Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Chronische komplexe laterale Bandinstabilität am oberen Sprunggelenk

Die Röntgenuntersuchung des Sprunggelenks ap, seitlich und in 20° Innenrotation dient hauptsächlich dem Ausschluss bereits bestehender arthrotischer Veränderungen bzw. osteochondraler Läsionen bei Rezidivtraumen.

Während der gehaltenen Aufnahme im Akutstadium mehr forensische als klinische Bedeutung zukommt, ist sie bei der chronischen Instabilität nach wie vor zu empfehlen.

Sie erlaubt die Quantifizierung einer radiologischen Instabilität und insbesondere die Korrelation der funktionellen mit der bildgebenden Untersuchung. Generell sollte die gehaltene Aufnahme im Seitenvergleich erfolgen, wobei auch bei dieser Aufnahme darauf geachtet werden muss, dass diese im peroneusrelaxierten Zustand erfolgt. Eine Durchführung in Seitenlage mit einer Gewichtsbelastung des Bandapparats von 3 kg oder weniger hat sich bewährt, allerdings über eine Dauer von etwa 2–3 Minuten [9].

Sollte sich bei einer funktionellen Instabilität keine radiologische Instabilität zeigen, so ist eine Bandrekonstruktion nicht indiziert, es sollte vielmehr nach anderen Ursachen gesucht werden, inklusive einer neurologischen Beurteilung und einer Saltzmannaufnahme.

Ergänzende kernspintomografische Untersuchungen ergeben zwar mit hochauflösenden Techniken gute Information über den Zustand der involvierten Bänder, geben allerdings keinen Hinweis über das Ausmaß der Instabilität. Sehr wohl von Vorteil ist eine kernspintomografische Untersuchung zur Beurteilung osteochondraler Läsionen bzw. Knochenmarksödeme im Bereich des oberen Sprunggelenks, welche im Übersichtsröntgen häufig nicht oder kaum zur Darstellung kommen.

Zur Indikationsstellung zu einer Bandrekonstruktion am oberen Sprunggelenk genügt bereits eine Seitendifferenz der Aufklappbarkeit in der gehaltenen Aufnahme von wenigen Grad, bzw. bei Vorliegen einer funktionellen Instabilität und eine Aufklappbarkeit von mehr als 6–7° radiologischer Aufklappbarkeit absolut.

Anatomische Grundlagen

Der Außenknöchelbandapparat setzt sich aus 3 Bändern zusammen – dem Ligamentum talofibulare anterius, calcaneo-fibulare und talofibulare posterius. Das Lig. talofibulare anterius ist eine Verstärkungsstruktur der Gelenkkapsel, die sich sichtlich erst durch den Wechsel in den aufrechten Gang beim Menschen entwickelt hat. Das Ligamentum calcaneo-fibulare ist eine isolierte, zumeist spulrunde Bandstruktur, die sich von der Außenknöchelspitze medial der Peronealsehnen Fersenbein zieht. Das Ligamentum talofibulare posterius zieht dorsal von der Fibula zum Talus und setzt sich aus mehreren Bündeln zusammen, welche im Rahmen einer Supinationsbandverletzung aufspleissen können, ohne dass es zu einer tatsächlichen Diskontinuität kommt. Diese Tatsache wird in kernspintomografischen Untersuchungen immer wieder als Bandverletzung beschrieben, bedeutet aber nur, dass die einzelnen Bündel aufgespalten wurden, ohne dass sie definitiv abgerissen sind.

Das Ligamentum talofibulare anterius zieht sich von der Vorderkante des Außenknöchels in rechtwinkliger Stellung vom oberen Sprunggelenk annähernd horizontal zum Talushals und inseriert als Bestandteil der Gelenkkapsel praktisch am Ansatzpunkt der Gelenkkapsel am Talushals. Das Ligamentum calcaneo-fibulare zieht sich von der Außenknöchelspitze zum Fersenbein.

Während sich das Lig. talofibulare anterius genau definiert annähernd horizontal nach vorne zieht, ist die Verlaufsrichtung des calcaneo-fibularen Ligamentums sehr variabel. Generell gilt, dass das Lig. calcaneo-fibulare immer hinter der Außenknöchellängsachse liegt. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass der Winkel zwischen Lig. talofibulare anterius und calcaneo-fibulare in Rechtwinkelstellung des Sprunggelenks zwischen etwas mehr als 90° und 150° schwankt. Aus biomechanischen Überlegungen heraus ist ein Winkel von etwa 135° zwischen beiden Bändern in Rechtwinkelstellung des Sprunggelenks als vorteilhafter anzusehen. Die durchschnittliche Länge des Ligamentum calcaneo-fibulare war in eigenen anatomischen Untersuchungen 22 mm [6].

Aus diesen anatomischen Überlegungen ergeben sich fixe Eckpunkte für die Platzierung der Bandplastik.

Möglichkeiten
der Bandplastik

Zur Wiederherstellung der Bandstabilität am oberen Sprunggelenk existieren zahlreiche Methoden. Generell kann zwischen dem Versuch der anatomischen Rekonstruktion und der nicht anatomischen Rekonstruktion unterschieden werden. Während bis vor einigen Jahren extraanatomische Bandplastiken für die Bandplastik nach Watson Jones, Chrisman Snook oder die Evans-Bandplastik [5] die Methode der Wahl war, haben biomechanische Untersuchungen [7] und mittel- bis langfristige Nachuntersuchungen bei Leistungssportlern [5] gezeigt, dass bei nicht anatomischer Rekonstruktion des Außenknöchelbandapparats die Anzeichen der vorzeitigen Abnützung signifikant höher ausgeprägt sind als bei anatomischer Wiederherstellung, sodass sich die anatomische Wiederherstellung zunehmend durchgesetzt hat [5].

Welche Methode gewählt wird, hängt einerseits von der Beschaffenheit der noch vorhandenen Bandstrukturen ab und teilweise auch vom Ausmaß der Instabilität.

Grundlage der gewählten Technik ist deswegen die Beurteilung der vorhandenen Strukturen. Sind noch suffiziente Strukturen vorhanden, welche zur Bandverstärkung bzw. als Bandersatz verwendet werden können, so sollten diese auch verwendet werden, ansonsten kommt ein distal gestieltes Sehnentransplantat zur Anwendung.

In den Händen des Autors haben sich folgende 2 Verfahren bewährt:

  • 1. Es sind noch Bandstrukturen vorhanden, welche als Ersatz verwendet werden können: Modifizierte Methode nach Bröström Gould. Bei dieser Methode werden die vorhandenen Narben-Band-Strukturen im Bereich des Ligamentum talofibulare anterius durch einen Teil des Retinaculum extensorum verstärkt und gleichzeitig das noch vorhandene Lig. calcaneo-fibulare in geraffter Form an den Außenknöchel fixiert. (Abb.1–4)
  • 2. Es sind keine verwendbaren Strukturen mehr vorhanden: modifizierte Bandplastik mit Peroneus-brevis-Hälfte und anatomische Refixation der durch den Außenknöchel gezogenen Peroneus-brevis-Hälfte über Knochenanker am Talus bzw. Fersenbein (Abb. 5–8).

Beide Verfahren sind nach wie vor offene Verfahren, mit dem Vorteil, dass die verwendeten Strukturen genau definiert sind und gezielt verwendet werden können. Bei der arthroskopischen Technik ist die gezielte Verwendung von Sehnenstreifen bisher nicht möglich und insbesonders sind längere Sehnenstreifen nicht realisierbar. Der Vorteil der arthroskopischen Technik liegt in der schnelleren Vollbelastung (12 versus 22 Tage) [8], bei der von uns verwendeten Technik wird der Patient vollbelastend nach 2 Tagen entlassen, sodass dies mit dieser Methode noch schneller realisierbar ist.

Technische Durchführung

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