Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Anwendung von Cerasorb Foam in der Wirbelsäulenchirurgie
Cerasorb foam in spinal surgery

Nach 3 Monaten konnten 32 der 34 Patienten klinisch und radiologisch ausgewertet werden, nach 12 Monaten noch 31 Teilnehmer.

Fragebögen

Die Entwicklung der Schmerzintensität anhand der VAS für Rücken und Bein während des postoperativen Verlaufs ist in Abb. 3 dargestellt. Zu erkennen ist die jeweils statistisch signifikante Reduktion nach 3 und 12 Monaten. Die Ergebnisse für den ODI und den RM werden grafisch in Abb. 4 präsentiert mit ebenfalls stets statistisch signifikanter Verbesserung der Daten in Bezug auf die funktionellen Beeinträchtigungen im Vergleich zum präoperativen Zeitpunkt.

Gehstrecke

Die Gehstrecke war vor dem Eingriff bei 30 der 34 Patienten auf durchschnittlich 423 m (15–1000 m) eingeschränkt. 3 Monate später gaben 25 Personen schmerzbedingt eine Reduktion der Gehstrecke auf durchschnittlich 618 m (50–1000 m) und nach 12 Monaten auf durchschnittlich 990 m (50–3000 m).

Komplikationen

Intraoperativ traten keine Probleme auf, 2 Patienten zeigten im frühen postoperativen Verlauf Komplikationen mit Revisionsbedürftigkeit (je einmal Cage-Dislokation und infiziertes Hämatom). Eine 3. Teilnehmerin entwickelte einige Tage nach dem Eingriff eine Beinvenenthrombose. Bei einer weiteren Patientin fiel bei der 12-Monats-Kontrolle röntgenologisch eine Lockerung einer Pedikelschraube auf, bei der daraufhin erfolgten Metallentfernung ergab sich kein Nachweis auf eine Pseudarthrose.

Radiologische Auswertung

Die posterolaterale Knochenneubildung nach 3 und 12 Monaten lässt sich Abbildung 5 entnehmen, die Resorption der Keramik Abbildung 6. Es ist zu erkennen, dass sich im zeitlichen Verlauf der synthetische Knochenersatz immer weniger deutlich darstellt, entsprechend einer Zunahme der Resorption, und parallel dazu der Fusionsgrad zunimmt (Abb. 7).

Diskussion

Lange Zeit galt der autologe Beckenkammknochen als Goldstandard-Material für den Einsatz an der Wirbelsäule zum Erreichen einer Spondylodese. Fusionsraten von bis zu 98,9 % bei instrumentierter PLIF wurden damit erzielt [8]. Nachteilig stellten sich aber die Entnahmemorbidität mit Schmerzen und möglichen Komplikationen dar sowie die begrenzte Verfügbarkeit [9]. Dieses waren Gründe, nach alternativen Stoffen zu suchen, die analog zum körpereigenen Knochen zur Fusion führen bzw. diese in Ergänzung zum autogenen Knochen fördern sollten. Ein synthetisch hergestelltes Produkt für diese Zwecke stellt ?-TCP dar, das in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Darreichungsformen existiert [10]. Bei zusätzlicher Beimengung von Knochenmarkaspirat werden die osteokonduktiven Eigenschaften der Keramik mit den osteogenen des Knochenmarks kombiniert.

In etlichen klinischen Serien konnten hohe Fusionsraten beim Einsatz von ? -TCP und autologem Knochen zum Erreichen einer PLF mit Angaben zwischen 85 % und 100 % gezeigt werden [10–15].

Bisher sind erst 2 Untersuchungen mit ?-TCP als Cerasorb-Foam-Variante in der identischen Zusammensetzung, wie sie in der vorgestellten Beobachtungsstudie verwendet worden war (85 Gewichts-Prozente phasenreine ?-TCP-Granulate und 15 Gewichts-Prozente porciner Kollagen-Komplex), zur Auffüllung von Knochendefekten publiziert worden, in denen sich das Produkt im Tiermodell als sehr geeignetes ossäres Ersatzmaterial erwiesen hatte mit hoher Osteokonduktivität und Biokompatibilität [16, 17].

Nach Wissen der Autoren ist die hier präsentierte klinische Fallserie aber die erste, in der Erfahrungen bei der Verwendung von ? -TCP Cerasorb in der Form von Foam für den Einsatz an der LWS als Fusionsmaterial mitgeteilt werden. Bei beiden Varianten („Flexible“ und „Mouldable“) fand sich eine gute Handhabbarkeit, da sich das Foam sowohl vor als auch nach Durchtränken mit Knochenmarkaspirat leicht zerkleinern und in schmale Streifen schneiden ließ. Auch gelang die Platzierung des mit autogenen Knochenstückchen vermischten keramischen Schwamms auf die Querfortsätze oder in den Bandscheibenraum ohne Schwierigkeiten. Klinisch ergaben sich keine Hinweise auf Unverträglichkeiten. Bei einer einzigen Wundinfektion in dieser Serie, die sich am ehesten auf ein infiziertes Hämatom zurückführen ließ, liegt diese mit 2,9 % im unteren Häufigkeitsbereich, der in der Literatur zwischen 0,7 % und 11,9 % angegeben wird [18–20]. Die anderen Komplikationen (Thrombose, Cage-Dislokation) waren nicht auf das verwendete Fusionsmaterial zu beziehen. Beim einzigen Fall einer Pedikelschraubenlockerung wurde zudem intraoperativ bei Nachweis einer soliden Fusion eine Pseudarthrose sicher ausgeschlossen.

Das Verhalten des Cerasorb Foams in Bezug zu seiner Resorption und Knochenneubildung wurde im Rahmen dieser Beobachtungsstudie rein deskriptiv anhand von Röntgenaufnahmen der LWS bewertet. Die Autoren sind sich der eingeschränkten Aussagekraft dieser Methode bewusst, da zur exakteren Bestimmung einer Fusion entweder Computertomografien notwendig sind oder Röntgenaufnahmen in Funktion zur Beurteilung der Stabilität. Die einzige Technik zum sicheren Ausschluss oder gar Nachweis einer Pseudarthrose stellt zudem die Metallentfernung mit intraoperativer Überprüfung der Spondylodese-Strecke auf Festigkeit dar, welche heutzutage aber nur in begründeten Einzelfällen indiziert ist. Trotzdem geben die erhobenen Daten deutliche Hinweise auf die Eigenschaften der synthetischen Keramik im zeitlichen Verlauf. So wurde eine teilweise Resorption des sich im Röntgenbild initial sehr deutlich darstellenden ? -TCP nach 3 Monaten bei 24 Patienten (75,0 %) beschrieben bei zur selben Zeit schon vollständigen in 8 Fällen (25,0 %). Nach 12 Monaten waren nur noch bei 2 Untersuchten (6,5 %) die Keramikanteile teilweise röntgenologisch sichtbar, bei den anderen 29 Patienten (93,5 %) hingegen nicht mehr. Korrespondierend dazu nahm die Knochenneubildung posterolateral der operierten LWS während der Beobachtungszeit kontinuierlich zu. Schon nach 3 Monaten zeigte sich bei den meisten Patienten eine mittlere (n = 8, 25 %) und eine ausgeprägte (n = 11, 34,4 %) Knochenneubildung. Während sie nach 3 Monaten immerhin schon bei 4 Patienten (12,5 %) als vollständig eingestuft worden war, wurde sie nach 12 Monaten bei 12 Teilnehmern (38,7 %) als abgeschlossen bezeichnet, hingegen in 6 Fällen (19,4 %) als ausgeprägt und bei 9 Personen (29,0 %) als mittel. In diesem Kontext muss darauf hingewiesen werden, dass bei ausschließlich deskriptiver Beschreibung einer posterolateralen ossären Konsolidierung unabhängig vom intraoperativ angelagerten Fusionsmaterial regelmäßig beobachtet wird, dass dieses im postoperativen Verlauf zunehmend röntgenologisch weniger erkennbar wird. Ein Beweis für eine Pseudarthrose stellt dieses Phänomen aber nicht dar, und eine eindeutige Korrelation zum klinischen Befund besteht auch nicht [21].

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