimierung der Durchblutung bei
ausgedehnten Hautläsionen am
Beispiel Brandverletzter

Bei Brandverletzungen führt die Einwirkung von Hitze zu einer zonenförmigen Schädigung des Gewebes: In der Koagulationszone ist dabei der Zelltod komplett und irreversibel.

In der angrenzenden Stasezone sind initial die meisten Zellen noch vital, sterben jedoch ab, wenn es nicht gelingt, die Durchblutung und die von ihr abhängige Mikrozirkulation in dieser Stasezone zu verbessern. Es kommt dabei zum Fortschreiten der Ausdehnung der Wundtiefe, zum sekundären Nachbrennen, das gewöhnlich innerhalb der ersten Stunden nach der Brandverletzung beginnt und zumeist für rund 48 Stunden anhält. Ursache dieses Nachbrennens ist eine zunehmende Schädigung der Gefäße und damit eine Reduktion der Durchblutung und der Mikrozirkulation. Die ischämiebedingte Hypoxie des Gewebes führt dann zum irreversiblen Zelltod. Einer der wesentlichen Faktoren zur Verringerung des Nachbrenn-Effekts ist die Vermeidung bzw. die Reduktion des Bindegewebeödems. Bislang versuchte man, dies durch einfaches Hochlagern der verbrannten Gliedmaße und durch forcierte Bewegungstherapie zu erreichen, insbesondere im Bereich der Hände.

Mehrere prospektive, z.T. multizentrische Anwendungsbeobachtungen von Wundunterdrucktherapien bei frischen oberflächlich- und tiefdermalen Brandverletzungen wurden publiziert. Ziel dieser Arbeiten war es, mit Hilfe der Wundunterdrucktherapie eine Reduktion der Ursachen für den Effekt des Nachbrennens zu erreichen [9, 10].

Die Untersuchungsergebnisse bestätigten gleichlautend die Hypothese, dass die Wundunterdrucktherapie zur Verminderung- bzw. Prophylaxe des Bindegewebeödems geeignet ist, Gewebeperfusion und Mikrozirkulation zu erhalten bzw. zu verbessern. Darüber hinaus gehende positive Effekte wurden in der Reduktion des zeitlichen, personellen und somit letztlich auch finanziellen Aufwands für die Versorgung Brandverletzter gesehen. Ergebnisse dieser Untersuchungen führten letztlich zur Zulassung der V.A.C.-Therapie für die Behandlung von oberflächlich und tief dermalen Brandverletzungen durch die FDA in den USA.

War bislang also die Verminderung des Ödems nach Brandverletzung bei frühzeitigem Einsatz der Wundunterdrucktherapie – idealerweise in den ersten Stunden nach Trauma – bekannt, zeigte sich in der retrospektiven Analyse an der Unfallklinik Murnau aber auch bei verzögertem Einsatz der Wundunterdrucktherapie noch eine exzellente Ödemreduktion. An der Unfallklinik Murnau wurde ein kontinuierlicher Einsatz der Wundunterdrucktherapie mit einer Sogstärke von 75 mmHg bei den brandverletzten Patienten angelegt. Ähnlich einer Kompressionstherapie beim Lymphödem führt dieser kontinuierlich angewendete Unterdruck zur Abschwellung innerhalb von 12–24 Stunden.

Durch das reduzierte Ödem und die reduzierte Diffusionsstrecke konnte neben der Verminderung des sekundären Nachtiefens auch eine Optimierung der Durchblutung der brandverletzten Haut und damit der Wundheilung erreicht werden (Abb. 3).

Kontinuierliche
Wundsekretentfernung

Ein weiterer wesentlicher Punkt beim Einsatz der großflächigen Wundunterdrucktherapie ist die kontinuierliche Wundsekretentfernung. Mussten beim konventionellen Verbandregime die Verbände zumindest 2-tägig, wenn nicht sogar täglich gewechselt und die Wundflächen im Narkosebad oder im Operationssaal gereinigt und desinfiziert werden, so verblieb das Wundsekret trotzdem in der Zeit zwischen den Verbandwechseln in den Verbänden und damit in direktem Kontakt mit der Wunde.

Unter Wundunterdrucktherapie kommt es zu einem kontinuierlichen Entfernen des Wundsekrets – die so an der Unfallklinik Murnau behandelten Patienten zeigten klinisch durchweg nicht nur saubere Wundflächen, sondern weitere für die Intensivtherapie bedeutende Effekte, die in den nächsten Kapiteln beschrieben werden.

Reduzierte wundinfektassoziierte Sepsis und reduzierter
Katecholaminbedarf

Beim konventionellen Verbandregime verbleiben zwischen den Verbandwechseln sämtliche Bestandteile des Wundsekrets – die Mediatoren des Wundsekrets selbst, aber auch Bakterien und Pilze sowie deren Toxine – in direktem Kontakt zur Wunde mit der Möglichkeit des Einschwemmens über die Wundoberfläche in den Patienten.

Bei der Wundunterdrucktherapie wird kontinuierlich das Wundsekret von der Wundoberfläche abgesaugt – die Mediatoren des Wundsekrets, insbesondere aber Mikroorganismen und deren Toxine werden so kontinuierlich entfernt – die Gefahr des Einschwemmens mit nachfolgender Kreislaufdepression und Katecholaminpflichtigkeit konnte bei den an der Unfallklinik Murnau unter Wundunterdrucktherapie gehaltenen schwerverletzten Patienten auf bis zu 75 % vermindert werden.

Reduzierter Schmerzmittelbedarf

Vor allem oberflächliche Brandverletzungen sind äußerst schmerzhaft. Wenngleich für das konventionelle Verbandregime in den vergangenen Jahren zahlreiche innovative Produkte vor allem zur Therapie bei oberflächlichen Brandverletzungen vorgestellt wurden, die ein Verkleben von Verbandmaterial mit der Wundoberfläche vermeiden sollten, blieb dennoch der Schmerzmittelbedarf der Patienten äußerst hoch.

Mit der Wundunterdrucktherapie konnte nun ein völlig neuer Ansatz hinsichtlich der Schmerztherapie erfolgreich eingeschlagen werden. Neben der kontinuierlichen Entfernung der Mediatoren – und damit auch jener Bestandteile des Wundsekrets, die die schmerzafferenten Fasern stimulieren – bleibt der Verband kontinuierlich an der Wundoberfläche angesaugt und die Entwicklung von Scherkräften – und der durch die Scherkräfte zwischen Verband und Wundoberfläche induzierten Schmerzen – wird minimiert.

Auch die beim konventionellen Verbandregime mindestens alle 2 Tage notwendigen Verbandwechsel bedingen häufige eine entsprechende Irritation am Wundbett mit nachfolgend verstärkten Schmerzen, wohingegen das beim Verbandwechsel bei Wundunterdrucktherapie lediglich einmal pro Woche zum Tragen kommt, sodass bei den mit Wundunterdrucktherapie behandelten schwerverletzten Patienten der Unfallklinik Murnau im Vergleich zu den konventionell therapierten Patienten der Bedarf an Opiaten um die Hälfte, der Bedarf an NSAR auf ein Viertel gesenkt werden konnte.

Optimierte Wundgrundkonditionierung

Viele Jahre bekannt ist die optimale Wundgrundkonditionierung von Wunden unterschiedlicher Genese durch die Wundunterdrucktherapie. Dies gilt für ausgedehnte Hautläsionen ebenso wie für tiefgradige Brandwunden: Sowohl nach tangentialem Debridement bei tief zweitgradigen als auch nach epifaszialem Debridement bei drittgradigen Wunden entwickelt sich unter der passager angelegten Wundunterdrucktherapie ein sauber granulierender Wundgrund, ideal vorbereitet für eine Hautübertragung.

Oberflächlich zweitgradige verletzte Areale sowie Spalthautentnahmestellen heilen unter der Wundunterdrucktherapie rasch und narbenfrei ab – zur Optimierung der Epithelisierung und Vermeidung von überschießender Granulation, soll bei der Verbandanlage zwischen Wunde und Polyurethanschaum ein Wunddistanzgitter eingelegt werden. Als Wunddistanzgitter werden eine Vielzahl von Produkten angeboten, die von einfachen Fettgazen bis hin zu Silikonbeschichteten und antimikrobiell wirksamen Produkten reichen, wobei unseres Erachtens nach Anwendervorlieben bzw. Anwendergewohnheiten den Ausschlag für das eine oder andere Produkt geben.

Reduktion der Verbandwechsel

Wesentlicher Vorteil der Wundunterdrucktherapie bei großflächigen Hautläsionen ist die Reduktion der Verbandwechsel. Insbesondere Schwerbrandverletzte mussten bislang zweitägig, bei septischem Verlauf auch täglich im Narkosebad gereinigt und verbunden werden. Neben dem hohen Materialverbrauch und der Bindung von Personalressourcen ergaben sich durch die ständig wiederkehrenden Narkosen auch für den Patienten wesentliche Nachteile hinsichtlich Ernährung, Krankengymnastik und Ergotherapie sowie der Entwöhnung von der Beatmung.

Mithilfe der Wundunterdrucktherapie konnten an der Unfallklinik Murnau die Intervalle der Verbandwechsel auf 5–7 Tage ausgedehnt werden, Für einen schwerbrandverletzten Patienten mit 50 % betroffener Körperoberflächen bedeutet dies nun nur noch 5–6 Verbandwechsel bis zur definitiven Abheilung.

Exzellente Fixierung von
Spalthauttransplantaten

Wie eingangs beschrieben, fand die Wundunterdrucktherapie bei der Behandlung von Brandverletzungen ihren primären Einsatz bei der Fixierung von Spalthauttransplantationen auf umschriebenen Wundarealen und dann vor allem auf Dermisersatzmaterialien. Die Wundunterdrucktherapie leistete aber auch bei ausgedehnten Hautübertragungen zur Spalthautfixierung in gleicher Weise und ebenso problemlos anwendbar exzellente Dienste.

Gerade in schwierigen anatomischen Regionen sind Wundflächen oft schwer zugänglich und Spalthauttransplantate oft umständlich und nur mit aufwändigen Verbänden zu fixieren. Zur Verhinderung von Scherkräften wird der Patient zumeist zusätzlich immobilisiert. Diesen konventionellen Verbandanordnungen steht die Fixierung von Spalthauttransplantaten Unterdruck als überlegene Alternative gegenüber (Abb. 2). Der fixierende Verband über der Spalthaut erfolgt mit dünnem Wunddistanzgitter unter Polyurethanschaumschwamm und der transparenten, luftdichten Verbandfolie. Der Unterdruck sorgt für ein perfektes Anmodellieren der Hauttransplantate auch an unebenen Wundgrund, für konsequente Drainage von Hämatomen und Seromen sowie Minimierung der Scherkräfte zwischen Transplantat und Wundbett [12, 14, 15, 19]. Unter Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Sogs kann postoperativ die Mobilisation für die Patienten freigegeben werden, der erste Verbandwechsel erfolgt wie gewohnt um den 5. bis 7. postoperativen Tag.

Vom Prinzip her ähnlich ist die Wundunterdrucktherapie zur Fixierung von Dermisersatzmaterialien: Dermisersatzmaterialien sind künstliche Hautsubstitute, die zum einen aus einer biodegradierten kollagenen und eventuell elastinen Komponente und eventuell einer passageren Bedeckung aus Silikon als Trägerfolie bestehen. Werden Dermisersatzmaterialien auf das frisch exzidierte Wundbett aufgebracht, so entsteht eine Neodermis, die mit dünner autologer Spalthaut bedeckt werden muss. Die Anwendung von Dermisersatzmaterialien ist seit geraumer Zeit sowohl in der Akutbehandlung von schweren Verbrennungen als auch in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie etabliert. Der Vorteil wird in der Verbesserung sowohl des funktionellen als auch des ästhetischen Ergebnisses gesehen.

Besonders in anatomisch anspruchsvollen Arealen war es oft schwierig, eine sichere Fixierung zu erreichen. Gerade in der frühen postoperativen Phase nach Aufbringen von Dermisersatzmaterialien müssen aber die Scherkräfte zwischen Dermisersatzmaterial und Wundbett vermindert werden, um Ablösung und Infektionen zu vermeiden und ein gutes Einheilungsergebnis zu erreichen. Wurde bislang versucht, dies durch aufwändige Überknüpfer- und Polsterverbände zu erreichen, so kann nun durch Anwendung der Wundunterdrucktherapie über dem transplantiertem Dermisersatzmaterial/Spalthautkonstrukt ein fester, schersicherer Kontakt zum Wundgrund hergestellt werden. Hilfreich ist dabei die Stichelung der Spalthaut mit der Skalpellklinge vor Aufbringen um die Ansammlung von Flüssigkeit unter dem Dermisersatzmaterial zu vermeiden. Der erste Verbandwechsel wird dabei nach 7 Tagen durchgeführt. Zusätzliche Ruhigstellung mittels Gipsschienen kann durchgeführt werden, in Fällen schwieriger Lokalisation kann die Wundunterdrucktherapie aber auch als alleinige Ruhigstellungsstechnik benutzt werden.

Schlussfolgerungen

Der konsequente Einsatz der Wundunterdrucktherapie von der Initialversorgung bis zur definitiven Defektdeckung stellt sich bei den bislang an der Unfallklinik Murnau therapierten Patienten mit großflächigen Hautläsionen, insbesondere bei den Schwer- und Schwerstbrandverletzten, als exzellentes Therapiekonzept dar.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. univ. Markus Öhlbauer

BG Unfallklinik Murnau

Professor-Küntscher-Str. 8

82418 Murnau

Deutschland

markus.oehlbauer@bgu-murnau.de

Literatur

1. Argenta LC, Morykwas MJ: Vacuum-assisted closure: a new method for wound control and treatment: clinical experience. Ann Plast Surg. 1997; 38: 563–76; discussion 77

2. Huang C, Leavitt T, Bayer LR, Orgill DP: Effect of negative pressure wound therapy on wound healing. Curr Probl Surg. 2014; 51: 301–31

3. Webster J, Scuffham P, Stankiewicz M, Chaboyer WP: Negative pressure wound therapy for skin grafts and surgical wounds healing by primary intention. Cochrane Database Syst Rev. 2014; 10: CD009261

4. Bruhin A, Ferreira F, Chariker M, Smith J, Runkel N: Systematic review and evidence based recommendations for the use of negative pressure wound therapy in the open abdomen. Int J Surg. 2014; 12: 1105–14

5. Zhang J, Hu ZC, Chen D, Guo D, Zhu JY, Tang B: Effectiveness and safety of negative-pressure wound therapy for diabetic foot ulcers: a meta-analysis. Plast Reconstr Surg. 2014; 134: 141–51

6. Dumville JC, Owens GL, Crosbie EJ, Peinemann F, Liu Z: Negative pressure wound therapy for treating surgical wounds healing by secondary intention. Cochrane Database Syst Rev. 2015; 6: CD011278

7. Weidenhagen R, Gruetzner KU, Wiecken T, Spelsberg F, Jauch KW: Endoscopic vacuum-assisted closure of anastomotic leakage following anterior resection of the rectum: a new method. Surg Endosc. 2008; 22: 1818–25

8. Prince N, Blackburn S, Murad G et al.: Vacuum-assisted closure therapy to the brain: a safe method for wound temporization in composite scalp and calvarial defects. Ann Plast Surg. 2015; 74 Suppl 4: S218–21

9. Morykwas MJ, David LR, Schneider AM et al.: Use of subatmospheric pressure to prevent progression of partial-thickness burns in a swine model. J Burn Care Rehabil. 1999; 20: 15–21

10. Molnar JA, Simpson JL, Voignier DM, Morykwas MJ, Argenta LC: Management of an acute thermal injury with subatmospheric pressure. J Burns Wounds. 2005;4: e5

11. Kamolz T, Granderath FA, Pointer R: The management of patients who have „failed“ antireflux surgery. Am J Gastroenterol. 2004; 99: 2070–1

12. Chong SJ, Liang WH, Tan BK: Use of multiple VAC devices in the management of extensive burns: the total body wrap concept. Burns. 2010; 36: e127–9

13. Low OW, Chong SJ, Tan BK: The enhanced total body wrap – the new frontier in dressing care for burns. Burns. 2013; 39: 1420–2

14. Petkar KS, Dhanraj P, Kingsly PM, et al.: A prospective randomized controlled trial comparing negative pressure dressing and conventional dressing methods on split-thickness skin grafts in burned patients. Burns. 2011; 37: 925–9

15. Fischer S, Wall J, Pomahac B, Riviello R, Halvorson EG: Extra-large negative pressure wound therapy dressings for burns – Initial experience with technique, fluid management, and outcomes. Burns 2016; 42: 457–65

16. Roka J, Karle B, Andel H, Kamolz L, Frey M: [Use of V.A.C. Therapy in the surgical treatment of severe burns: the Viennese concept]. Handchirurgie, Mikrochirurgie, plastische Chirurgie 2007; 39: 322–7

17. Adamkova M, Tymonova J, Zamecnikova I, Kadlcik M, Klosova H: First experience with the use of vacuum assisted closure in the treatment of skin defects at the burn center. Acta Chir Plast. 2005; 47: 24–7

18. Dumville JC, Munson C, Christie J: Negative pressure wound therapy for partial-thickness burns. Cochrane Database Syst Rev. 2014; 12: CD006215

19. Schintler M, Marschitz I, Trop M: The use of topical negative pressure in a paediatric patient with extensive burns. Burns. 2005; 31: 1050–3

Fussnoten

1 Abteilung für Plastische Chirurgie und Verbrennungsmedizin, Brandverletztenzentrum, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Deutschland

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4