Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Das schwerste Kapitel: Kodieren von Komplikationsdiagnosen in Orthopädie und Traumatologie
Prinzipien der Kodierung Principle of coding

Sekundäre Komplikationen werden erneut in eine der 5 Klassen eingeteilt.“

Soweit die Auszüge aus den beiden Büchern.

Die nun folgenden aufgeführten
Kodierbeispiele sind konstruiert und mögen „überspitzt“ sein, zeigen aber die Bandbreite der Diskussionen zwischen den Leistungserbringern und Kostenträgern auf und wollen einmal Grenzen setzen, bis wohin die spezifische Komplikationskodierung greifen sollte. Zum anderen soll die Fülle der Beispiele verhindern, dass man die Kodiersystematik von Komplikationen als nicht verallgemeinerbare Einzelfälle darstellt.

Eine Gewähr für die Richtigkeit der Vorschläge kann natürlich genauso wenig wie vom DIMDI übernommen werden. Sie dürften aber der Wahrheit näher sein als die SEG4 des MDK.

In den Kodierbeispielen wird streng unterschieden, ob es sich um Komplikationen nach Eingriffen mit Implantaten und/oder Transplantaten (T84.ff) und Eingriffen ohne Fremdmaterial (T81.ff) handelt. Diese Unterscheidung wird in den Beispielen – auch wenn hier allgemein Unsicherheit bzw. Uneinigkeit herrscht – grundsätzlich auch dann getroffen, wenn sich die Komplikation nicht unmittelbar im Implantat-/Transplantatbereich abspielt, wie z.B. eine oberflächliche Wundheilungsstörung, die nicht bis auf das Implantat reicht, oder bei mittelbaren Komplikationen, wie postoperativen Harnwegsinfektionen.

Die Begründung liegt in der Tatsache, dass Eingriffe mit Implantaten/Transplantaten nicht ohne Weiteres mit denen ohne Implantate verglichen werden können. Da sind z.B. veränderte Zugangswege, größere Wunden, verschiedenste Fremdkörperreaktionen, Kontaminationsmöglichkeiten, Hitzeschäden, Weichteildehnungen, Verletzungen (z.B. penetrierende Schrauben, Drähte usw. mit versteckten Blutungen, Nervenschäden, zerrissene Muskelfasern usw.), veränderte OP-Dauern und viele andere Unterschiede zu nennen.

Kritikern, die vor einer Flut von T8er Kodes warnen, muss entgegengehalten werden, dass Komplikationen ob der orthopädisch-traumatologischen Begriffsvielfalt zu unseren häufigsten Einzeldiagnosen zählen, wenn ein T8er Kode nicht sogar die häufigste Einzeldiagnose ist, was allein einen weiteren Grund dafür darstellt, dass eine derart häufige Diagnose über weitere Kodes spezifiziert werden muss, um eindeutig zu sein. Denn die übrigen fachspezifischen Diagnosen kommen in ihrer Häufigkeit in Kliniken, die noch alles behandeln, nur in sehr wenigen Fällen in über einem Prozent des Patientengutes vor. Jedoch betrug die Komplikationsrate in der 2. Hälfte der 80er Jahre quer über unser orthopädisch-, traumatologisches Fachgebiet 16,9 % – mithin also ein Sechstel [8].

Unter den damals untersuchten 13.745 stationären Aufenthalten fanden sich 3138 Komplikationen. Auf den Schweregrad 1 entfielen 3,6 %; Schweregrad 2: 50,6 %; Schweregrad 3: 9,8 %; Schweregrad 4: 31,7 % und Schweregrad 5: 4,2 %. Eine Komplikation konnte keinem der Schweregrade zugeordnet werden.:

Wie hoch sie heute ist, wird jeder aus seiner Klinik wissen.

Die Beispielserie beginnt mit einem Beispiel von Herrn Bartkowski vom 13.1.09.

Beispiel A: Infizierte Radiusbasisosteosynthese mit Osteomyelitis und sich ausbreitender Unterarmphlegmone, Nachweis von Staph. aureus ausgehend von der Implantat-Knochengrenze. T84.6 + M86.13 + L03.10 + B95.6

Begründung: Die T84.6 gibt lediglich an, dass es sich um eine Infektion im Zusammenhang mit Implantaten handelt, benennt aber nicht den Ausgangsort der Infektion, den Erreger sowie die Tatsache, dass sich die Infektion ausbreitet. Diese fehlenden Informationen werden durch die drei spezifischen Kodes M86.13, L03.10 und B95.6 geliefert.

Beispiel A1: Nun eine andere Variante dieses Beispiels: zwei voneinander unabhängige Infektionen, von denen eine die Ursache für die postoperative Komplikation und die andere eine posttraumatische Komplikation beschreibt.

Infizierte Radiusbasisosteosynthese mit Osteomyelitis mit Staph. aureus und sich ausbreitender Unterarmphlegmone als Frühfolge einer anderen Bagatellverletzung am Unterarm mit Nachweis von Staph. epidermidis. T84.6 + M86.13 + B95.6 + S50.81 + T79.3 + L03.10 + B95.7

Begründung: Zur T84.6 + M86.13 + B95.6 s. „A“. Die zweite Komplikation wird mit einer noch bestehenden Schürfwunde S50.81 am Unterarm, der Frühkomplikation nach Trauma T79.3 in Form einer Infektion, dem Erreger B95.7 und der sich ausbreitenden Art der Infektion L03.10 eindeutig beschrieben.

In der Diskussion anlässlich der Vorstellung des Beispiels in der Sitzung der Kommission 7 (Dokumentation) der Allianz Deutscher Orthopäden und des Arbeitskreises Orthopädie und Unfallchirurgie der GMDS in Berlin 2009 wurde argumentiert, dass man die T79.3 weglassen sollte, da die T79.3: „posttraumatische Wundinfektion andernorts nicht klassifiziert“ bedeutet. Dies sei mit dem Kode L03.10 „Phlegmone an der oberen Extremität“ spezifisch genug beschrieben. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben. Denn das „andernorts nicht klassifiziert“ bezieht sich auf den Begriff der Komplikation. Dieser Begriff geht aus der Rückübersetzung der L03.10 nicht hervor. Somit bedeutet das Weglassen der T79.3 einen nicht unwesentlichen Informationsverlust, der wegen unserer Begriffsvielfalt nicht akzeptiert werden kann.

Beispiel B: Aseptische Wunddehiszenz nach Hüft-TEP-Implantation T84.8 + T89.03???

Begründung und Diskussion: Hinter einfachen Diagnosen verbergen sich nicht selten echte Kodierprobleme. Die Kodierung lediglich mit T84.8 sonstige Komplikationen durch orthopädische Endoprothesen, Implantate oder Transplantate in Verbindung mit der T89.03 sonstige Komplikation einer offenen Wunde besagt in der Rückübersetzung weder, dass sich der Vorgang an der Hüfte abspielt, noch um welche Komplikation es sich handelt. Insofern ist diese Kodierung unbefriedigend.

Der eigentliche Kode für das Aufreißen einer OP-Wunde ist der Kode T81.3. Dieser beschreibt jedoch auch nicht den Ort des Geschehens und erwähnt die Tatsache nicht, dass es sich um eine Operation mit einer Endoprothese handelt. Der Ort des Geschehens ist auch über die T89.03 nicht zu erfassen. Der Ort ist nur über S71.0 offene Wunde an der Hüfte zu beschreiben. Die T81.3 wandelt sich aufgrund der Exclusiva bei T81 durch den Zusammenhang mit einer OP mit Endoprothesen Implantaten oder Transplantaten in T84.8 um, wodurch die Information der Wunddehiszenz zwar verloren geht, diese ist aber in der offenen Wunde mit Ortsbestimmung S71.0 enthalten. Daher lautet die korrekte Kodierung nun T84.8 + S71.0

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