Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie
Cerasorb foam in spinal surgery

Dorothea Daentzer1, Wolf-Dietrich Hübner2

Zusammenfassung

Einleitung und Ziel: Neben der Behandlung von ossären Defekten werden auch im Bereich der spinalen Chirurgie häufig Knochenersatzstoffe als Fusionsmaterial eingesetzt. Beta-Tricalciumphosphat (?-TCP) ist ein synthetisch hergestelltes keramisches Produkt, das in dieser Beobachtungsstudie bei Patienten mit lumbaler Spondylodese erstmals als Cerasorb-Foam-Variante zur Anwendung kam.

Patienten und Methode: Im Rahmen einer prospektiven, nichtinvasiven, offenen, monozentrischen Studie wurden insgesamt 34 Patienten mit Indikation zur instrumentierten lumbalen Spondylodese eingeschlossen. Als Fusionsmaterial kamen autologer Knochen und mit Knochenmark getränktes Cerasorb Foam (85 Gewichts-Prozente phasenreine ?-TCP-Granulate und 15 Gewichts-Prozente porciner Kollagen-Komplex) zum Einsatz. Klinische und röntgenologische Kontrollen erfolgten nach 3 und 12 Monaten mit Erhebung der Schmerzintensität und der funktionellen Beeinträchtigungen sowie deskriptiver Beschreibung der Knochenneubildung und der Resorption der Keramik. Zusätzlich wurden die Länge der schmerzfreien Gehstrecke und Komplikationen erfasst.

Ergebnisse: Die intraoperative Anwendung des Cerasorb
Foam war technisch einfach. Bei keinem der Patienten kam es zu Komplikationen, die mit dem Fusionsmaterial eindeutig zu assoziieren gewesen wären. Eine einzige revisionsbedürftige Wundinfektion lag mit 2,9 % im zu erwartenden Häufigkeitsbereich. Klinisch zeigten sich nach 3 und 12 Monaten stets statistisch signifikante Verbesserungen in Bezug zur Schmerzsituation und dem funktionellen Outcome. Im zeitlichen Verlauf nahmen röntgenologisch die Resorption der posterolateral angelagerten Knochenersatzmaterialanteile und parallel dazu die Knochenneubildung zu.

Schlussfolgerung: Als synthetischer Knochenersatzstoff hat sich Cerasorb Foam im Bereich der lumbalen spinalen Chirurgie bewährt und führt in Kombination mit autogenem Knochenmaterial zuverlässig zur Spondylodese. Zukünftige Studien sind aber notwendig, um das Produkt hinsichtlich seiner fusionsfördernden Eigenschaften auch mit anderen Knochenersatzstoffen vergleichen zu können.

Schlüsselwörter: ?-TCP, Beta-Tricalciumphosphat, Cerasorb,
Cerasorb Foam, Fusion, keramischer Knochenersatz, Lendenwirbelsäule, Spondylodese

Zitierweise
Daentzer D, Hübner WD: Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie.
OUP 2016; 4: 242–248 DOI 10.3238/oup.2016.0242–248

Summary

Introduction and Purpose: Bone substitute materials are often used to treat bone defects and in spinal surgery for fusion. Beta-tricalcium phosphate (?-TCP) is a synthetic product and was used in its Cerasorb Foam variant in this observational study in patients with arthrodesis of the lumbar spine for the first time.

Patients and Methods: This is a prospective, noninvasive, open, single-center study with 34 patients and indication for instrumented arthrodesis of the lumbar spine. For fusion autogenous bone material and with bone marrow aspirate saturated Cerasorb Foam (85 % by weight ? -TCP granules free from phase shift and 15 % by weight porcine collagen complex) were used. Clinical and radiological controls were performed after 3 and 12 months with assessment of pain intensity and functional disability and with description of bone regeneration and resorption of the ceramic. Additionally, walking distance and complications were noted.

Results: Intraoperative use of Cerasorb Foam was technically simple. In no patient any complications had been observed which were clearly associated with the fusion material. The only wound infection which had been required revision surgery was with 2.9 % in expected incidence. Clinically, pain situation and functional outcome showed statistically significant improvement after 3 and 12 months. During follow-up resorption of posterolateral attached bone substitute material increased radiologically as well as and new bone regeneration.

Conclusion: The synthetic bone substitute material Cerasorb Foam has been proven in lumbar spinal surgery and leads in combination with autogenous bone substance to fusion reliably. However, future studies are necessary in order to compare this product to other bone substitute materials in relation to its fusion supporting properties.

Keywords: arthrodesis, ?-TCP, beta-tricalcium phosphate,
ceramic bone replacement, Cerasorb, Cerasorb Foam, fusion, lumbar spine

Citation
Daentzer D, Hübner WD: Cerasorb foam in spinal surgery.
OUP 2016; 4: 242–248 DOI 10.3238/oup.2016.0242–248

Einleitung

Spondylodesen sind häufige Eingriffe in der spinalen Chirurgie, die insbesondere in der Lendenwirbelsäule (LWS) erfolgen. Um eine dauerhafte Stabilität im Sinne einer Fusion erreichen zu können, ist eine Anlagerung von Knochenmaterial an die in der Regel instrumentierten Wirbelsegmente zwingend notwendig. Dafür wird vorzugsweise autologer Knochen verwendet, den man entweder aus der oft zusätzlich durchgeführten Dekompression in Form von kortikospongiösen Stückchen gewinnt, oder während eines zusätzlichen Eingriffs aus dem Beckenkamm als trikortikalen Span und/oder Spongiosa. Damit werden osteokonduktive, -induktive und osteogene Eigenschaften genutzt. Reicht das körpereigene Material nicht aus, stehen allo- und xenogene Knochentransplantate für die Augmentation zur Verfügung. Alternativ sind Knochenersatzstoffe entwickelt worden, die osteokonduktive Eigenschaften aufweisen und synthetischen Ursprungs sind. Dazu gehören Calciumphosphat-Keramiken, die seit über 4 Jahrzehnten erforscht werden [1]. Sie sind nicht toxisch, nicht immunogen, nicht kanzero- oder teratogen und haben eine sehr gute Biokompatibilität. Zum natürlichen Knochenmaterial besteht eine enge chemische und kristallografische Verwandtschaft [1]. Neben Hydroxylapatit- (HA) sind Tricalciumphosphat-Keramiken (TCP) die Hauptvertreter, und sie zeigen eine schnellere Bioabbaubarkeit. Da sich ?-TCP-Keramiken in flüssiger biologischer Umgebung in sehr kleine HA-Teilchen umwandeln und sich im lymphatischen System ablagern können, eignet sich ?-TCP besonders gut als Knochenaufbaumaterial, wobei seine Resorption und die Knochenneubildung gleichzeitig ablaufen [1, 2].

Anwendung findet ?-TCP vor allem in der Unfallchirurgie, Orthopädie und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie zur Auffüllung von Knochendefekten. ?-TCP mit der Bezeichnung „Cerasorb“ wurde insbesondere in der Zahnmedizin untersucht mit ähnlichen Resultaten zum körpereigenen Knochen [3]. Die Substanz steht dabei in Form von Granulaten, Formteilen, als Paste und auch als flexible und modellierbare Schwämme (Foam) zur Verfügung [4]. Im Bereich der Wirbelsäule wird das Material hauptsächlich zur Augmentation des autogenen Knochens als Fusionsmasse benutzt. Vorteile beim Einsatz des ?-TCP als Foam stellen im Gegensatz zum Granulat die Formbarkeit und die feste Einbindung der keramischen Partikel in die Kollagen-Matrix dar. Während bisher nur Breil-Wirth und Jerosch über klinische Erfahrungen bei der Anwendung von ?-TCP als Foam („Cerasorb Ortho Foam“) in der Extremitätenchirurgie berichtet hatten, sind nach Kenntnis der Autoren aber keine Veröffentlichungen beim Einsatz desselben Produkts im Bereich der spinalen Chirurgie erschienen [5, 6]. Deshalb sollen nun erste Erkenntnisse im Rahmen einer prospektiven monozentrischen Beobachtungsstudie an Patienten mit lumbaler Spondylodese präsentiert werden.

Patienten und Methode

Im Rahmen einer von der lokalen Ethik-Kommission genehmigten (Votum vom 06.06.2013, Nr. 6436) prospektiven, nichtinvasiven, offenen, monozentrischen Studie wurden innerhalb eines 2-Jahres-Zeitraums (07/2013 bis 06/2015) insgesamt 34 Patienten eingeschlossen und ausgewertet. Alle Patienten gaben nach ausführlicher schriftlicher Aufklärung ihr Einverständnis zur Teilnahme. 25 Personen waren weiblich (73,5 %) und 9 (26,5 %) männlich, das Durchschnittsalter betrug 58,3 Jahre (20–79 Jahre). Das mittlere Körpergewicht lag bei 79,3 kg (55–111 kg) und die durchschnittliche Körpergröße bei 166,0 cm (148–196 cm). Als häufigste Begleiterkrankungen wurden genannt: arterielle Hypertonie (10-mal), Diabetes mellitus (6-mal), chronisch obstruktive Lungenerkrankung und koronare Herzerkrankung (je 4-mal). Acht Patienten (23,5 %) gaben einen Nikotinabusus an. Bei keinem Teilnehmer war eine Autoimmunerkrankung oder eine Kalziumstoffwechselstörung bekannt. Einschlusskriterien waren degenerative und/oder instabilitätsbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Indikation zur Durchführung einer Spondylodese aufgrund resistenter Beschwerden trotz suffizient ausgeschöpfter konservativer Therapie über mindestens 6 Monate. Die Diagnosen sind Tabelle 1 zu entnehmen. Am häufigsten wurde die untere LWS operiert (L4/5 und L5/S1) (Abb. 1). 22-mal wurde ein Segment in die Fusion eingeschlossen, 7-mal wurden 2 Höhen operiert, 2-mal drei, 2-mal vier und einmal 5 Höhen. Insgesamt wurden 55 Segmente versteift.

Operation

Alle Spondylodesen wurden von dorsal als PLF (postero-lumbale Fusion) (4-mal), PLIF oder TLIF (postero-/transforamiale lumbale interkorporelle Fusion) (27-mal) oder in Kombination beider Verfahren bei mehrsegmentalen Eingriffen (3-mal) durchgeführt. Bei einer Spinalkanalstenose wurden alle komprimierten neuralen Strukturen in Form interlaminärer Fensterungen, Hemilaminektomien oder Laminektomien entlastet.

Als Implantate kamen 2 polyaxiale Pedikelschrauben-Stab-Systeme (XIA, Stryker GmbH & Co.KG, Duisburg; Solera, Medtronic GmbH, Meerbusch) zur Anwendung und bei einer PLIF oder TLIF Cages aus PEEK (Poly-Ether-Ether-Keton) (OIC TL, Stryker GmbH & Co.KG, Duisburg; Crescent, Medtronic GmbH, Meerbusch), die interkorporell platziert wurden. Bei allen Eingriffen wurden die Facettengelenke der adressierten Segmente entknorpelt und die Querfortsätze dekortiziert. Intakt gebliebene Wirbelbögen wurden ebenfalls dorsal angefrischt. Zur Ermöglichung der Spondylodese wurde immer das aus der Dekompression gewonnene, zerkleinerte und von Weichteilgewebe befreite autologe Knochenmaterial verwendet, welches mit in Streifen geschnittenen Schwämmchen von Cerasorb Flexible Foam bzw. Cerasorb Mouldable Foam (curasan AG, Kleinostheim) gemischt worden war (Abb. 2, Tab. 2). Beide Foam-Sorten sind hochporös und bestehen aus einem synthetischen Komposit aus porcinem Kollagen-Komplex (15 Gewichts-Prozente) und phasenreinen ?-TCP-Granulaten (85 Gewichts-Prozente). Dabei ist das Cerasorb Foam in seiner Mouldable-Form knet- und plastisch verformbar und hat eine niedrige Dichte, als Flexible-Ausführung ist es hochelastisch und besitzt eine hohe Dichte [7]. Das Foam-Material wurde immer mit Knochenmarkaspirat getränkt, welches nach Eröffnung der Pedikel vor Setzen der Schrauben gewonnen worden war (Tab. 2). Dieses Gemisch aus autologem Knochen, Cerasorb Foam und Knochenmarkaspirat wurde stets auf die Querfortsätze (posterolateral) angelagert, bei einer PLIF und TLIF zusätzlich interkorporell, und bei intakt gelassenen Wirbelbogenanteilen dorsal. Eine Augmentation mit allo-/xenogenem Knochenmaterial oder BMP (Bone Morphogenetic Protein) fand nicht statt.

Klinische Daten

Alle Patienten erhielten vor dem Eingriff sowie 3 und 12 Monate später Fragebögen, die sie hinsichtlich der Schmerzintensität mittels der Visuellen Analogskala (VAS) für Rücken und Bein und der funktionellen Beeinträchtigungen mit Hilfe des Oswestry-Disability-Index (ODI) und des Roland-Morris-Disability-Questionnaire (RM) ausfüllen sollten. Zusätzlich wurden Angaben zur Länge der schmerzfreien Gehstrecke erhoben. Außerdem wurden im postoperativen Verlauf eingetretene Komplikationen registriert.

Radiologische Auswertung

Die radiologischen Kontrollen erfolgten ausschließlich durch Nativ-Röntgenaufnahmen der LWS in 2 Ebenen (a.p. und seitlich) direkt nach dem Eingriff sowie 3 und 12 Monate postoperativ. Dabei wurden die Knochenneubildung (vollständig; ausgeprägt; mittel; leicht; keine) und die Resorption des Cerasorb (vollständig; teilweise; keine sichtbar) rein deskriptiv anhand der a.p.-Bildgebung zum 3- und 12-Monats-Zeitpunkt beurteilt, indem die posterolaterale Spondylodesestrecke hinsichtlich beider Parameter herangezogen und klassifiziert wurde. Die Bewertung der Resorption des ?-TCP ist deshalb möglich, da sich die Keramikanteile des Foams direkt postoperativ noch sehr echogen darstellen und sie im zeitlichen Verlauf durch ihren osteokonduktiven Effekt mit fortschreitendem Umbau in Knochen und erfolgender Resorption röntgenologisch immer weniger sichtbar werden.

Statistische Analyse

Die Daten aus den Fragebögen (VAS, ODI, RM) wurden hinsichtlich statistisch signifikanter Unterschiede mit dem T-Test für verbundene Stichproben mit einem Signifikanzniveau von p < 0,05 ausgewertet.

Ergebnisse

Nach 3 Monaten konnten 32 der 34 Patienten klinisch und radiologisch ausgewertet werden, nach 12 Monaten noch 31 Teilnehmer.

Fragebögen

Die Entwicklung der Schmerzintensität anhand der VAS für Rücken und Bein während des postoperativen Verlaufs ist in Abb. 3 dargestellt. Zu erkennen ist die jeweils statistisch signifikante Reduktion nach 3 und 12 Monaten. Die Ergebnisse für den ODI und den RM werden grafisch in Abb. 4 präsentiert mit ebenfalls stets statistisch signifikanter Verbesserung der Daten in Bezug auf die funktionellen Beeinträchtigungen im Vergleich zum präoperativen Zeitpunkt.

Gehstrecke

Die Gehstrecke war vor dem Eingriff bei 30 der 34 Patienten auf durchschnittlich 423 m (15–1000 m) eingeschränkt. 3 Monate später gaben 25 Personen schmerzbedingt eine Reduktion der Gehstrecke auf durchschnittlich 618 m (50–1000 m) und nach 12 Monaten auf durchschnittlich 990 m (50–3000 m).

Komplikationen

Intraoperativ traten keine Probleme auf, 2 Patienten zeigten im frühen postoperativen Verlauf Komplikationen mit Revisionsbedürftigkeit (je einmal Cage-Dislokation und infiziertes Hämatom). Eine 3. Teilnehmerin entwickelte einige Tage nach dem Eingriff eine Beinvenenthrombose. Bei einer weiteren Patientin fiel bei der 12-Monats-Kontrolle röntgenologisch eine Lockerung einer Pedikelschraube auf, bei der daraufhin erfolgten Metallentfernung ergab sich kein Nachweis auf eine Pseudarthrose.

Radiologische Auswertung

Die posterolaterale Knochenneubildung nach 3 und 12 Monaten lässt sich Abbildung 5 entnehmen, die Resorption der Keramik Abbildung 6. Es ist zu erkennen, dass sich im zeitlichen Verlauf der synthetische Knochenersatz immer weniger deutlich darstellt, entsprechend einer Zunahme der Resorption, und parallel dazu der Fusionsgrad zunimmt (Abb. 7).

Diskussion

Lange Zeit galt der autologe Beckenkammknochen als Goldstandard-Material für den Einsatz an der Wirbelsäule zum Erreichen einer Spondylodese. Fusionsraten von bis zu 98,9 % bei instrumentierter PLIF wurden damit erzielt [8]. Nachteilig stellten sich aber die Entnahmemorbidität mit Schmerzen und möglichen Komplikationen dar sowie die begrenzte Verfügbarkeit [9]. Dieses waren Gründe, nach alternativen Stoffen zu suchen, die analog zum körpereigenen Knochen zur Fusion führen bzw. diese in Ergänzung zum autogenen Knochen fördern sollten. Ein synthetisch hergestelltes Produkt für diese Zwecke stellt ?-TCP dar, das in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Darreichungsformen existiert [10]. Bei zusätzlicher Beimengung von Knochenmarkaspirat werden die osteokonduktiven Eigenschaften der Keramik mit den osteogenen des Knochenmarks kombiniert.

In etlichen klinischen Serien konnten hohe Fusionsraten beim Einsatz von ? -TCP und autologem Knochen zum Erreichen einer PLF mit Angaben zwischen 85 % und 100 % gezeigt werden [10–15].

Bisher sind erst 2 Untersuchungen mit ?-TCP als Cerasorb-Foam-Variante in der identischen Zusammensetzung, wie sie in der vorgestellten Beobachtungsstudie verwendet worden war (85 Gewichts-Prozente phasenreine ?-TCP-Granulate und 15 Gewichts-Prozente porciner Kollagen-Komplex), zur Auffüllung von Knochendefekten publiziert worden, in denen sich das Produkt im Tiermodell als sehr geeignetes ossäres Ersatzmaterial erwiesen hatte mit hoher Osteokonduktivität und Biokompatibilität [16, 17].

Nach Wissen der Autoren ist die hier präsentierte klinische Fallserie aber die erste, in der Erfahrungen bei der Verwendung von ? -TCP Cerasorb in der Form von Foam für den Einsatz an der LWS als Fusionsmaterial mitgeteilt werden. Bei beiden Varianten („Flexible“ und „Mouldable“) fand sich eine gute Handhabbarkeit, da sich das Foam sowohl vor als auch nach Durchtränken mit Knochenmarkaspirat leicht zerkleinern und in schmale Streifen schneiden ließ. Auch gelang die Platzierung des mit autogenen Knochenstückchen vermischten keramischen Schwamms auf die Querfortsätze oder in den Bandscheibenraum ohne Schwierigkeiten. Klinisch ergaben sich keine Hinweise auf Unverträglichkeiten. Bei einer einzigen Wundinfektion in dieser Serie, die sich am ehesten auf ein infiziertes Hämatom zurückführen ließ, liegt diese mit 2,9 % im unteren Häufigkeitsbereich, der in der Literatur zwischen 0,7 % und 11,9 % angegeben wird [18–20]. Die anderen Komplikationen (Thrombose, Cage-Dislokation) waren nicht auf das verwendete Fusionsmaterial zu beziehen. Beim einzigen Fall einer Pedikelschraubenlockerung wurde zudem intraoperativ bei Nachweis einer soliden Fusion eine Pseudarthrose sicher ausgeschlossen.

Das Verhalten des Cerasorb Foams in Bezug zu seiner Resorption und Knochenneubildung wurde im Rahmen dieser Beobachtungsstudie rein deskriptiv anhand von Röntgenaufnahmen der LWS bewertet. Die Autoren sind sich der eingeschränkten Aussagekraft dieser Methode bewusst, da zur exakteren Bestimmung einer Fusion entweder Computertomografien notwendig sind oder Röntgenaufnahmen in Funktion zur Beurteilung der Stabilität. Die einzige Technik zum sicheren Ausschluss oder gar Nachweis einer Pseudarthrose stellt zudem die Metallentfernung mit intraoperativer Überprüfung der Spondylodese-Strecke auf Festigkeit dar, welche heutzutage aber nur in begründeten Einzelfällen indiziert ist. Trotzdem geben die erhobenen Daten deutliche Hinweise auf die Eigenschaften der synthetischen Keramik im zeitlichen Verlauf. So wurde eine teilweise Resorption des sich im Röntgenbild initial sehr deutlich darstellenden ? -TCP nach 3 Monaten bei 24 Patienten (75,0 %) beschrieben bei zur selben Zeit schon vollständigen in 8 Fällen (25,0 %). Nach 12 Monaten waren nur noch bei 2 Untersuchten (6,5 %) die Keramikanteile teilweise röntgenologisch sichtbar, bei den anderen 29 Patienten (93,5 %) hingegen nicht mehr. Korrespondierend dazu nahm die Knochenneubildung posterolateral der operierten LWS während der Beobachtungszeit kontinuierlich zu. Schon nach 3 Monaten zeigte sich bei den meisten Patienten eine mittlere (n = 8, 25 %) und eine ausgeprägte (n = 11, 34,4 %) Knochenneubildung. Während sie nach 3 Monaten immerhin schon bei 4 Patienten (12,5 %) als vollständig eingestuft worden war, wurde sie nach 12 Monaten bei 12 Teilnehmern (38,7 %) als abgeschlossen bezeichnet, hingegen in 6 Fällen (19,4 %) als ausgeprägt und bei 9 Personen (29,0 %) als mittel. In diesem Kontext muss darauf hingewiesen werden, dass bei ausschließlich deskriptiver Beschreibung einer posterolateralen ossären Konsolidierung unabhängig vom intraoperativ angelagerten Fusionsmaterial regelmäßig beobachtet wird, dass dieses im postoperativen Verlauf zunehmend röntgenologisch weniger erkennbar wird. Ein Beweis für eine Pseudarthrose stellt dieses Phänomen aber nicht dar, und eine eindeutige Korrelation zum klinischen Befund besteht auch nicht [21].

Hinsichtlich des Verlaufs der Schmerzintensität zeigten sich sowohl für die Rücken- als auch Beinbeschwerden zu beiden Kontrollterminen statistisch signifikante Abnahmen mit Reduktion der Schmerzstärke um jeweils etwa die Hälfte der Ausgangswerte. Ähnlich war die Entwicklung der funktionellen Beeinträchtigung, gemessen im ODI und RM. Auch hier waren nach 3 und 12 Monaten stets statistisch signifikant geringere Behinderungen in beiden Scores nachweisbar, wobei die Veränderungen nicht ganz so deutlich ausfielen, wie es zuvor beim Schmerzausmaß erkennbar war. Bei der Interpretation dieser Daten sollte die relativ geringe Fallzahl in dieser Beobachtungsstudie als limitierender Faktor berücksichtigt werden. Außerdem ist zu beachten, dass nicht das gewählte Fusionsmaterial allein das klinische Ergebnis bestimmt, sondern dafür unterschiedliche Faktoren (z.B. Operationsindikation, zugrundeliegende Pathologie, klinische Ausgangssituation, psychosoziale Umstände) verantwortlich sind. Nicht zuletzt besteht auch keine strenge Beziehung zwischen dem Fusionsgrad einer lumbalen Spondylodese und dem klinischen Befund [21].

Als Limitierung des gewählten Studiendesigns können bei fehlender Kontrollgruppe insbesondere in Bezug zu den radiologischen Ergebnissen keine direkten Vergleiche z.B. zu anderen Fusionsmaterialien gezogen werden. Zukünftige Untersuchungen sollten deshalb diesem Ansatz nachgehen, um das Verhalten der hier vorgestellten ?-TCP-Substanz in Konkurrenz zu anderen Materialien wie auto- und allogenem Knochen und insbesondere weiteren Knochenersatzstoffen als Alternativprodukte zum Cerasorb Foam weiter zu analysieren.

Schlussfolgerung

Anhand der aus dieser Beobachtungsstudie gewonnenen Erkenntnisse hat sich die Anwendung des synthetisch hergestellten keramischen Knochenersatzmaterials ?-TCP in der Cerasorb Foam-Variante mit der Beimengung von Knochenmarkaspirat als sehr geeignet zur Augmentation autologen Knochenmaterials zum Erreichen einer lumbalen Spondylodese herausgestellt. Zukünftige Studien sind aber notwendig, um das Produkt hinsichtlich seiner fusionsfördernden Eigenschaften auch mit anderen Knochenersatzstoffen vergleichen zu können.

Danksagungen: Die Autoren danken Frau Yvonne Noll, Frau Melanie Schwermann und Frau Nicole Lange für ihre wertvolle Unterstützung bei der Planung und Organisation der Studie sowie der Datensammlung. Ebenso sind wir Frau Kerstin Baumann dankbar für die Hilfe bei der Datenauswertung.

Finanzielle Unterstützung: Die Studie wurde finanziert von der curasan AG, Lindigstr. 4, 63801 Kleinostheim.

Interessenkonflikt: D. Daentzer gibt keinen Interessenkonflikt an. W.-D. Hübner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fa. curasan AG.

Ethik-Kommission: Diese Studie fand mit Zustimmung der lokalen Ethik-Kommission statt (Votum der Medizinischen Hochschule Hannover vom 06.06.2013, Nr. 6436).

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dorothea Daentzer

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Wirbelsäulendepartment

Diakovere Annastift gGmbH

Anna-von-Borries-Straße 1–7

30625 Hannover

dorothea.daentzer@diakovere.de

Literatur

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4. Cerasorb® M Ortho: Produktbroschüre curasan AG, Kleinostheim, 2013

5. Breil-Wirth A, Jerosch J: Anwendung von Cerasorb Foam in der Orthopädie – eine prospektive Studie. OUP 2014; 3: 608–615

6. Breil-Wirth A, Jerosch J: Keramisches Knochenersatzmaterial in der Orthopädie und Unfallchirurgie: Anwendung von Cerasorb Ortho Foam. Poster auf dem Kongress der NOUV 2015 in Hamburg

7. Cerasorb® Ortho Foam: Produktbroschüre curasan AG, Kleinostheim, 2013

8. Brantigan JW, Steffee AD, Lewis ML, Quinn LM, Persenaire JM: Lumbar interbody fusion using the Brantigan I/F cage for posterior lumbar interbody fusion and the variable pedicle screw placement system: two-year results from a Food and Drug Administration investigational device exemption clinical trial. Spine 2000; 25: 1437–1446

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Fussnoten

1 Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover, Diakovere Annastift gGmbH, Wirbelsäulendepartment

2 curasan AG, 63801 Kleinostheim

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