Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Chronische komplexe laterale Bandinstabilität am oberen Sprunggelenk

Ernst Orthner1

Zusammenfassung: Während frische laterale Kapselbandverletzungen am oberen Sprunggelenk fast ausnahmslos konservativ funktionell behandelt werden, hat die Bandrekonstruktion bei chronischer Instabilität nach wie vor einen hohen Stellenwert. Die diagnostischen Kriterien werden dargelegt und 2 anatomische operative Techniken im Detail beschrieben. Diese anatomischen Techniken erlauben die Behandlung aller Formen der Bandlockerung und ermöglichen nach nur kurzer Immobilisation mit sofortiger Belastung eine rasche Wiedereingliederung in Beruf und Sport.

Schlüsselwörter: Sprunggelenkinstabilität, lateral,
Sprunggelenkbänder, chronisch, anatomische Rekonstruktion, Operationstechnik

Zitierweise
Orthner E: Chronische komplexe laterale Bandinstabilität am oberen Sprunggelenk.
OUP 2018; 7: 271–277 DOI 10.3238/oup.2018.0271–0277

Summary: Acute ankle sprains are no indication for an operative procedure. Chronic ankle sprains in contrast are a frequent indication for operative stabilisation. The diagnostic criterias and 2 anatomic operative procedures are presented in detail. These 2 techniques allow to treat all kinds of lateral instabilities of the ankle with early weight bearing and short immobilisation in a cast or walker for only 4 weeks. A fast
reintegration into the job or sports is possible.

Keywords: ankle instability, lateral, ankle ligaments, chronic, anatomic reconstruction, operative procedure

Zitierweise
Orthner E: Complex lateral ankle instability
OUP 2018; 7: 271–277 DOI 10.3238/oup.2018.0271–0277

1 Fuß Zentrum Wels und Klagenfurt, Wels, Österreich

Einleitung

Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk nach Supinationstraumata sind die häufigste Sportverletzung am Rückfuß [4]. Die konservativ-funktionelle Therapie des Ersttraumas ist schulmedizinisch anerkannt, da sie gleichwertig zur Akutoperation und der immobilisierenden Therapie ist, wenn nicht sogar überlegen. Diese Gleichwertigkeit ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer 100%ig funktionellen Ausheilung.

Verbleibt nach einer erstmaligen frischen Außenknöchelbandverletzung eine laterale Instabilität, die sich auch durch ein gezieltes propriorezeptives Training nicht beseitigen lässt, so sind rekonstruktive Maßnahmen indiziert.

Definition

Mit dem Begriff „ankle sprain“ wird im angloamerikanischen Schriftgut die Außenknöchelbandverletzung beschrieben. Als „high ankle sprain“ wird die Syndesmosenverletzung bezeichnet, was allerdings eine völlig andere Entität darstellt. Der Begriff „ankle sprain“ wird in 3 Stadien unterteilt, wobei die Abgrenzung der einzelnen Stadien zueinander nach wie vor nicht genau definiert ist und heute üblicherweise folgende Bezeichnungen verwendet werden:

  • Grad 1: Zerrung der Bänder
  • Grad 2: Teilriss der Bänder, insbesondere des Lig. talofibulare anterius
  • Grad 3: Komplexe Ruptur von einem Band, und 2 oder allen 3 Bändern im Akutstadium [1].

Nachdem allerdings Untersuchungen gezeigt haben, dass die funktionelle Instabilität nicht mit der radiologischen Instabilität parallel geht und man andererseits aus dem Ausmaß der radiologischen Instabilität nicht auf das Ausmaß der verletzten Strukturen rückschließen kann [3], wurden die notwendigen diagnostischen Maßnahmen für die Beurteilung des Ausmaßes der Außenknöchelbandverletzung deutlich zurückgefahren – insbesondere nach Einführung der Ottowa-Rules (Ottawa Sprunggelenk-Regeln) – und es werden generell nur noch dann radiologische Untersuchungen empfohlen, wenn ausreichende Hinweise auf das Vorliegen einer knöchernen Verletzung im Bereich des Sprunggelenks vorliegen [2].

Diagnose der chronischen komplexen Instabilität

Verbleibt nach einer erstmaligen traumatischen OSG-Bandverletzung eine funktionelle Instabilität oder liegt ein Rezidivtrauma vor, so ist eine eingehende klinische und radiologische Untersuchung notwendig.

Die klinische Untersuchung umfasst – neben der Anamneseerhebung insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts des Ersttraumas und der Häufigkeit und dem Ausmaß des Rezidivs – die digitale Beurteilung der Schmerzpunkte, des Bewegungsumfangs und insbesonders die klinische Beurteilung der Stabilität im Seitenvergleich. Dazu sind einige Tatsachen zu bedenken:

  • 1. Bei einer chronischen Außenknöchelbandinstabiltiät ist das Deltaband funktionell zumeist suffizient und stellt eine stabile mediale Säule und einen stabilen Drehpunkt des oberen Sprunggelenks dar.
  • 2. Die Kuppelform des Talus stabilisiert das obere Sprunggelenk gut gegen Subluxationen nach ventral.
  • 3. Das Ligamentum talofibulare anterius – als schwächstes Band des Außenknöchelbandapparats – reißt üblicherweise zuerst und bleibt am häufigsten instabil.
  • 4. Die Peronealmuskulatur ist in der
    Lage, das obere Sprunggelenk aktiv zu stabilisieren.

Daraus ergibt sich, dass für eine aussagekräftige Funktionsuntersuchung des Außenknöchelbandapparats die Untersuchung am besten am hängenden Bein mit entspannter Wadenmuskulatur im praktisch schmerzfreien Intervall erfolgen soll. Im Akutstadium einer frischen Außenknöchelbandverletzung ist die Aussagekraft der Funktionsuntersuchung als sehr gering anzusehen.

Üblicherweise wird die Stabilität des oberen Sprunggelenks durch Drücken des Fersenbeins und damit indirekt des Sprungbeins nach lateral und gleichzeitigem Versuch des Aufklappens des oberen Sprunggelenks durchgeführt. Aus meiner Sicht ist die Aussagekraft der Funktionsuntersuchung deutlich höher, wenn man nicht versucht, das Fersenbein aus dem oberen Sprunggelenk heraus zu drücken; sondern ganz im Gegenteil versucht, das Fersenbein aus der Knöchelgabel heraus zu ziehen. Dazu wird bei einer Untersuchung des linken Sprunggelenks das Fersenbein mit der linken Hand umfasst und die rechte Hand stabilisiert den Unterschenkel. Durch Zug am Fersenbein erreicht man einerseits eine Distension des Gelenks, die rechte Hand stabilisiert den Unterschenkel, die linke Hand zieht das Fersenbein nach distal im Supinations-Sinn und gleichzeitig nach ventral im Sinne einer Distensions-Rotationsbewegung. Dies simuliert am ehesten den Verletzungsmechanismus, bei welchem es ebenfalls zu einer Medialisation und Ventralisation des Talus kommt. Kommt es gleichzeitig bei dieser Untersuchung auch noch zu einem leichten Klick im Gelenk, so ist die chronische Bandinstabilität als gesichert anzusehen. Die Funktionsuntersuchung gibt dem Untersucher ausschließlich das Gefühl einer klinischen Instabilität, eine Quantifizierung der Lockerung ist damit allerdings kaum möglich.

Die Röntgenuntersuchung des Sprunggelenks ap, seitlich und in 20° Innenrotation dient hauptsächlich dem Ausschluss bereits bestehender arthrotischer Veränderungen bzw. osteochondraler Läsionen bei Rezidivtraumen.

Während der gehaltenen Aufnahme im Akutstadium mehr forensische als klinische Bedeutung zukommt, ist sie bei der chronischen Instabilität nach wie vor zu empfehlen.

Sie erlaubt die Quantifizierung einer radiologischen Instabilität und insbesondere die Korrelation der funktionellen mit der bildgebenden Untersuchung. Generell sollte die gehaltene Aufnahme im Seitenvergleich erfolgen, wobei auch bei dieser Aufnahme darauf geachtet werden muss, dass diese im peroneusrelaxierten Zustand erfolgt. Eine Durchführung in Seitenlage mit einer Gewichtsbelastung des Bandapparats von 3 kg oder weniger hat sich bewährt, allerdings über eine Dauer von etwa 2–3 Minuten [9].

Sollte sich bei einer funktionellen Instabilität keine radiologische Instabilität zeigen, so ist eine Bandrekonstruktion nicht indiziert, es sollte vielmehr nach anderen Ursachen gesucht werden, inklusive einer neurologischen Beurteilung und einer Saltzmannaufnahme.

Ergänzende kernspintomografische Untersuchungen ergeben zwar mit hochauflösenden Techniken gute Information über den Zustand der involvierten Bänder, geben allerdings keinen Hinweis über das Ausmaß der Instabilität. Sehr wohl von Vorteil ist eine kernspintomografische Untersuchung zur Beurteilung osteochondraler Läsionen bzw. Knochenmarksödeme im Bereich des oberen Sprunggelenks, welche im Übersichtsröntgen häufig nicht oder kaum zur Darstellung kommen.

Zur Indikationsstellung zu einer Bandrekonstruktion am oberen Sprunggelenk genügt bereits eine Seitendifferenz der Aufklappbarkeit in der gehaltenen Aufnahme von wenigen Grad, bzw. bei Vorliegen einer funktionellen Instabilität und eine Aufklappbarkeit von mehr als 6–7° radiologischer Aufklappbarkeit absolut.

Anatomische Grundlagen

Der Außenknöchelbandapparat setzt sich aus 3 Bändern zusammen – dem Ligamentum talofibulare anterius, calcaneo-fibulare und talofibulare posterius. Das Lig. talofibulare anterius ist eine Verstärkungsstruktur der Gelenkkapsel, die sich sichtlich erst durch den Wechsel in den aufrechten Gang beim Menschen entwickelt hat. Das Ligamentum calcaneo-fibulare ist eine isolierte, zumeist spulrunde Bandstruktur, die sich von der Außenknöchelspitze medial der Peronealsehnen Fersenbein zieht. Das Ligamentum talofibulare posterius zieht dorsal von der Fibula zum Talus und setzt sich aus mehreren Bündeln zusammen, welche im Rahmen einer Supinationsbandverletzung aufspleissen können, ohne dass es zu einer tatsächlichen Diskontinuität kommt. Diese Tatsache wird in kernspintomografischen Untersuchungen immer wieder als Bandverletzung beschrieben, bedeutet aber nur, dass die einzelnen Bündel aufgespalten wurden, ohne dass sie definitiv abgerissen sind.

Das Ligamentum talofibulare anterius zieht sich von der Vorderkante des Außenknöchels in rechtwinkliger Stellung vom oberen Sprunggelenk annähernd horizontal zum Talushals und inseriert als Bestandteil der Gelenkkapsel praktisch am Ansatzpunkt der Gelenkkapsel am Talushals. Das Ligamentum calcaneo-fibulare zieht sich von der Außenknöchelspitze zum Fersenbein.

Während sich das Lig. talofibulare anterius genau definiert annähernd horizontal nach vorne zieht, ist die Verlaufsrichtung des calcaneo-fibularen Ligamentums sehr variabel. Generell gilt, dass das Lig. calcaneo-fibulare immer hinter der Außenknöchellängsachse liegt. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass der Winkel zwischen Lig. talofibulare anterius und calcaneo-fibulare in Rechtwinkelstellung des Sprunggelenks zwischen etwas mehr als 90° und 150° schwankt. Aus biomechanischen Überlegungen heraus ist ein Winkel von etwa 135° zwischen beiden Bändern in Rechtwinkelstellung des Sprunggelenks als vorteilhafter anzusehen. Die durchschnittliche Länge des Ligamentum calcaneo-fibulare war in eigenen anatomischen Untersuchungen 22 mm [6].

Aus diesen anatomischen Überlegungen ergeben sich fixe Eckpunkte für die Platzierung der Bandplastik.

Möglichkeiten
der Bandplastik

Zur Wiederherstellung der Bandstabilität am oberen Sprunggelenk existieren zahlreiche Methoden. Generell kann zwischen dem Versuch der anatomischen Rekonstruktion und der nicht anatomischen Rekonstruktion unterschieden werden. Während bis vor einigen Jahren extraanatomische Bandplastiken für die Bandplastik nach Watson Jones, Chrisman Snook oder die Evans-Bandplastik [5] die Methode der Wahl war, haben biomechanische Untersuchungen [7] und mittel- bis langfristige Nachuntersuchungen bei Leistungssportlern [5] gezeigt, dass bei nicht anatomischer Rekonstruktion des Außenknöchelbandapparats die Anzeichen der vorzeitigen Abnützung signifikant höher ausgeprägt sind als bei anatomischer Wiederherstellung, sodass sich die anatomische Wiederherstellung zunehmend durchgesetzt hat [5].

Welche Methode gewählt wird, hängt einerseits von der Beschaffenheit der noch vorhandenen Bandstrukturen ab und teilweise auch vom Ausmaß der Instabilität.

Grundlage der gewählten Technik ist deswegen die Beurteilung der vorhandenen Strukturen. Sind noch suffiziente Strukturen vorhanden, welche zur Bandverstärkung bzw. als Bandersatz verwendet werden können, so sollten diese auch verwendet werden, ansonsten kommt ein distal gestieltes Sehnentransplantat zur Anwendung.

In den Händen des Autors haben sich folgende 2 Verfahren bewährt:

  • 1. Es sind noch Bandstrukturen vorhanden, welche als Ersatz verwendet werden können: Modifizierte Methode nach Bröström Gould. Bei dieser Methode werden die vorhandenen Narben-Band-Strukturen im Bereich des Ligamentum talofibulare anterius durch einen Teil des Retinaculum extensorum verstärkt und gleichzeitig das noch vorhandene Lig. calcaneo-fibulare in geraffter Form an den Außenknöchel fixiert. (Abb.1–4)
  • 2. Es sind keine verwendbaren Strukturen mehr vorhanden: modifizierte Bandplastik mit Peroneus-brevis-Hälfte und anatomische Refixation der durch den Außenknöchel gezogenen Peroneus-brevis-Hälfte über Knochenanker am Talus bzw. Fersenbein (Abb. 5–8).

Beide Verfahren sind nach wie vor offene Verfahren, mit dem Vorteil, dass die verwendeten Strukturen genau definiert sind und gezielt verwendet werden können. Bei der arthroskopischen Technik ist die gezielte Verwendung von Sehnenstreifen bisher nicht möglich und insbesonders sind längere Sehnenstreifen nicht realisierbar. Der Vorteil der arthroskopischen Technik liegt in der schnelleren Vollbelastung (12 versus 22 Tage) [8], bei der von uns verwendeten Technik wird der Patient vollbelastend nach 2 Tagen entlassen, sodass dies mit dieser Methode noch schneller realisierbar ist.

Technische Durchführung

Die Operation erfolgt in Rückenlage, ein Unterpolstern des Gesäßes mit einem Keil ist zu empfehlen. Da die Operation um den Außenknöchel erfolgt, ist ein Höherlagern des zu operierenden Beines in einer leichten Innenrotation empfehlenswert. Die Operation kann in Blutsperre oder auch ohne Blutsperre erfolgen, erfahrungsgemäß ist allerdings die Übersichtlichkeit bei einer Operation in Blutsperre deutlich erleichtert.

Hautschnitt: Nachdem die Beurteilung der vorhandenen Bandstrukturen die Grundlage des zu wählenden Verfahrens ist, wird bei beiden Verfahren die Hautinzision gleich durchgeführt. Es erfolgt ein leicht bogenförmiger Schnitt, welcher etwa in Höhe des Sinus tarsi beginnt und leicht bogenförmig über die hintere Hälfte des Außenknöchels nach proximal zieht: Schnittlänge etwa 5–7 cm. Beim Schnitt selbst ist auf den Ramus superficialis des Nervus peroneus bzw. dessen lateralen Ast zu achten. Der Verlauf der gefährdeten Nerven ist im schrägen Streiflicht der OP-Leuchte bei Supination des Vorfußes sehr häufig unter der Haut zu sehen und der Nerv auch zu ertasten. Das Anzeichnen der Nerven am Beginn der Operation ist im Zweifelsfall zu empfehlen.

Nach subperiostaler Präparation wird nun der Außenknöchelbandapparat dargestellt und beurteilt, ob noch suffiziente Kapselbandstrukturen zum Ersatz des Ligamentum talofibulare anterius vorhanden sind bzw. die Struktur des calcaneo-fibulare beurteilt (Abb.1).

Ist das Lig. calcaneo-fibulare von einer Struktur, die eine suffiziente Stabilisierung ermöglicht, erfolgt die Verstärkung der vorhandenen Bandstrukturen durch einen Anteil des retinaculum extensorum.

Anatomisch zieht das Retinaculum extensorum in den Sinus tarsi und der leichteste Weg, das Retinaculum extensorum zu identifizieren, ist das stumpfe Auspräparieren durch Dissektion des Subcutangewebes über dem Retinaculum extensorum. Am leichtesten geschieht dies durch ein stumpfes Präparieren mit einer kurzen Metzenbaumschere und anschließender digitaler Erweiterung des kleinen Schnitts mit dem Zeigefinger. Es lässt sich dann schon digital die vorhandene Struktur ertasten und deren Verlauf bis zum Sinus tarsi darstellen (Abb. 2). Dann wird ein ausreichend breiter Anteil des Retinaculum extensorum mobilisiert, Breite etwa 7–10 mm, scharf an der Insertion am Sinus tarsi abgelöst und anschließend Richtung Außenknöchel geschwenkt (Abb. 3).

Als nächster Schritt erfolgt dann die Raffung bzw. Kürzung des Ligamentum calcaneo-fibulare. Dazu wird dieses entweder scharf vom Außenknöchel abgetrennt und am Insertionspunkt werden 2 Bohrkanäle von 2 mm Durchmesser gebohrt oder ein Knochenanker an eben dieser Stelle versenkt. Anschließend werden die Raffnähte für das Lig. calcaneo-fibulare vorgelegt und die Reinsertionsstelle decortiziert. Für die Raffung des Ligamentum talofibulare anterius bzw. die Verstärkung mit dem Retinaculum extensorum wird am Ansatzpunkt des Lig. talofibulare anterius, an der Vorderkante des Außenknöchels etwa 5–6 mm oberhalb der Außenknöchelspitze, der Außenknöchel auf etwa 5–10 mm oberflächlich decortiziert, dort werden ebenfalls zwei 2-mm-Bohrkanäle vorgelegt oder ein Knochenanker in diesem Bereich versenkt. Bevorzugte Stärke der Knochenanker: 3,5 mm, doppelt armiert.

Nach Vorbereiten der Ansatzpunkte der Bandstrukturen werden das Sprunggelenk in Rechtwinkel- und Pronationsstellung gehalten und in dieser Position die vorgelegten Nähte für das Lig. calcaneo-fibulare und talofibulare anterius geknüpft. Die vorhandenen Kapsel-Band-Strukturen werden dann noch als Verstärkung auf dieses Konstrukt aufgenäht (Abb. 4). Anschließend Subcutannaht, Hautnaht und Anlegen eines Unterschenkelspaltgipses bzw. einer vergleichbaren, stabilisierenden Orthese.

Fehlen suffizienter verwendbarer Bandstrukturen

Zeigt sich bei der ersten Inspektion intraoperativ, dass keine suffizienten Bandstrukturen mehr vorhanden sind, die als Ersatz verwendet werden können, kann die Bandrekonstruktion durch einen Sehnenersatz mit einem Streifen der Sehne des M. peroneus brevis erfolgen (Abb. 5). Die komplette Verwendung des M. peroneus brevis wird nicht empfohlen, da dessen Sehne die einzige fix am äußeren Fußrand verankerte Struktur im Bereich der Fußwurzel ist und dementsprechend der Verlust dieser Struktur biomechanische Auswirkungen auf den Fuß hat. Ein Streifen des M. peroneus brevis kann allerdings sehr gut als Ersatz verwendet werden. Wenn man diesen Streifen als distal gestieltes Transplantat verwendet, ist es allerdings wichtig, dass dieses in einer Form eingebracht wird, die die Funktion des M. peroneus brevis nicht behindert.

Technisches Vorgehen

Die ersten Schritte sind dieselben wie bei der Bröström-Gould-Operation. Rückenlagerung, das Becken eleviert, Fuß etwas nach innen rotiert, angelegte Blutsperre. Die Operation ist sowohl in als auch ohne Blutsperre möglich.

Die Hautinzision ist identisch bogenförmig vom Sinus tarsi um den Außenknöchel, die hintere Hälfte des Außenknöchels kreuzend, von etwa 5–7 cm Länge, Vorsicht auf den R. superficialis n. peronei

Nach Entscheidung zur Verwendung der Peroneus-brevis-Hälfte werden als erstes die Insertionspunkte des Ligamentum talofibulare-anterius am Talushals bzw. des Lig. fibulo calcaneare an der Außenseite des Fersenbeins definiert.

Die Definition der Insertionspunkte erfolgt in Rechtwinkelstellung des Sprunggelenks, dann zieht das Lig. talofibulare anterius annähernd horizontal bis leicht ansteigend von der Vorderkante des Außenknöchels etwa 5–6 mm oberhalb der Außenknöchelspitze beginnend zum Talushals und inseriert am Kapselinsertionspunkt der Sprunggelenkkapsel am Talushals. Dieser Punkt wird aufgesucht, decortiziert und anschließend mit einem 1- oder 2-fädigen Knochenanker armiert, am besten mit der Stärke 3,5.

Der Insertionspunkt des Lig. calcaneo-fibulare liegt an der Außenseite des Fersenbeins, Referenzpunkt zur Definition dieses Punkts ist die Fibula-Längsachse, das Band zieht von der Außenknöchelspitze, etwa 45° nach dorsal geneigt zum Fersenbein. In diesem Winkel misst man eine Strecke von etwa 22 mm von der Außenknöchelspitze bis zum Fersenbein, decortiziert das Fersenbein in dieser Gegend und bringt ebenfalls einen einfach- oder doppelt armierten Knochenanker ein, ebenfalls am besten der Stärke 3,5.

Als nächster Schritt wird nun von der Außenknöchelspitze ein etwa 4,5 mm dicker Bohrkanal in der Fibula nach cranial gebohrt. Ein zweiter Bohrkanal zieht vom Ursprungspunkt des Lig. talofibulare anterius etwa 1 cm oberhalb der Außenknöchelspitze annähernd horizontal nach dorsal und trifft auf den Bohrkanal, der von der Außenknöchelspitze nach oben gebohrt wurde. Diese beiden Knochenkanäle werden miteinander verbunden und die Kante im Inneren entweder mit einem kleinen Raspatorium oder auch einem Overholt soweit geglättet, dass ein Durchziehen des Transplantat s möglich ist.

Gewinnen des Transplantats

Eine Transplantatlänge von etwa 10 cm oder mehr ist günstig, da damit eine sehr gute und suffiziente Wiederherstellung möglich ist. Zur Gewinnung des Transplantats selbst muss allerdings nicht die gesamte Außenknöchelseite in diesem Bereich eröffnet werden. Es genügt, wenn man mit einer leicht gebogenen, stumpfen Klemme in der Sehnenscheide des Peroneus brevis diese nach proximal vorschiebt und etwa 10–12 cm oberhalb der Außenknöchelspitze eine etwa 1,5 cm lange Längsinzision durchführt. Nach Eröffnen der Peroneus-Sehnenscheide wird die Peroneus-brevis-Sehne identifiziert und mit einer Overholt-Klemme umfahren. Anschließend wird die Sehne in diesem Bereich auf etwa 1 cm längs inzidiert und durch den sich dadurch entstehenden Spalt ein Vicrylfaden der Stärke 2,0 oder 0 gezogen. Es ist genau darauf zu achten, dass der eine Schenkel des Vicrylfadens nach dorsal gehalten wird und der andere Schenkel nach ventral. Die Fäden dürfen sich auf keinen Fall überkreuzen (Abb. 6). Anschließend wird durch die Sehnenscheide des Peroneus brevis von der distalen Höhe der Außenknöchelspitze eine leicht gebogene Fuchsig-Klemme vorgeschoben und dann der nach ventral ziehende abführende Schenkel gefasst und über die Sehnenscheide nach distal gebracht, distal wieder nach ventral ausgeleitet. Dasselbe geschieht auch mit dem anderen Schenkel des Vicrylfadens. Dieser wird ebenfalls mit der Klemme gefasst, welche über die Sehnenscheide nach proximal geschoben wird, nach distal herausgezogen und dann nach dorsal geführt. Es ist exakt darauf zu achten, dass sich der Vicrylfaden in der Sehnenscheide nicht überkreuzt. Wenn dies nicht der Fall ist, kann man den Vicrylfaden im Sinn einer Giglisäge verwenden und durch sägende Bewegungen die Peroneussehne der Länge nach halbieren. Sobald der Vicrylfaden unterhalb der Außenknöchelspitze angekommen ist, werden Reste der Sehnenscheide entfernt, die mitgezogen wurden, und anschließend der vordere Anteil der Peroneus-brevis-Sehne proximal im Bereich der kurzen Inzision abgetrennt und dann nach distal herausgezogen (Abb. 7).

Die Peroneussehne selbst wird dann soweit nach distal gespalten, dass eine spannungsfreie Fixation der Peroneus-brevis-Sehnenhälfte am Fersenbein möglich ist.

Die gewonnene Peroneus-brevis-Sehnenhälfte wird anschließend mit einer Baseballstitch-Naht armiert, dann so geführt, dass sie die verbleibende Peroneus-brevis-Sehne unterkreuzt und anschließend durch den vorgebohrten Kanal im Bereich des Außenknöchels durchgezogen.

Nachdem die Sehne durch den Außenknöchel gezogen wurde, wird der Fuß in maximaler Plantarflexion-Supination gehalten und anschließend in dieser Position mit den vorgelegten Fäden vom Fersenbein durchstochen und über die geknüpften Fäden an das Fersenbein fixiert.

Nach suffizienter Naht an das Fersenbein wird das Sprunggelenk in Neutralstellung und Pronationsstellung gebracht und anschließend das vorgelegte Sehnentransplantat gespannt, in gespanntem Zustand mit den vorgelegten Nähten vom Talushals durchstochen und diese geknüpft.

Der Fuß wird weiter in Pronation und Neutralstellung gehalten und der verbliebene Sehnenanteil anschließend extraartikulär, im Sinn des transversalen Ligaments auf den Außenknöchel und nach distal kaudal schwenkend periostal fixiert (Abb. 8).

Nach gründlicher Wundspülung schichtweiser Wundverschluss, Hautnähte und Anlegen eines Unterschenkelgipsverbands bzw. einer vergleichbaren fixierenden Orthese, Fixation in Neutralstellung des Sprunggelenks. Eine Drainage wird nicht gelegt.

Nachbehandlung

Bei blandem Heilungsverlauf kann weinige Tage nach der Operation ein geschlossener Unterschenkelgips in Neutralstellung mit einer Fensterung über der Zugangsgegend angelegt werden. Die Verwendung eines Unterschenkelwalkers ist ebenfalls möglich, es muss allerdings sichergestellt sein, dass das Sprunggelenk vom Patienten nicht aus der Orthese heraus bewegt und mobilisiert wird. Eine Belastung des Beins ist kurzfristig bis zur Schmerzgrenze erlaubt, bei schmerzfreier Vollbelastung (meist nach 2–4 Tagen) kann die Verwendung der Stützkrücken beendet werden. Eine Thromboseprophylaxe ist für die Zeitdauer der Immobilisation notwendig.

Für die Fixation im Walker oder Gipsverband sind üblicherweise 4 Wochen ausreichend, anschließend ist das Tragen fester Schuhe und eventuell das Anlegen eines Tape-Verbands zu empfehlen. Im Bewegungsausmaß 10–0–20 wird der Bandapparat im Bereich des Außenknöchels physiologischerweise kaum belastet, sodass das gesicherte Gehen in einem festen Schuh ab Ende der 4. Woche möglich ist. Supinationsbelastungen sollen natürlich tunlichst vermieden werden. Vorsichtige propriozeptive Übungen bzw. Balanceübungen können zu diesem Zeitpunkt beginnen, MFT-Brett oder forciertere Mobilisationen für die Dorsal- oder Plantarflexion über 10–0–20 sollen allerdings erst 6 Wochen nach der Operation beginnen. Leichte sportliche Belastungen sind nach etwa 8–10 Wochen möglich, Sprunggelenk-bandbelastende Sportarten sollten allerdings frühestens nach 3–4 Monaten beginnen.

Mögliche Komplikationen

Neben den üblichen chirurgischen Komplikationen wie Wundheilungsproblemen und Infektionen sind beide Verfahren komplikationsarm. Besonders beachtet werden muss allerdings der Verlauf des Ramus superficialis des Nervus peroneus, dieser muss sorgfältig geschont werden.

Bei der talaren Insertion muss diese so gelegt werden, dass das Transplantat nicht am Talus reibt, da dies zu unangenehmen Reizzuständen führen kann.

Ansonsten sind bei diesen Verfahren keine speziellen Komplikationen zu erwarten, welche über die üblichen chirurgischen orthopädischen Komplikationen hinausgehen.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt dass er bei der inhaltlichen Gestaltung keinerlei Beeinflussung unterlag und kommerzielle Aspekte (bspw. zur Absatzförderung bestimmter Produkt oder Präparate) keine Rolle spielten.

Korrespondenzadresse

Univ.-Doz. Dr. Ernst Orthner

Fuß Zentrum Wels+ Klagenfurt

Vogelweiderstraße 3b

A – 4600 Wels

orthner@moderne-medizin.at

Literatur

1. American Academy of Orthopedic Surgeons: Sprained ankle. Retrieved 2 Nov 2011. https://orthoinfo.aaos.org/en/diseases--conditions/sprained-ankle/ Last Reviewed February 2016

2. Bachmann LM, Kolb E, Koller MT, Steurer J, ter Riet G: Accuracy of Ottawa ankle rules to exclude fractures of the ankle and mid-foot: systematic review. BMJ. 2003; 326: 417

3. Brasseur JL, Tardieu M: Accurate use of imaging in ankle sprain, JBR-BTR. 1999; 82: 63–8

4. Fong DT, Hong Y, Chan LK, Yung PS, Chan KM: A systematic review on ankle injury and ankle sprain in sports. Sports Med. 2007; 37: 73–94

5. Krips R, Brandsson S, Swensson C, van Dijk CN, Karlsson J: Anatomical reconstruction and Evans tenodesis of the lateral ligaments of the ankle. Clinical and radiological findings after follow-up for 15 to 30 years. J Bone Joint Surg Br. 2002; 84: 232–6

6. Orthner E: IK21–3051 Sprunggelenksinstabilität: Operation vs. konservative Behandlung, AGA 2017, München

7. Purevsuren T, Batbaatar M, Khuyagbaatar B, Kim K, Kim YH: Comparative evaluation between anatomic and non-anato-

mic lateral ligament reconstruction techniques in the ankle joint: A computational study. J Biomech Eng. 2018 Mar 12 [Epub ahead of print]

8. Rigby RB, Cottom JM: A comparison of the „All-Inside“ arthroscopic Broström procedure with the traditional open modified Broström-Gould technique: A review of 62 patients. Foot Ankle Surg. 2018 Feb 5 [Epub ahead of print]

9. Wruhs O, Orthner E, Resch W: Die Belastung des lateralen Sprunggelenkbandkomplexes bei gehaltenen Aufnahmen im a.-p. Strahlengang. Unfallchirurgie. 1985; 11: 323–8

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