Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Das schwerste Kapitel: Kodieren von Komplikationsdiagnosen in Orthopädie und Traumatologie
Prinzipien der Kodierung Principle of coding

T. Winter1

Zusammenfassung: In einem Aufsatz im Jahr 2009 in der Orthopädischen Praxis [1] wurde eine Einführung in die Diagnose- und Therapiekodierung nach den Deutschen Kodierrichtlinien publiziert. Der Bericht wird nun mit dem problematischsten Teil der Kodierung fortgesetzt – der Kodierung von Komplikationsdiagnosen. Am problematischsten stellt sich die Kodierung von Komplikationen dar, weil Krankenhäuser und Kostenträger trotz eindeutiger Kodierrichtlinien hier oft unterschiedliche Meinungen vertreten. Nach allgemeinen Bemerkungen zum Thema wird die Definition einer Komplikation wiederholt und die ganze Bandbreite der Komplikationskodierung in der Orthopädie und Traumatologie an Hand konstruierter Beispieldatensätze dargestellt.

Schlüsselwörter: ICD-10-GM; Komplikation; valide Kodierung; DKR; Komplikationsdefinition

Summary: In a survey in 2009 in the journal “Orthopädische Praxis” an introduction in the coding of diagnosis and procedures according to Diagnose related groups (DRG) was published [1]. This survey now will be continued with the most problematic part of coding, the coding of diagnosis of complications. The most problematic coding is caused by different interpretations of the codes between the hospitals and the health insurance, although the DRG are unmistakable. After some general remarks and a definition of complications, the whole spectrum of coding of complications in orthopaedics and traumatology will be given by constructed examples.

Keywords: ICD-10-GM; complication; valid coding; coding of complications

Unter dem Titel „Prinzipien der Kodierung“ hat der Autor im Heft 1/2009 der Orthopädischen Praxis eine Einführung in die Diagnose- und Therapiekodierung nach den Deutschen Kodierrichtlinien publiziert [1]. Der Bericht soll nun mit dem problematischsten Teil der Kodierung – der Kodierung von Komplikationsdiagnosen – fortgesetzt werden. Das Abrechnungssystem nach Fallpauschalen DRG (Diagnose Related Groups) kann nur durch das Befolgen einheitlicher Regularien für die Dokumentation der Abrechnungsfälle funktionieren. Nun gibt es leider trotz aller Regularien unterschiedliche Interpretationen dieser Regeln zwischen den Kostenträgern einerseits und den Leistungserbringern andererseits.

2009 ging es darum, aus einem fiktiven Muster-Arztbrief die darin wörtlich enthaltenen oder versteckt vorhandenen Details der kodierpflichtigen Diagnosen und Prozeduren zu erkennen und anschließend korrekt zu kodieren.

Zitat einer DIMDI-Antwort vom 31.3.2009: „Grundsätzlich ist nach den amtlichen Klassifikationen (ICD-10-GM bzw. OPS) in der jeweils gültigen Version so spezifisch wie möglich zu kodieren, unabhängig vom Ergebnis der Gruppierung. Bei der Kodierung von Diagnosen und Prozeduren im Geltungsbereich des § 301 SGB V sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. ...“

Diese Auskunft ist eindeutig und bietet eigentlich keinerlei Interpretationsspielraum. Hält man sich jedoch daran, gibt es oft Ärger mit den Krankenkassen bzw. dem MDK, der dieses „so spezifisch wie möglich“ nicht selten recht oberflächlich auslegt, insbesondere dann, wenn dieses „so spezifisch wie möglich“ nur mit mehreren Kodes erreicht werden kann. Sind diese nicht DRG-relevant, hat der MDK nichts dagegen. Sind diese jedoch DRG-relevant und führen sie noch dazu zu einer höher bewerteten DRG, besteht der MDK nicht selten darauf, Kodes zu streichen. Der Verzicht auf Ergänzungskodes sei spezifisch genug. Allein diese Argumentation widerspricht bereits der Regel, „so spezifisch wie möglich“.

Inzwischen erhält der Anwender in kritischen Bereichen kaum noch allgemeingültige konsentierte Kodierempfehlungen. Der MDK jedoch verfügt über eigene Listen (z.B. SEG4), die aber nicht allgemeingültig sind. Daher sind nun die Fachgesellschaften und einschlägige Arbeitskreise gefordert, auf dem schwierigsten Kodiergebiet – dem der Orthopädie und Traumatologie – möglichst objektive Kodierempfehlungen auszusprechen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die alphabetischen Register von ICD und OPS infolge der in die Milliarden gehenden Begriffsvielfalt gerade unseres Faches nie in der Lage sein werden, hier auch nur andeutungsweise vollständig sein zu können. In den Fachgesellschaften und Arbeitskreisen hält jedoch die Diskussion weiter an, wie das Konfliktpotenzial zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern wirksam vermindert werden kann, und kann sich – genauso wie in der Selbstverwaltung – noch Jahre hinziehen.

Dieser Beitrag gilt nun der reproduzierbaren, also der spezifischen Kodierung von Komplikationen. Dieser Bereich ist besonders wichtig, da infolge vieler CC-behafteter Diagnosen hier der bisher größte Konfliktstoff zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern zu suchen ist.

Im Aufsatz: Deutsche Kodierrichtlinien – Version 2009 der Zeitschrift Das Krankenhaus [2] kann man lesen: „… Auch werden die Kodierrichtlinien zunehmend entgegen ihrer ursprünglichen Intention ausgelegt. Dieses geht bisweilen so weit, dass selbst Kodierrichtlinien, die eindeutig formuliert sind, zum Zwecke der Rechnungskürzung eine vollständig neue Auslegung erfahren. Es stehen dann nur noch die Erlöse im Einzelfall und nicht mehr die sachgerechte Abbildung der bestehenden Problemfälle im Vordergrund, welche die Grundlage einer möglichst genauen Kalkulation darstellt. Die Kodierung und Abrechnung in den Krankenhäusern wird hierdurch erheblich erschwert. Auch ergibt sich hieraus immer neuer Klarstellungsbedarf in den Kodierrichtlinien.“

Im Gegensatz zu den anderen Fachrichtungen haben wir Orthopäden und Traumatologen mit einer ganz besonderen Schwierigkeit zu kämpfen, wenn wir unsere Sachverhalte in Kodes umsetzen wollen. Es ist, wie schon oft erwähnt, die ungeheure Begriffsvielfalt, die unser Fach im Gegensatz zu allen anderen Fachrichtungen der Medizin mit sich bringt.

Die einzige Möglichkeit, die Vielfalt unserer Vorgänge nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) so spezifisch wie möglich zu kodieren, besteht daher in einer multikausalen Kodierung, d.h. die Vorgänge müssen unter Beachtung der DKR und den Regularien der ICD und des OPS mit mehreren sich ergänzenden Kodes kodiert werden. Dies ist seit Mitte der 80er Jahre bekannt, wird aber von Administration, Gesetzgeber usw. stets unbegreiflicherweise ignoriert. Sinnvoll wäre jedoch zukünftig – wie von Graubner und Zaiss gefordert – ein Sonderzeichen, um zusammengehörende Diagnosen (und Prozeduren) über die „+/*“ und „!“ Ausrufungszeichenregelung hinaus zu kennzeichnen.

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