Übersichtsarbeiten - OUP 04/2013

Das schwerste Kapitel: Kodieren von Komplikationsdiagnosen in Orthopädie und Traumatologie
Prinzipien der Kodierung Principle of coding

Die Antwort vom 31.3.09 an den Kollegen lautete: „Die parallele Kodierung von D62 und einem Kode aus dem T-Bereich (z.B. T81.0 entsprechend Alphabetischem Verzeichnis zur ICD-10-GM 2009 (redaktionelle Ergänzung: Gilt auch für 2013) unter „Blutung – postoperativ“ zu finden) ist grundsätzlich möglich.“

Die Antwort ist aus mehreren Gründen interessant, als sie einmal feststellt, dass die T81.8 nicht zur D62 passt, sondern der passende Ergänzungskode auf T81.0 lauten muss. Und zum anderen bestätigt das DIMDI, dass es gestattet ist, die zusätzliche T81.0 allein dazu heranzuziehen, um zu differenzieren, welche der möglichen Blutungsanämieformen, die die D62 umfasst, zutrifft. Denn eine Blutungsanämie ohne Blutung gibt es per definitionem nicht. Umgekehrt gibt es selbstverständlich auch Blutungen, ohne dass es zu einer Anämie kommt. Da es unmöglich ist, alle orthopädisch/traumatologischen Alternativen im Thesaurus unterzubringen, muss dieses Beispiel verallgemeinerungsfähig und somit auch für andere Konstellationen gültig sein. So ist eine pathologische Luxation einer Hüft-TEP nur in der Kombination T84.0 + M24.35 eindeutig rückübersetzbar.

Der MDK gibt im Bezug zur DKR D005 nicht selten an, dass die Beschreibung der DKR eine Liste mit Folgezustandskodes enthält, und behauptet, dass diese Liste vollständig sei. Einen Hinweis, dass diese Liste vollständig sei, gibt es in den DKR nicht. Dies wäre auch absurd, denn die Liste ist lediglich das Ergebnis eines vielleicht nicht einmal vollständigen Suchlaufes, in welchen ICD-Kodes die Buchstabenfolgen “Folgezustände“ und „Folgen“ auftauchen. Dass es unzählig mehr Folgezustände gerade in unserem Bereich gibt, zeigt die ICD-10 an vielen Stellen, da sie zwischen erworbenen Erkrankungen (z.B. M21.ff) und angeborenen Erkrankungen (z.B. Qff) unterscheidet. Erworbene Erkrankungen sind häufig Folgen anderer Erkrankungen einschließlich Vorbehandlungen.

Noch ein Argument stützt die Ansicht, dass die Liste nicht vollständig ist. Denn in den DKR befinden sich je eine vollständige Liste in der P005 und P014, welche Prozeduren nur einmal und welche gar nicht kodiert werden dürften. Es wäre also ein Leichtes gewesen, auch in den DKR anzugeben, falls die Liste in der DKR D005 vollständig wäre, was – um es hier noch einmal zu wiederholen – völlig absurd wäre, weil es die Klassifikation medizinischer Vorgänge und Kausalitäten von Buchstabenverläufen abhängig machen würde. Hier ist die Selbstverwaltung gefragt, für Klarheit zu sorgen. Sonst wird es wohl, wie seinerzeit auch schon bei den Fallpauschalen und Sonderentgelten, die Aufgabe der Sozialgerichte sein, ein Machtwort zu sprechen.

Das Gleiche wie für die D62 gilt für die heiß diskutierte Hypokaliämie (E87.6), deren Ursache (z.B. postoperativ) aus der Rückübersetzung nicht hervorgeht. In Weiß: Diagnostische Bewertung von Laborbefunden [6] findet sich unter „Kalium: … postoperatives Syndrom: K-Mangel oft kombiniert mit K-freien Infusionen, endogener Nebennierenüberfunktion infolge Operationsstress und negativer Stickstoffbilanz. …“ Mithin ist auch das postoperative Syndrom nach der Folgezustandsregel (DKR D005) eine kodierpflichtige (T8ff) Nebendiagnose zur Hypokaliämie E87.6.

Die Quintessenz aus dem bisher Geschilderten lautet demnach: Bis auf wenige Ausnahmen benötigt man zur spezifischen Kodierung von Komplikationen in der Orthopädie und Traumatologie mehr als einen Kode, also einen Kode aus der Gruppe T79 – T88 und mindestens einen weiteren spezifischen Kode, der die Art der Komplikation und meist auch den Ort beschreibt.

Nicht vergessen sei ein weiteres KO-Argument des MDK, welches besagt, der zu beschreibende Sachverhalt sei gar keine Komplikation.

Über den Komplikationsbegriff findet man in den einschlägigen Medizin-Lexika genügend Auskunft. Darüber hinaus hatte sich in den 90er Jahren der damalige Arbeitskreis Dokumentation der damaligen DGOT (heute Kommission 7 der Allianz Deutscher Orthopäden) und der Arbeitskreis Orthopädie der GMDS (heute AK für Orthopädie und Unfallchirurgie der GMDS) intensiv mit dem Thema beschäftigt und damals mit der damaligen DGOT konsentiert (jetzt DGOOC). Die Ergebnisse sind unter anderem im Band 65 der Bücherei des Orthopäden [7] zusammenfassend auf den Seiten 80–83 abgedruckt und 2007 im Buch „Komplikationen gibt es nicht, oder doch?“ [8]. Darin wird auch ein Schema angegeben, Komplikationen in 5 Schwereklassen einzuteilen. Beiden Büchern konnte unter anderem Folgendes entnommen werden.

Zetkin-Schaldach: Wörterbuch der Medizin [9] gibt zu dem Begriff Komplikation Folgendes an: „(lat.) f.: im medizinischen Sprachgebrauch Ereignis, das eine Krankheit, Entbindung, unfallbedingte Verletzungen, Operationen oder andere therapeutische Maßnahmen ungünstig beeinflusst. Unterschieden werden unmittelbare K, z.B. Blutung eines Magengeschwürs, und mittelbare K, z.B.: Bronchopneumonie nach Bauchoperation.“

Der oben genannte AK hat die Definition ergänzt und eine Einteilung in Schweregrade hinzugefügt: „Als Frühkomplikation gilt jedes Ereignis, das in der Lage ist, den stationären Aufenthalt zu verlängern, und als Spätkomplikation jede (Verdachts-)Diagnose, die ambulant nicht abgeklärt und/ oder therapiert werden konnte und in Zusammenhang mit einer vorangegangenen Maßnahme gebracht wird.“

Auch wenn eine Einteilung der Komplikationen in Schweregrade nicht kodierpflichtig ist, sei sie hier ebenfalls zitiert.

Komplikations-Klassifikation nach Winter:

  • Klasse 1: Komplikationen, die durch Zufall entdeckt wurden und keiner Therapie bedurften.
  • Klasse 2: Komplikationen, die mit konservativen Mitteln angegangen wurden, einschließlich konservativer Komplikationsausschluss (auch arthroskopisch, bei reiner diagnostischer Arthroskopie).
  • Klasse 3: Einfache operative Revision ohne vorzeitige Entfernung von Fremdmaterial. Vorzeitige Materialentfernung nur unter vollem Erhalt des Operationsergebnisses.
  • Klasse 4: Operative Revision mit vorzeitiger Entfernung oder Austausch von Fremdmaterial ohne Zurücklassung eines Defektes; Methodenwechsel.
  • Klasse 5: Radikale Herdsanierung mit Defekt oder Arthrodese bzw. Amputation.
  • Klasse 0: Komplikation ohne nähere Angaben.
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