Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie
Cerasorb foam in spinal surgery

Dorothea Daentzer1, Wolf-Dietrich Hübner2

Zusammenfassung

Einleitung und Ziel: Neben der Behandlung von ossären Defekten werden auch im Bereich der spinalen Chirurgie häufig Knochenersatzstoffe als Fusionsmaterial eingesetzt. Beta-Tricalciumphosphat (?-TCP) ist ein synthetisch hergestelltes keramisches Produkt, das in dieser Beobachtungsstudie bei Patienten mit lumbaler Spondylodese erstmals als Cerasorb-Foam-Variante zur Anwendung kam.

Patienten und Methode: Im Rahmen einer prospektiven, nichtinvasiven, offenen, monozentrischen Studie wurden insgesamt 34 Patienten mit Indikation zur instrumentierten lumbalen Spondylodese eingeschlossen. Als Fusionsmaterial kamen autologer Knochen und mit Knochenmark getränktes Cerasorb Foam (85 Gewichts-Prozente phasenreine ?-TCP-Granulate und 15 Gewichts-Prozente porciner Kollagen-Komplex) zum Einsatz. Klinische und röntgenologische Kontrollen erfolgten nach 3 und 12 Monaten mit Erhebung der Schmerzintensität und der funktionellen Beeinträchtigungen sowie deskriptiver Beschreibung der Knochenneubildung und der Resorption der Keramik. Zusätzlich wurden die Länge der schmerzfreien Gehstrecke und Komplikationen erfasst.

Ergebnisse: Die intraoperative Anwendung des Cerasorb
Foam war technisch einfach. Bei keinem der Patienten kam es zu Komplikationen, die mit dem Fusionsmaterial eindeutig zu assoziieren gewesen wären. Eine einzige revisionsbedürftige Wundinfektion lag mit 2,9 % im zu erwartenden Häufigkeitsbereich. Klinisch zeigten sich nach 3 und 12 Monaten stets statistisch signifikante Verbesserungen in Bezug zur Schmerzsituation und dem funktionellen Outcome. Im zeitlichen Verlauf nahmen röntgenologisch die Resorption der posterolateral angelagerten Knochenersatzmaterialanteile und parallel dazu die Knochenneubildung zu.

Schlussfolgerung: Als synthetischer Knochenersatzstoff hat sich Cerasorb Foam im Bereich der lumbalen spinalen Chirurgie bewährt und führt in Kombination mit autogenem Knochenmaterial zuverlässig zur Spondylodese. Zukünftige Studien sind aber notwendig, um das Produkt hinsichtlich seiner fusionsfördernden Eigenschaften auch mit anderen Knochenersatzstoffen vergleichen zu können.

Schlüsselwörter: ?-TCP, Beta-Tricalciumphosphat, Cerasorb,
Cerasorb Foam, Fusion, keramischer Knochenersatz, Lendenwirbelsäule, Spondylodese

Zitierweise
Daentzer D, Hübner WD: Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie.
OUP 2016; 4: 242–248 DOI 10.3238/oup.2016.0242–248

Summary

Introduction and Purpose: Bone substitute materials are often used to treat bone defects and in spinal surgery for fusion. Beta-tricalcium phosphate (?-TCP) is a synthetic product and was used in its Cerasorb Foam variant in this observational study in patients with arthrodesis of the lumbar spine for the first time.

Patients and Methods: This is a prospective, noninvasive, open, single-center study with 34 patients and indication for instrumented arthrodesis of the lumbar spine. For fusion autogenous bone material and with bone marrow aspirate saturated Cerasorb Foam (85 % by weight ? -TCP granules free from phase shift and 15 % by weight porcine collagen complex) were used. Clinical and radiological controls were performed after 3 and 12 months with assessment of pain intensity and functional disability and with description of bone regeneration and resorption of the ceramic. Additionally, walking distance and complications were noted.

Results: Intraoperative use of Cerasorb Foam was technically simple. In no patient any complications had been observed which were clearly associated with the fusion material. The only wound infection which had been required revision surgery was with 2.9 % in expected incidence. Clinically, pain situation and functional outcome showed statistically significant improvement after 3 and 12 months. During follow-up resorption of posterolateral attached bone substitute material increased radiologically as well as and new bone regeneration.

Conclusion: The synthetic bone substitute material Cerasorb Foam has been proven in lumbar spinal surgery and leads in combination with autogenous bone substance to fusion reliably. However, future studies are necessary in order to compare this product to other bone substitute materials in relation to its fusion supporting properties.

Keywords: arthrodesis, ?-TCP, beta-tricalcium phosphate,
ceramic bone replacement, Cerasorb, Cerasorb Foam, fusion, lumbar spine

Citation
Daentzer D, Hübner WD: Cerasorb foam in spinal surgery.
OUP 2016; 4: 242–248 DOI 10.3238/oup.2016.0242–248

Einleitung

Spondylodesen sind häufige Eingriffe in der spinalen Chirurgie, die insbesondere in der Lendenwirbelsäule (LWS) erfolgen. Um eine dauerhafte Stabilität im Sinne einer Fusion erreichen zu können, ist eine Anlagerung von Knochenmaterial an die in der Regel instrumentierten Wirbelsegmente zwingend notwendig. Dafür wird vorzugsweise autologer Knochen verwendet, den man entweder aus der oft zusätzlich durchgeführten Dekompression in Form von kortikospongiösen Stückchen gewinnt, oder während eines zusätzlichen Eingriffs aus dem Beckenkamm als trikortikalen Span und/oder Spongiosa. Damit werden osteokonduktive, -induktive und osteogene Eigenschaften genutzt. Reicht das körpereigene Material nicht aus, stehen allo- und xenogene Knochentransplantate für die Augmentation zur Verfügung. Alternativ sind Knochenersatzstoffe entwickelt worden, die osteokonduktive Eigenschaften aufweisen und synthetischen Ursprungs sind. Dazu gehören Calciumphosphat-Keramiken, die seit über 4 Jahrzehnten erforscht werden [1]. Sie sind nicht toxisch, nicht immunogen, nicht kanzero- oder teratogen und haben eine sehr gute Biokompatibilität. Zum natürlichen Knochenmaterial besteht eine enge chemische und kristallografische Verwandtschaft [1]. Neben Hydroxylapatit- (HA) sind Tricalciumphosphat-Keramiken (TCP) die Hauptvertreter, und sie zeigen eine schnellere Bioabbaubarkeit. Da sich ?-TCP-Keramiken in flüssiger biologischer Umgebung in sehr kleine HA-Teilchen umwandeln und sich im lymphatischen System ablagern können, eignet sich ?-TCP besonders gut als Knochenaufbaumaterial, wobei seine Resorption und die Knochenneubildung gleichzeitig ablaufen [1, 2].

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