Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Zur Relevanz individueller funktionsdiagnostischer Erhebungen im Return-to-play-Prozess nach operativer Versorgung der VKB-Ruptur

Alle Tests werden zur Gewöhnung einmal mit jedem Bein durchgeführt. Es erfolgen pro Bein je 2 Testdurchgänge, aus denen für Links und Rechts je ein Mittelwert gebildet wird. Die Abfolge erfolgt randomisiert. Die Mittelwerte dienen zur Untersuchung der Seitensymmetrie von operierter und gesunder Seite [1, 4, 9, 13].

Für die Durchführung des Tests werden eine ebene Fläche mit rutschfreiem Untergrund, ein Maßband (10 m) sowie haltbares Klebeband benötigt. Die Tests sollten in der hier aufgeführten Reihenfolge absolviert werden. Bei allen Sprungtests dürfen die Arme zum Schwungholen oder zur Unterstützung der Balance, jedoch nicht zum Abstützen, eingesetzt werden.

  • Single Hop: Der Patient wird aufgefordert, einen einzelnen einbeinigen Sprung entlang des am Boden befestigten Maßbands zu absolvieren. Absprung und Landung erfolgen mit dem gleichen Bein. Das Diagnosekriterium ist die Sprungdistanz in Zentimetern erfasst am Absprung- und Aufsatzpunkt der Ferse oder Fußspitze.
  • Triple Hop: Der Patient absolviert 3 direkt aufeinanderfolgende Sprünge mit einem Bein entlang des am Boden befestigten Maßbands. Auch hier erfolgen Absprung und Landung mit dem gleichen Bein und das Diagnosekriterium ist die Gesamtdistanz der 3 Sprünge in Zentimetern.
  • Crossover Hop: In dieser Variante springt der Patient ebenfalls 3-mal aufeinanderfolgend mit dem gleichen Bein und landet auf der ipsilateralen Seite. Bei jedem Sprung wird das am Boden befestigte Maßband überkreuzt. Diagnosekriterium ist die Gesamtdistanz in Zentimetern.
  • 6-Meter Timed Hop: Der Proband legt eine 6 m lange Strecke entlang des Maßbands mittels einbeiniger Sprünge zurück. Das Diagnosekriterium ist die Zeit in Sekunden, die für das Zurücklegen der Strecke benötigt wird (Abb. 2).

Sportartspezifische Tests

Sportartspezifische Tests versprechen die Funktion noch realitätsnäher untersuchen zu können. Oftmals bietet die Durchführung komplexer Bewegungsabläufe den Nachteil, dass eine objektive Auswertung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Auf Basis der aktuellen Datenlage gibt es keine sportartspezifischen Tests, die für den klinischen Einsatz als diagnostisches Kriterium für den RTP empfohlen werden können.

Einordnung der Funktions-Assessments in das RTP-
Entscheidungsprozess-Modell

Die bislang beschriebenen Ergebnisse über das funktionale Testen sind ein wichtiger Teilaspekt des RTP-Entscheidungsprozesses. Neben Kriterien wie nicht vorhandenem Hämatom, normaler Patellabeweglichkeit, möglichst fehlendem Patella-Krepitus sowie Schmerzfreiheit während körperlicher Aktivität [1] sind beispielsweise auch die subjektive Einschätzung des Athleten [4] sowie psychische Phänomene, wie die Angst vor bestimmten Bewegungen oder erneuten Verletzungen, zu beachten [9].

Für eine positive RTP-Entscheidung müssen literaturbasiert somit mehrere Kriterien erfüllt sein [16]:

  • 1. Anatomische und funktionelle Wiederherstellung
  • 2. Gewährleistung der Sicherheit des Athleten und anderer Personen im Rahmen des Trainings und Wettkampfs
  • 3. Sportartspezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen (wieder) vorhanden sein
  • 4. Die Person muss psychosozial bereit für den RTP sein.

Unter Beachtung der durch die genannten Faktoren bedingten Ausgangssituation, empfehlen wir die Anwendung des Decision-based RTP-Modells nach Creighton et al. [17] und Matheson et al. [6]. Dieses haben wir, angepasst für den RTP-Prozess nach einer spinalen Fusionsoperation, bereits an anderer Stelle veröffentlicht [18]. Nun modifiziert für den RTP nach operativer Versorgung einer VKB-Ruptur ist das Modell in Abbildung 3 dargestellt.

Wie der Grafik zu entnehmen ist, besteht der Prozess aus 3 ineinander übergehenden Stufen und damit zusammenhängenden, unterschiedlichen Evaluationsinhalten. Konkrete Inhalte und Details sind, den einzelnen Faktoren zugeordnet, rechts dargestellt, sowie durch Beispiele (kursive Schrift) ergänzt. Die medizinischen Faktoren in Stufe 1 beinhalten dabei Untersuchungen zum Gesundheitszustand des Athleten und damit zum Stand des postoperativen Heilungsprozesses. Stufe 2 beschreibt die Erhebung des mit der Sportart einhergehenden Risikos der Partizipation in Sport- und Wettkampfaktivität. Beispielsweise sind hier die Art möglicher Fremdeinwirkungen (Kontaktsportart etc.) relevant. Daraus hervorgehend muss möglicherweise auch das notwendige Ausmaß der Heilung zur RTP-Entscheidung neu bewertet werden. Als präfinaler Schritt wird die Entscheidung vor dem Hintergrund der Adaptationen in Stufe 3 neu bewertet. Auf Basis der oben genannten Informationen kann die definitive RTP Entscheidung getroffen werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Tobias Engeroff

Goethe-Universität

Institut für Sportwissenschaften

Abteilung Sportmedizin

Ginnheimer Landstr. 39

60487 Frankfurt/Main

Engeroff@sport.uni-frankfurt.de

Literatur

1. Barber-Westin SD, Noyes FR. Factors used to determine return to unrestricted sports activities after anterior cruciate ligament reconstruction. Arthroscopy 2011; 27: 1697–1705

2. Schmitt LC, Paterno MV, Hewett TE. The Impact of Quadriceps Femoris Strength Asymmetry on Functional Performance at Return to Sport Following Anterior Cruciate Ligament Reconstruction. J Orthop Sports Phys Ther 2012; 42: 750–759

3. Petersen W, Taheri P, Forkel P, Zantop T. Return to play following ACL reconstruction: a systematic review about strength deficits. Arch Orthop Trauma Surg 2014; 134: 1417–1428

4. Barber-Westin SD, Noyes FR. Objective criteria for return to athletics after anterior cruciate ligament reconstruction and subsequent reinjury rates: a systematic review. Phys Sportsmed 2011; 39: 100–110

5. Henke T, Luig P, Schulz D. Sportunfälle im Vereinssport in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 2014; 57: 628–637

6. Matheson GO, Shultz R, Bido J, Mitten MJ, Meeuwisse WH, Shrier I. Return-to-play decisions: are they the team physician’s responsibility? Clin J Sport Med 2011; 21: 25–30

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