Übersichtsarbeiten - OUP 11/2012

Behandlungsalgorithmen der chronischen Osteomyelitis

G. Walter1, M. Kemmerer1, C. Kappler1, R. Hoffmann1

Hintergrund: Die Osteomyelitis ist eine seit langem
bekannte, aber immer noch kontrovers diskutierte Erkrankung. Infolge der demografischen Entwicklung ist künftig mit einem Anstieg der exogen erworbenen Form zu rechnen. Es werden das klinisch relevante, pathophysiologische Modell der Biofilmbildung dargestellt und davon ausgehend die aktuellen therapeutischen Ansätze abgeleitet.

Methoden: In den Datenbanken PubMed und Cochrane-
Library wurde eine selektive Literaturrecherche durchgeführt. Gesucht wurden lokale und systemische Antibiotika sowie chirurgische Verfahren zur Behandlung der chronischen
Osteomyelitis. Die Biofilmtheorie wird anhand der aktuellen Literatur erläutert.

Ergebnisse: Weder über die Definition noch über die
Diagnosekriterien des Krankheitsbildes besteht bisher Konsens. Die publizierten Arbeiten sind untereinander kaum
vergleichbar, und es fehlen evidenzbasierte Übersichten zur Therapie. Die Behandlungsempfehlungen beruhen deshalb auf den Ergebnissen einzelner Studien und den aktuellen Lehrbüchern. Es wird zwischen einem kurativen und einem
palliativen Behandlungsansatz unterschieden. Für beide Vorgehensweisen ist derzeit die chirurgische Therapie die
wesentliche Maßnahme. Additiv ist eine antibiotische Behandlung erforderlich, die sich nach der Empfindlichkeit des Erregerspektrums richten muss.

Schlussfolgerung: Eine kombinierte chirurgische und
antiinfektive chemotherapeutische Behandlung führt bei 70–90% der Patienten zu einer anhaltenden Infektberuhigung. Zur Eradikation von Biofilm-produzierenden Erregern fehlen derzeit geeignete Antibiotika.

Schlüsselwörter: Chronische Osteomyelitis, Biofilm, chirurgische Therapie, additive Antibiotikatherapie, Infektberuhigung

Background: Osteomyelitis was described many years ago but is still incompletely understood. Its exogenously
acquired form is likely to become more common as the population ages. We discuss biofilm formation as a clinically relevant pathophysiological model and present current
recommendations for the treatment of osteomyelitis.

Methods: We selectively searched the PubMed and Cochrane databases for articles on the treatment of chronic osteomyelitis with local and systemic antibiotics and with surgery. The biofilm hypothesis is discussed in the light of the current literature.

Results: There is still no consensus on either the definition of osteomyelitis or the criteria for its diagnosis. Most of the published studies cannot be compared with one another, and there is a lack of scientific evidence to guide treatment. The therapeutic recommendations are, therefore, based on the findings of individual studies and on current textbooks. There are two approaches to treatment, with either curative or palliative intent; surgery is now the most important treatment modality in both. In addition to surgery, antibiotics must also be given, with the choice of agent determined by the sensitivity spectrum of the pathogen.

Conclusion: Surgery combined with anti-infective chemotherapy leads to long-lasting containment of infection in 70–90% of cases. Suitable drugs are not yet available for the eradication of biofilm-producing bacteria.

Keywords: chronic osteomyelitis, biofilm, surgical therapy, additive antibiotic therapy, remission of osteomyelitis

Infektiöse Erkrankungen des Skelettsystems sind bereits aus der Frühphase der menschlichen Entwicklung bekannt. Zeichen einer abgelaufenen Osteomyelitis findet man in hominiden Fossilien (Australopithecus africanus), die Symptome werden schon in den ältesten medizinischen Texten beschrieben (Edwin Smith Papyrus) [1–3].

Dennoch gelang es bis heute nicht, verbindliche Kriterien festzulegen, die eine sichere Diagnose erlauben. Ein Vergleich verschiedener Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist deshalb kaum möglich, evidenzbasierte Ergebnisse gibt es wenige. Ursächlich liegt dies am wichtigsten Charakteristikum: dem ausgesprochenen Symptomreichtum, mit dem sich die chronische Osteomyelitis (COM) manifestieren kann. Sie erschwert eine systematische Beschreibung, sie überrascht selbst erfahrene Behandler mit immer wieder neuen und unvorhersehbaren Verläufen [4–6].

Das klinische Erscheinungsbild der COM hat sich in den letzten 70 Jahren deutlich verändert. Mit der Einführung der Antibiotika schien sie zunächst ihre Schrecken zu verlieren. So konnte die hämatogene Osteomyelitis in den Industrieländern nahezu vollständig zurückgedrängt werden [7].

Die posttraumatisch-postoperativ erworbene Form nimmt hingegen zu. Durch die Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung und die wachsende Zahl chirurgisch-orthopädischer Implantate wird in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg gerechnet [8, 9]. Es sollen deshalb die derzeitigen Behandlungskonzepte im Überblick dargestellt und erklärt werden.

Methoden

In den Datenbanken PubMed und Cochrane Library wurde eine selektive Literaturrecherche zu Behandlungsalgorithmen der chronischen Osteomyelitis durchgeführt. Nach deutschsprachigen Publikationen wurde in den Datenbanken des Springer- und Thieme-Verlags sowie in aktuellen Lehrbüchern der septischen Chirurgie gesucht.

Die Cochrane Datenbank enthält bisher eine Übersicht zur medikamentösen Therapie der chronischen Osteomyelitis [10].

Eine Abfrage der PubMed-Bibliothek mit dem Term ((“chronic osteomyelitis” OR “bone infection” OR “chronic osteitis”) and therapy) AND systematic(sb) ergab 15 Übersichten. 8 Publikationen erschienen für das Thema relevant und wurden ausgewertet [10–17]. Gesucht wurden lokale und systemische Antibiotika sowie chirurgische Verfahren zur Behandlung der chronischen Osteomyelitis. Die Biofilmtheorie wird anhand der aktuellen Literatur erläutert.

Epidemiologie

Frustran behandelte akute Infektkomplikationen stellen die häufigste Ursache der chronischen Osteomyelitis in den entwickelten Ländern dar [18]. Sie treten in der elektiven Unfallchirurgie in 1–5% nach geschlossenen und – in Abhängigkeit vom Schweregrad – in 3–50% nach erst- bis drittgradig offenen Frakturen auf [19]. Insgesamt kommt es bei 5% der traumatologisch/orthopädischen Implantate im Laufe ihrer Standzeit zu Infektkomplikationen [20].

In der primären Endoprothetik ist nach Hüft- und Kniegelenkersatz mit 0,5–2% Frühinfektionen zu rechnen. Bei aseptischen Wechseloperationen treten 5% tiefe Infektionen auf, nach septischen Revisionseingriffen steigt der Wert über 20% an [21].

Bei 10–30% der Patienten geht die akute Osteitis in ein chronisches Stadium über [18].

Definition

Der Begriff „Osteomyelitis“ bezeichnet die Infektion des Knochenmarks, der Begriff „Osteitis“ beschreibt eine Beteiligung des gesamten Organs einschließlich der Kortikalis. Im angloamerikanischen Sprachraum wird der Terminus „osteomyelitis“ bevorzugt verwendet und synonym eingesetzt.

Eine allgemein anerkannte, interdisziplinär akzeptierte Klassifikation der Osteitis gibt es bisher nicht [6, 7, 18, 22]. In der klinischen Praxis bewährt es sich, zwischen einer endogenen und einer exogenen Form zu unterscheiden. Erstere ist durch die hämatogene Aussaat von einem manifestationsfernen Focus verursacht, in der Regel mono-mikrobiell, und macht etwa 20% der Erkrankungen aus [7, 23]. Sie wird primär konservativ behandelt [23, 24].

Bei der exogenen Form werden die Erreger traumatisch oder interventionell direkt inokuliert, weshalb sich häufig ein polymikrobielles Spektrum findet. Die Therapie erfolgt in erster Linie chirurgisch [7].

Die Einteilung geht auf einen Vorschlag von Lew und Waldvogel zurück, die noch eine dritte, ischämische Form abgrenzten [25]. Sie findet sich am häufigsten am diabetischen Fuß, der Verlauf ist nach Besserung der Durchblutungssituation nach eigener Erfahrung nicht grundsätzlich different zur exogenen Osteitis.

Eine akute Infektion manifestiert sich in der Regel in den ersten 2 Wochen nach der Keiminokulation. Eine chronische Osteomyelitis wird mehrere Wochen bis Monate nach der Infektion symptomatisch. Eine genaue zeitliche Abgrenzung beider Formen ist nicht möglich, sie unterscheiden sich jedoch durch avitales Knochengewebe und wirtsseitige reparative Reaktionen („Totenlade“, „Involucrum“ (s. Glossar)), die nur bei der chronischen Form gefunden werden [7].

Pathophysiologie

Die posttraumatische und postoperative Osteitis spielt im klinischen Alltag in den Industrieländern mit Abstand die wichtigste Rolle und macht 80% der Knocheninfektionen aus. Etwa 10–30% der akuten Form chronifizieren [18]. Lokale und systemische Risikofaktoren (RF) wirken prädisponierend (s. Kasten Risikofaktoren) [e1, e2].

Die chronische Osteomyelitis ist eine schwer zu behandelnde Erkrankung, die durch häufige Rezidive gekennzeichnet ist. Sie manifestiert sich, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Virulenz und Menge der inokulierten Bakterien und der Abwehrkraft des Wirtes eintritt [e3]. Das pathophysiologische Verständnis hat sich durch das Biofilmmodell erheblich verbessert, lassen sich damit doch die vielfältige Symptomatik und der wechselhafte Verlauf erklären.

Voraussetzung zur Bildung von Biofilm (s. Glossar) sind avitales Gewebe und nekrotischer Knochen, die als Fremdkörper wirken und von Bakterien besetzt werden. Die Keime bilden dort zunächst flächenhafte Kolonien, die sich zu einer 3-dimensionalen Struktur vermehren. Sie kommunizieren über Chemosignale, die als Autoinduktoren wirken und ein koordiniertes Verhalten sowohl Art-intern als auch Art-übergreifend erlauben („quorum sensing“ (s. Glossar)) [e4, e5]. Diese Matrix bietet den Bakterien Schutz vor mechanischen Einflüssen und erschwert die Penetration von Antibiotika, körpereigenen Abwehrzellen sowie Antikörpern im Sinne einer Diffusionsbarriere. Die Erreger wechseln von einer planktonischen Phase (s. Glossar) mit hoher Stoffwechselrate und rascher Vermehrung in eine sessile Form (s. Glossar) mit stark reduziertem Metabolismus und verlangsamten biologischen Reaktionen. Dadurch kann sich ihre Empfindlichkeit auf Antibiotika um den Faktor 103 reduzieren [e6].

Die körpereigene Immunabwehr wird von einem Sequester (s. Glossar) in ähnlicher Weise gehemmt wie durch das Implantat bei der Fremdkörper-assoziierten Infektion. Neutrophile Granulozyten können Biofilm schlecht penetrieren und dabei ihre Phagozytose-Fähigkeit verlieren. Es kommt zu einer Apoptose mit überschießender Komplementaktivierung, Freisetzung von Radikalen und Proteasen, folglich zu einem lokalen Immundefizit.

In den unteren Schichten des Biofilms herrschen anaerobe Verhältnisse, wodurch die Wachstumsrate und metabolische Aktivität der Erreger massiv reduziert wird. Sogenannte „persister“, Stoffwechsel-inaktive Keimpopulationen, sind gegenüber Antibiotika weitgehend unempfindlich. Sie können nach Beendigung der Behandlung in einen aktiven Modus zurückkehren und dann Resistenz gegen die ursprünglich verabreichten Antiinfektiva aufweisen [e7].

Ein Wechsel von der sessilen wieder in die planktonische Phase ist möglich, wodurch klinisch ein lokales oder systemisches Infektrezidiv ausgelöst werden kann. Die Biofilmpopulation wirkt somit als dauerhafte Quelle virulenter Erreger, selbst unempfindlich gegen das körpereigene Immunsystem und applizierte Antibiotika. Die sicherste Behandlung ist deshalb zurzeit die chirurgische Entfernung des Biofilm tragenden Sequesters [5].

Das stark vereinfacht dargestellte Modell (s. Abb. 2) muss noch im Detail durch In-vivo-Untersuchungen belegt werden. Viele Steuerungsprozesse der Biofilmbildung sind noch nicht geklärt. Das Modell bildet die Klinik einer chronisch rezidivierenden Erkrankung jedoch bisher am besten ab und zeigt Ansatzpunkte für eine rationale Therapie [e6, e8–e12]. Eine weitere Ursache chronischer Infektionen sind langsam wachsende Erreger, die sogenannte „small colony variants“ (scv) bilden und schwer nachzuweisen sind. Sie können Nicht-Phagozytose-fähige Zellen penetrieren, wo sie intrazellulär überdauern und unempfindlich auf die derzeit verfügbaren Antibiotika sind [e13, e14].

Keimspektrum

Staphylococcus aureus und Koagulase-negative Staphylokokken finden sich in etwa 75% als Ursache einer chronischen Osteomyelitis. In abnehmender Häufigkeit und in Abhängigkeit der Disposition lassen sich Streptokokken, gramnegative Erreger (Enterobakterien, Pseudomonaden) und Anaerobier nachweisen, selten sind Mykobakterien und Pilze. Allen gemeinsam ist die Potenz, Biofilm zu bilden [5, 7, 25, e2].

Diagnose

Das Krankheitsbild ist bisher nicht einheitlich definiert, weshalb viele Autoren eigene Kriterien festlegen. Ein Vergleich differenter Untersuchungs- und Behandlungsansätze ist deshalb kaum möglich [6]. Die Diagnose der COM wird umso wahrscheinlicher, je mehr Punkte eines Scores erfüllt sind, der klinische, laborchemische, bildgebende, mikrobiologische und pathohistologische Parameter berücksichtigt. Zu Einzelheiten wird auf die kürzlich publizierte Arbeit von Schmidt et al. verwiesen, die ausführlich auf die Bewertung der Befunde eingeht [6].

Anamnese und klinischer Untersuchungsbefund geben wesentliche Hinweise auf die Diagnose. Die Symptome der chronischen Osteitis sind in vielen Fällen diskret und die klassischen Infektzeichen fehlen. Bei hochbetagten, immunsupprimierten oder an einer Polyneuropathie leidenden Patienten findet man oft nur eine Mono- oder Oligosymptomatik [6]. Relativ häufig wird über rezidivierende, dumpfe Schmerzen geklagt, pathognomonisch ist eine Fistel mit Verbindung zum Knochen, aus der sich putrides Sekret entleert. Spätfolgen sind Implantatlockerung, Implantatversagen, pathologische Fraktur und – selten – ein Fistelkarzinom [18]. Die Infektparameter im Serum können im Normbereich liegen [e15].

Zur Basisdiagnostik sind eine detaillierte Anamnese und klinische Untersuchung, Laborwerte (Blutbild, C-reaktives Protein) und Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen erforderlich. Radiologisch charakteristisch ist das „bunte Bild“ mit Osteolysen und Destruktionen neben Sklerosezonen und periostalen Appositionen [6] (Abb. 1). Zur weiterführenden Abklärung wird bei fehlenden Kontraindikationen ein Kernspintomogramm mit Kontrastmittel angefertigt [e16]. Vor Einleitung einer Antibiotikatherapie sollten tiefe Gewebeproben zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden [22].

Therapie

Chirurgisch

Evidenzbasierte Leitlinien zur Behandlung der chronischen Osteomyelitis sind bisher nicht verfügbar. Prinzipiell kann zwischen einem palliativen und einem kurativen Behandlungsansatz unterschieden werden. Es muss deshalb interdisziplinär geprüft werden, welche Maßnahmen dem Patienten zugemutet werden können (s. Abb. 2). Seine Lebensqualität darf durch die Behandlung nicht reduziert, sondern sollte verbessert werden. Radikale Segmentresektionen (s. Glossar), die Explantation von Endoprothesen an Hüft- und Kniegelenk sind ebenso wie Major-Amputationen belastende Eingriffe, die trotz schonender Operationstechnik und optimaler Narkoseführung mit einem hohen Risiko verbunden sein können [21, e17].

Der kurative Behandlungsansatz der chronischen Osteomyelitis hat folgende Ziele:

Infektberuhigung

Schmerzreduktion

Gliedmaßen- und Funktionserhalt.

Bleibt die Behandlung erfolglos, so drohen lokale und systemische Infektrezidive bis zur Sepsis mit Multiorganversagen. Analgetika-Abhängigkeit und Missbrauch führen zu privater und beruflicher Desintegration. Hochbetagte können den Funktionsverlust einer Gliedmaße oft nicht mehr kompensieren, sie werden pflegebedürftig.

Entscheidet man sich für ein kuratives Vorgehen, sind im Sinne eines „oncologic approach“ radikale chirurgische Knochen- und Weichteilresektionen im Gesunden erforderlich [4, e18]. Sämtliche Fremdkörper, auch abgebrochene Schrauben, Bohrer, Zerklagen und Zementreste werden entfernt, ebenso alle Implantate, die als Biofilm-Träger in Betracht kommen. Bei einer Markrauminfektion sind eine Aufbohrung und Spülung anzustreben, um avitales, infiziertes Gewebe aus der Markhöhle zu entfernen [e19]. Die Absetzungsränder müssen so vital und durchblutet sein, dass sie ein Transplantat aufnehmen beziehungsweise in einer Andockzone konsolidieren können. Für die Festlegung der Resektionsgrenzen gibt es keine objektiven Kriterien, sie unterliegen der Entscheidung des Chirurgen [e20].

Das Vorgehen gliedert sich in 4 Schritte [e21]:

Radikale Sequestrektomie

Totraummanagement

plastische Weichteilrekonstruktion

Wiederherstellung der Knochenstabilität

Die Größe der entstehenden Defekte bleibt zunächst unberücksichtigt, lediglich versorgende Gefäße und Nerven sind zu schonen. Die Radikalität des Eingriffes entscheidet über den weiteren Verlauf. Wesentlich ist das Management des Totraumes, der unversorgt zu einem frühen Infektrezidiv führen kann. Am Knochen hat sich die Implantation von PMMA-Ketten (s. Glossar) bewährt, auch Palacos-Platzhalter mit oder ohne Antibiotikazusatz sind geeignet.

Als temporärer Weichteileratz steht die Vakuumokklusion zur Konditionierung des Transplantatlagers zur Verfügung. Tritt klinisch und laborchemisch eine Infektberuhigung ein, so erfolgt 6–8 Tage später der definitive Weichteilverschluss mittels lokalem, freiem faszio-kutanem oder freiem Muskellappen. Nach dessen Einheilung sind die Voraussetzungen geschaffen, um eine definitive Stabilisierung durchführen zu können. Bei segmentalen Defekten über 3–4 cm Länge kommen die Durchführung eines Segmenttransportes in der Technik nach Ilizarov oder eines vaskulär gestielten Knochentransplantates zum Einsatz [e22–e24]. Möglicherweise vereinfacht in Zukunft der Einsatz von bone morphogenetic proteins (BMP) (s. Glossar) die ossäre Rekonstruktion [e25]. Bei kleineren oder Halbschalen-Defekten (s. Glossar) ist oft eine autologe Spongiosaplastik ausreichend.

Für ein erfolgreiches Management der COM ist eine interdisziplinäre Behandlung mit enger Zusammenarbeit zwischen Unfallchirurgen/Orthopäden, plastischen Chirurgen, Radiologen, Mikrobiologen und Anästhesisten unerlässlich. Häufig müssen zusätzlich Gefäßchirurgen und Internisten hinzugezogen werden. Während der kritischen Behandlungsphasen sind engmaschige Befundkontrollen durch den Verantwortlichen erforderlich, der die Eingriffe auch alle selbst vornehmen oder assistieren sollte. Diese Kontinuität ist am ehesten in Abteilungen gewährleistet, die personell und finanziell für aufwendige Komplexbehandlungen eingerichtet wurden. Die Erfolgsraten liegen dann zwischen 70–95% [e19].

Gelingen eine anhaltende Infektberuhigung und Stabilisierung, so ist in der Regel keine Dauermedikation erforderlich. Dennoch spricht man nicht von einer Infektsanierung oder -heilung, sondern von einer Remission oder Beruhigung [7].

Lässt der Allgemeinzustand des Patienten ausgedehnte Eingriffe nicht zu, sind palliative Maßnahmen mit dem Ziel der Infektkontrolle und Schmerzlinderung anzustreben. Zur Verfügung stehen die Markraumtrepanation, die lokale Sequestrektomie, Weichteilrevisionen oder Dauerdrainagen [e27].

Additiv erfolgt eine resistenzgerechte systemische, bevorzugt orale Antibiotikatherapie, ergänzt durch eine adäquate Schmerzbehandlung. Oft ist eine Dauermedikation mit den daraus resultierenden gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen unumgänglich. Sofern eine Herdsanierung nicht gelingt, ist mit periodischen Infektexazerbationen und einem konsumierendem Verlauf zu rechnen.

Medikamentös

Verfolgt man einen kurativen Ansatz, so ist und bleibt auf absehbare Zeit die Chirurgie der wichtigste Behandlungspfeiler. Sie alleine ist aber nicht ausreichend, sondern verlangt eine additive Antibiotikatherapie. Verschiedene Behandlungsregimes wurden vorgeschlagen, eine Überlegenheit ist bisher für keine Option gesichert. Eine kalkulierte Therapie beginnt nach Entnahme tiefer Gewebeproben zur mikrobiologischen Untersuchung und richtet sich gegen das zu erwartende Keimspektrum. Zum Einsatz kommen Beta-Lactam-Antibiotika, die in der Regel gut verträglich sind und ausreichend hohe Serum-Wirkspiegel erreichen [e28].

Alternativ kommen Lincosamide und Gyrase-Hemmer zum Einsatz. Strittig ist die Bewertung einer Kombinationstherapie, die bisher hauptsächlich bei implantatassoziierten und periprothetischen Infektionen eingesetzt wird [e29, e30]. Sie findet Befürworter bei der Behandlung von Infektionen mit Problemkeimen [e31, e32]. Evidenz-belegte Vorteile konnten bisher dafür nicht gefunden werden [7, e33].

Uneinigkeit besteht über die Dauer der Behandlung. Je jünger der Patient, umso kürzer wird antibiotisch therapiert [14]. Bei Kindern wird in der Regel 2 Wochen, bei Erwachsenen 4–6 Wochen behandelt. Nach Eingang des Antibiogrammes, basierend auf Kulturen aus Knochenbiopsien, wird die kalkulierte auf eine gezielte antiinfektive Therapie umgestellt. Das Vorgehen beruht auf Untersuchungen am Tiermodell und der Erkenntnis, dass die Neubildung von Blutgefäßen am Erwachsenenknochen 3–4 Wochen Zeit beansprucht. Inwieweit dieser Ansatz der Realität des osteitisch erkrankten menschlichen Knochens entspricht und ob diese Behandlungs-Zeiträume tatsächlich erforderlich sind, ist ungeklärt [13]. Bei der Literaturrecherche fanden sich keine Studien, die Vorteile für ein bestimmtes Präparat statistisch belegen konnten. Ebenso ist die Wirksamkeit einer lokalen Antibiotikatherapie wissenschaftlich nicht gesichert [e33].

Prophylaxe

Die wirksamste Vorbeugung der akuten posttraumatischen Osteitis gelingt durch eine schonende, adäquate und zeitgerechte Versorgung der verletzten Knochen und Weichteile [4, 19, e32]. Die Beherrschung des akuten Infekts stellt die beste Prophylaxe des chronischen Verlaufes dar [18]. Gegenwärtig scheint eine Absenkung der Infektrate auf unter 1–2%, die in der elektiven Traumatologie und Orthopädie erreicht und seit Jahren stabil sind, nicht möglich. Es wird deshalb an der Beschichtung von Implantaten zur Verhinderung einer Erregeradhärenz gearbeitet. Ein anderer Ansatz geht der Stimulation des Immunsystems gegen Staphylokokken-Antigene nach (Übersicht bei [5]). Der Regelversorgung stehen diese Verfahren noch nicht zur Verfügung.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Gerhard Walter

BG Unfallklinik Frankfurt

Friedberger Landstraße 430

60389 Frankfurt am Main

gerhard.walter@bgu-frankfurt.de

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e34. Lazzarini L, Mader JT, Calhoun JH: Osteomyelitis in long bones. J Bone Joint Surg Am 2004; 86: 2305–18. MEDLINE

e35. Costerton JW, Lewandowski Z, Caldwell DE, et al.: Microbial biofilms. Annu Rev Microbio. 1995; 49: 711–45. MEDLINE

Risikofaktoren der Wund- und Knochenheilung (nach [e34])

Systemische Risikofaktoren

Malnutrition

Nieren- oder Leberinsuffizienz

Diabetes mellitus

Respiratorische Insuffizienz

Immunstörung (z.B. Aids, Granulozytendefekt, Komplementdefekt)

Malignom

Neugeborene oder Hochbetagte

Nikotinabusus

Immunsuppression (z.B. Chemotherapie, Transplantation)

Lokale Risikofaktoren

Chronisches Lymphödem

Chronisch-venöse Insuffizienz

Makroangiopathie

Ausgedehnte Narbenbildung

Strahlenfibrose

Vaskulitits der kleinen Gefäße

Neuropathie

 

Kernaussagen

Bei der chronischen Osteomyelitis (COM) werden eine endogen-hämatogene und eine durch direkten Kontakt erworbene Form unterschieden; letere verursacht etwa 80% der COM in den Industrieländern.

Die Entstehung der COM ist multifaktoriell, die Behandlung ist deshalb nur interdisziplinär erfolgreich.

Das Krankheitsbild ist bisher nicht eindeutig definiert, daher fehlen evidenzbasierte Studien zum therapeutischen Vorgehen.

Unter Berücksichtigung der Komorbidität muss zwischen einem kurativen und einem palliativen Therapieansatz entschieden werden; Behandlungsziele sind eine anhaltende Infektberuhigung, Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Funktion.

Die chirurgische Sanierung ist ausschlaggebend für den Therapieerfolg der posttraumatisch/postinterventionell bedingten Osteitis; in spezialisierten Zentren gelingt eine Infektberuhigung in 70–95%.

 

Glossar

Biofilm: Zitat: Eine Ansammlung in Verbindung stehender, von extrazellulärer Substanz umgebener Bakterien, die gegen die meisten Antibiotika und die Wirtsabwehr unempfindlicher sind als in der planktonischen Phase [e8].

BMP: Bone mophogenetic protein, Signalmoloeküle, Zytokine des Transforming Growth Factor beta-Signalweges. BMP-2 und BMP-7 werden industriell hergestellt, stimulieren u.a. Osteoblasten, sind zur Knochenwachstumsförderung bei bestimmten Indikationen zugelassen. Kostenintensiv.

Halbschalenresektion: Semizirkuläre Knochenentfernung, meist unter Erhalt einer Teststabilität möglich, so dass Defektauffüllung durch Spongiosaplastik zur Konsolidierung ausreicht. Additive Osteosynthese nur im Ausnahmefall erforderlich.

Involucrum: (lateinisch: Hülle) Reaktive Knochen-Neubildung um Infektherd/Sequester, Infekthöhle.

Phase, planktonisch: Frei flottierende Bakterien, virulent, reproduktiv, Wirtsreaktionen auslösend, antibiotikasensibel, kulturell anzüchtbar. Macht 0,1% der Bakterienmasse aus [e35].

Phase (sessile): In einer Schleimschicht lebende Bakterienpopulation, über Signalmoleküle kommunizierend. Metabolisch wenig aktiv, gedrosselte Reproduktion, schwer nachweisbar, tolerant gegen Antiobiotika und Immunabwehr [e35].

PMMA: Polymethylmethacrylat , Knochenzement zur Verankerung von Endoprothesen. Als PMMA-Kugeln mit Gentamycin in verschiedener Dosierung imprägniert, z.B. 30 Kugeln à 7 mm Durchmesser und 7,5 mg Gentamycinsulfat. Zur lokalen Antibiotikatherapie und Knochendefektverfüllung. Industriell gefertigt.

Quorum sensing: Kommunikationssysteme von Bakterien, die Art-intern und Art-übergreifend wirken. In Abhängigkeit von der Populationsdichte werden über Signalmoleküle Stoffwechselprozesse gesteuert. Ermöglicht Reaktion auf sich ändernde Umweltbedingungen, somit wichtiger Selektionsvorteil [e4].

Segmentresektion: Zirkuläre, vollständige Knochenentfernung. Hinterlässt einen instabilen Defekt, der nur durch Verkürzung/Interponat plus Osteosynthese oder Segmenttransport zu behandeln ist.

Sequester: Avitales Knochenfragment, potenzieller Bakterien- und Biofilm-Träger.

Fussnoten

Abdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Dtsch Arztebl Int 2012; 109(14): 257–64.

BG Unfallklinik Frankfurt

DOI 10.3238/arztebl.2012.0257

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