Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie
Cerasorb foam in spinal surgery

Anwendung findet ?-TCP vor allem in der Unfallchirurgie, Orthopädie und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie zur Auffüllung von Knochendefekten. ?-TCP mit der Bezeichnung „Cerasorb“ wurde insbesondere in der Zahnmedizin untersucht mit ähnlichen Resultaten zum körpereigenen Knochen [3]. Die Substanz steht dabei in Form von Granulaten, Formteilen, als Paste und auch als flexible und modellierbare Schwämme (Foam) zur Verfügung [4]. Im Bereich der Wirbelsäule wird das Material hauptsächlich zur Augmentation des autogenen Knochens als Fusionsmasse benutzt. Vorteile beim Einsatz des ?-TCP als Foam stellen im Gegensatz zum Granulat die Formbarkeit und die feste Einbindung der keramischen Partikel in die Kollagen-Matrix dar. Während bisher nur Breil-Wirth und Jerosch über klinische Erfahrungen bei der Anwendung von ?-TCP als Foam („Cerasorb Ortho Foam“) in der Extremitätenchirurgie berichtet hatten, sind nach Kenntnis der Autoren aber keine Veröffentlichungen beim Einsatz desselben Produkts im Bereich der spinalen Chirurgie erschienen [5, 6]. Deshalb sollen nun erste Erkenntnisse im Rahmen einer prospektiven monozentrischen Beobachtungsstudie an Patienten mit lumbaler Spondylodese präsentiert werden.

Patienten und Methode

Im Rahmen einer von der lokalen Ethik-Kommission genehmigten (Votum vom 06.06.2013, Nr. 6436) prospektiven, nichtinvasiven, offenen, monozentrischen Studie wurden innerhalb eines 2-Jahres-Zeitraums (07/2013 bis 06/2015) insgesamt 34 Patienten eingeschlossen und ausgewertet. Alle Patienten gaben nach ausführlicher schriftlicher Aufklärung ihr Einverständnis zur Teilnahme. 25 Personen waren weiblich (73,5 %) und 9 (26,5 %) männlich, das Durchschnittsalter betrug 58,3 Jahre (20–79 Jahre). Das mittlere Körpergewicht lag bei 79,3 kg (55–111 kg) und die durchschnittliche Körpergröße bei 166,0 cm (148–196 cm). Als häufigste Begleiterkrankungen wurden genannt: arterielle Hypertonie (10-mal), Diabetes mellitus (6-mal), chronisch obstruktive Lungenerkrankung und koronare Herzerkrankung (je 4-mal). Acht Patienten (23,5 %) gaben einen Nikotinabusus an. Bei keinem Teilnehmer war eine Autoimmunerkrankung oder eine Kalziumstoffwechselstörung bekannt. Einschlusskriterien waren degenerative und/oder instabilitätsbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Indikation zur Durchführung einer Spondylodese aufgrund resistenter Beschwerden trotz suffizient ausgeschöpfter konservativer Therapie über mindestens 6 Monate. Die Diagnosen sind Tabelle 1 zu entnehmen. Am häufigsten wurde die untere LWS operiert (L4/5 und L5/S1) (Abb. 1). 22-mal wurde ein Segment in die Fusion eingeschlossen, 7-mal wurden 2 Höhen operiert, 2-mal drei, 2-mal vier und einmal 5 Höhen. Insgesamt wurden 55 Segmente versteift.

Operation

Alle Spondylodesen wurden von dorsal als PLF (postero-lumbale Fusion) (4-mal), PLIF oder TLIF (postero-/transforamiale lumbale interkorporelle Fusion) (27-mal) oder in Kombination beider Verfahren bei mehrsegmentalen Eingriffen (3-mal) durchgeführt. Bei einer Spinalkanalstenose wurden alle komprimierten neuralen Strukturen in Form interlaminärer Fensterungen, Hemilaminektomien oder Laminektomien entlastet.

Als Implantate kamen 2 polyaxiale Pedikelschrauben-Stab-Systeme (XIA, Stryker GmbH & Co.KG, Duisburg; Solera, Medtronic GmbH, Meerbusch) zur Anwendung und bei einer PLIF oder TLIF Cages aus PEEK (Poly-Ether-Ether-Keton) (OIC TL, Stryker GmbH & Co.KG, Duisburg; Crescent, Medtronic GmbH, Meerbusch), die interkorporell platziert wurden. Bei allen Eingriffen wurden die Facettengelenke der adressierten Segmente entknorpelt und die Querfortsätze dekortiziert. Intakt gebliebene Wirbelbögen wurden ebenfalls dorsal angefrischt. Zur Ermöglichung der Spondylodese wurde immer das aus der Dekompression gewonnene, zerkleinerte und von Weichteilgewebe befreite autologe Knochenmaterial verwendet, welches mit in Streifen geschnittenen Schwämmchen von Cerasorb Flexible Foam bzw. Cerasorb Mouldable Foam (curasan AG, Kleinostheim) gemischt worden war (Abb. 2, Tab. 2). Beide Foam-Sorten sind hochporös und bestehen aus einem synthetischen Komposit aus porcinem Kollagen-Komplex (15 Gewichts-Prozente) und phasenreinen ?-TCP-Granulaten (85 Gewichts-Prozente). Dabei ist das Cerasorb Foam in seiner Mouldable-Form knet- und plastisch verformbar und hat eine niedrige Dichte, als Flexible-Ausführung ist es hochelastisch und besitzt eine hohe Dichte [7]. Das Foam-Material wurde immer mit Knochenmarkaspirat getränkt, welches nach Eröffnung der Pedikel vor Setzen der Schrauben gewonnen worden war (Tab. 2). Dieses Gemisch aus autologem Knochen, Cerasorb Foam und Knochenmarkaspirat wurde stets auf die Querfortsätze (posterolateral) angelagert, bei einer PLIF und TLIF zusätzlich interkorporell, und bei intakt gelassenen Wirbelbogenanteilen dorsal. Eine Augmentation mit allo-/xenogenem Knochenmaterial oder BMP (Bone Morphogenetic Protein) fand nicht statt.

Klinische Daten

Alle Patienten erhielten vor dem Eingriff sowie 3 und 12 Monate später Fragebögen, die sie hinsichtlich der Schmerzintensität mittels der Visuellen Analogskala (VAS) für Rücken und Bein und der funktionellen Beeinträchtigungen mit Hilfe des Oswestry-Disability-Index (ODI) und des Roland-Morris-Disability-Questionnaire (RM) ausfüllen sollten. Zusätzlich wurden Angaben zur Länge der schmerzfreien Gehstrecke erhoben. Außerdem wurden im postoperativen Verlauf eingetretene Komplikationen registriert.

Radiologische Auswertung

Die radiologischen Kontrollen erfolgten ausschließlich durch Nativ-Röntgenaufnahmen der LWS in 2 Ebenen (a.p. und seitlich) direkt nach dem Eingriff sowie 3 und 12 Monate postoperativ. Dabei wurden die Knochenneubildung (vollständig; ausgeprägt; mittel; leicht; keine) und die Resorption des Cerasorb (vollständig; teilweise; keine sichtbar) rein deskriptiv anhand der a.p.-Bildgebung zum 3- und 12-Monats-Zeitpunkt beurteilt, indem die posterolaterale Spondylodesestrecke hinsichtlich beider Parameter herangezogen und klassifiziert wurde. Die Bewertung der Resorption des ?-TCP ist deshalb möglich, da sich die Keramikanteile des Foams direkt postoperativ noch sehr echogen darstellen und sie im zeitlichen Verlauf durch ihren osteokonduktiven Effekt mit fortschreitendem Umbau in Knochen und erfolgender Resorption röntgenologisch immer weniger sichtbar werden.

Statistische Analyse

Die Daten aus den Fragebögen (VAS, ODI, RM) wurden hinsichtlich statistisch signifikanter Unterschiede mit dem T-Test für verbundene Stichproben mit einem Signifikanzniveau von p < 0,05 ausgewertet.

Ergebnisse

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