Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Das schwerste Kapitel: Kodieren von Komplikationsdiagnosen in Orthopädie und Traumatologie
Prinzipien der Kodierung Principle of coding

In dem Aufsatz: „Zum Begriff der Indikationsspezifischen Komplikation“ [3] wird der Begriff „spezifisch“ anhand der Definition „Spezifität“ (... selektive Reaktion eines Antikörpers oder immunkompetenter Zellen mit einem bestimmten Antigen; vgl. Kreuzreaktion ...) des Pschyrembel 257. Auflage erläutert.

Auch das Deutsche Wörterbuch des Brockhaus [4] engt den Begriff „spezifisch“ sehr stark ein: „... spätlat. specificus = von besonderer Art, der spezifische Geruch von Pferd und Schaf; ...; das spezifische Gewicht eines Körpers ...; die spezifische Wärme eines Stoffs ...“ usw.

Mithin müssen in den nun anstehenden Kodierungen, die so spezifisch wie möglich sein sollen, diese entsprechend der Einzigartigkeit, z.B. einer Antigen-Antikörperreaktion, so genau sein, dass deren Rückübersetzung in Klartext den zu kodierenden Sachverhalt so exakt wie möglich beschreibt. Wenn durch Kodestreichungen auch nur geringe Informationen verloren gehen, verbietet sich diese Vorgehensweise, z.B. durch den MDK, von selbst.

Wenn es um Komplikationen geht, wird nicht nur vom MDK gerne die DKR D002 (Hauptdiagnose) zitiert. Da aber die meisten Komplikationen definitionsgemäß nach den Regularien der DKR nicht Hauptdiagnose sein dürfen, trifft die Regel D002 nur selten zu. Denn nach den DKR ist die Hauptdiagnose diejenige Diagnose, die den stationären Aufenthalt verursacht. Eine während des Aufenthaltes aufgetretene Komplikation verursachte den Aufenthalt nicht, sie kann ihn verlängern. Allein deshalb ist die DKR D002 (Hauptdiagnose) im Bezug zur Komplikationskodierung in den meisten Fällen vom Wortlaut her nicht zutreffend, denn sie regelt die Definition der Hauptdiagnose. In den redaktionellen Hinweisen der DKR steht unter III Fallbeispiele: “... Viele Beispiele bilden die vollständige Kodierung ... ab. In anderen Fällen sind nur die Kodes aufgeführt, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Kodierrichtlinie stehen, ...“

Mithin müssen die Beispiele in den DKR nicht so vollständig kodiert sein, damit sie auch anderen Zwecken dienen können.

Aber selbst die D002 führt im Beispiel 4 eines für Doppelkodierung an: Aszites bei Leberzirrhose: Aszites HD Leberzirrhose ND

Es gibt in den DKR noch weitere Beispiele für Doppelkodierungen. So kann man auch diese Beispiele als Begründungen für die Legalität von Doppelkodierungen heranziehen.

Das Aszitesbeispiel passt auch in die DKR D005 (Folgezustände), selbst wenn es dort nicht erwähnt ist, denn der Aszites ist die klare Folge der Leberzirrhose.

Die Regel D005 besagt u.a., dass lediglich für die Folge einer Ursache die Kriterien der Nebendiagnosedefinition gelten müssen (therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen, erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder erhöhter Überwachungsaufwand). Dabei ist interessant, dass der „erhöhte“ Aufwand sich nur auf die Betreuung, Pflege und Überwachung bezieht. Die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen haben nach den DKR und einem Artikel in „Das Krankenhaus“ 11/05 keinen Schwellenwert. Nach der DKR D005 Folgezustände wird aber die Ursache, die eine Folge nach sich zieht, zusätzlich kodiert. Die DKR geben ebenfalls wie erwähnt vor, dass so spezifisch wie möglich kodiert werden soll. Das bedeutet, dass man in der Rückübersetzung der Kodes dem ursprünglichen Sachverhalt so nahe wie möglich kommen muss, um als spezifisch gelten zu können. Mithin muss eine Komplikation auch aus der Rückübersetzung der Kodierung zweifelsfrei als Komplikation erkennbar bleiben.

Im Artikel aus „Das Krankenhaus“ [5] wird vorgegeben, dass seinerzeit im Einvernehmen mit der Selbstverwaltung für die Dokumentation einer Erkrankung grundsätzlich auch mehrere ICD-Kodes zur exakten Beschreibung eines medizinischen Krankheitsbildes erlaubt sind. Aber unmittelbar danach ging die Diskussion unvermindert weiter: „... Sofern keine Möglichkeit besteht, die Erkrankung mit einem Diagnosekode abschließend abzubilden, ist die Kodierung mehrerer beschreibender Kodes kodierrichtlinienkonform.“

Nun ist es eine Tatsache, dass Komplikationen in der Orthopädie und Traumatologie üblicherweise mit den Kodes T79.ff und T8ff ausgedrückt werden. Aber diese Kodes geben in der Rückübersetzung meist nur an, dass es sich um eine auf verschiedene Weise entstandene Komplikation handelt (T79 Frühkomplikation nach einem Trauma; T80.ff z.B. Infusionszwischenfall; T81.ff nach operativer Vorbehandlung ohne Fremdmaterial; T84.ff nach operativer Behandlung mit Transplantaten und anderem Fremdmaterial und T88.ff nach konservativer Vorbehandlung). Sie geben also die Ursache und in den meisten Fällen die Art der Vorbehandlung an.

Welche spezifische Folge die Komplikation nach sich zog, wird mit diesen Kodes nur selten ausgedrückt. Das Gleiche gilt oft für die Lokalisation, an der die Komplikation stattfindet. Dazu ist mindestens ein weiterer Kode notwendig, der die Diagnose der Folge der Komplikation beschreibt (z.B.: nach DKR D005). Dieser weitere Kode gibt jedoch in den seltensten Fällen in der Rückübersetzung wieder, dass es sich um eine Komplikation handelt. Somit sind zur exakten Beschreibung des Vorganges mehrere Kodes notwendig, denn nur aus der Kombination geht hervor, dass es sich einmal um eine Komplikation handelt und welche Folge sich daraus ergibt bzw. wo sich die Komplikation abspielt.

Interpretiert man dies aus dem Vorbeschriebenen, hat selbst die postoperative Blutungsanämie eine Ursache (DKR D005), nämlich eine Blutung T81.0 (unter Beachtung der Exclusiva bei T81 ggf. auch T84.8). In diesen Zusammenhang fällt auch eine Antwort des DIMDI auf die Frage eines Kollegen, ob der D62 (postoperative Blutungsanämie; Blutungsanämie) eine T81.8 zur Kennzeichnung, dass es sich dabei um eine Komplikation handelt, beigestellt werden kann.

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