Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Der Diskus am Handgelenk

Harald Hempfling1

Zusammenfassung: Der Discus articularis des Handgelenks ist in Funktion und gutachtlicher Beurteilung vergleichbar mit dem Meniskus des Kniegelenks sowie der Bandscheibe der Wirbelsäule.

Anatomie: Der Discus articularis gehört zu einem komplex aufgebauten Bandsystem des distalen Radioulnargelenks und besteht aus einer oberflächlichen und einer tiefen Schicht, stabilisiert durch die Ligg. radioulnaria.

Pathologie: Unterschieden werden Schäden und Verletzungen, klassifiziert nach Palmer.

Pathomechanik: Kompressions- sowie Distorsions- und Rotationstraumen können zu Diskusläsionen führen, meist als Begleitläsion zu werten.

Schlussfolgerung: Für die Begutachtung bedarf es der Prüfung des Pathomechanismus, der Diagnose sowie der Begleitschäden.

Schlüsselwörter: Discus ulnocarpalis, TFCC-Komplex, Anatomie, Pathologie, Pathomechanismus, Begutachtung

Zitierweise
Hempfling H. Der Diskus am Handgelenk.
OUP 2016; 2: 094–105 DOI 10.3238/oup.2016.0094–0105

Summary: The TFCC complex is comparable with the meniscus of the knee joint and the disc of the spinal column.

Anatomy: The TFCC of the wrist joint belongs to a complex ligament system of the distal radioulnar joint. The disc consists of a superficial and a profound layer, stabilized by the radioulnar ligaments.

Pathology: There is a difference between traumatic and non traumatic (degenerative) lesions.

Pathomechanism: Compression and distraction rotation-forces can lead to disc injuries, in the most cases as an
accompaniment lesion.

Conclusion: For the expert opinion the pathomechanism, the diagnosis and the accompaniment lesions must be
considered.

Keywords: TFCC, anatomy, pathology, pathomechanism, expert opinion

Citation
Hempfling H. Triangular fibrocartilage of the wrist joint.
OUP 2016; 2: 094–105 DOI 10.3238/oup.2016.0094–0105

Einleitung

Die Kenntnis von der Pathologie des Discus articularis reicht bis zum Jahr 1726 zurück. Petit [92] sah die Ursache von posttraumatischen Schmerzen des Handgelenks in einer Mitverletzung des Discus articularis [33]. Trotzdem bestehen nach wie vor Unsicherheit und Unkenntnis über diese wichtige Struktur des proximalen Handgelenks. Dies wird schon an ihrer unterschiedlichen Bezeichnung deutlich: Dreieckplatte, Discus articularis, Discus triangularis, Discus carpalis triangularis, Discus ulnocarpalis, Ligamentum triangulare, Meniskus sowie triangularfibrocartilage-complex (TFCC) [28, 60, 61, 68, 70, 86, 106, 125]. So ist es nicht verwunderlich, dass nicht nur bei der Diagnose und Behandlung, sondern auch bei der Begutachtung von Diskusschäden Schwierigkeiten auftreten.

Nomenklatur und Anatomie

Der Discus articularis des Handgelenks gehört zu einem komplex aufgebauten Bandsystem des distalen Radioulnargelenks, das zusammen mit der Membrana interossea des Unterarms den Radius rotationsstabil an die Ulna und diese wiederum an den Carpus fixiert [95]. Der Diskus als Einzelstruktur spannt sich über der Gelenkfläche des Ellenköpfchens aus, er entspringt am distalen ulnaren Rand des Radius, d.h. am distalen Ansatz der Incisura ulnaris radii, und zieht von da ulnarwärts an den Processus styloideus ulnae und weiter an das Os triquetrum, das Os hamatum und bis an die Basis des Os metacarpale V. Funktionell kann er in 2 Schichten eingeteilt werden [80, 81, 82] mit verschiedenen Ansatzpunkten an der Elle [11]. Sowohl palmar als auch dorsal sind Faserstrukturen ausgebildet, die das gesamte Ulnaköpfchen umgeben. Es besteht ein komplexes fibröses System, das neben dem Diskus das Lig. radioulnare palmare und dorsale erkennen lässt (Abb. 1). Aufgrund dieser Verbindungsstruktur wird der Diskus des Handgelenks als einziges den Radius und die Ulna distal stabilisierendes Band bezeichnet, das auch die Pronation und Supination zulässt [76].

Der Diskus selbst besteht aus 2 Schichten, die oberflächliche (distale) Schicht und die tiefe (proximale) Schicht. Entsprechend teilen sich beide Ligg. radioulnaria, ausgehend von der palmaren und dorsalen Kante der Sigmoid-Notch in 2 Äste, die zum einen an der Basis des Processus styloideus ulnae und zum anderen (tiefe Schicht) an der Fovea ulnae ansetzen. Zwischen beiden Schichten liegt gefäßreiches, lockeres Bindegewebe, das Lig. subcruentum, das weder histologisch noch funktionell ein Band ist. Bei Betrachtung von der Gelenkfläche aus bilden die radioulnaren Bänder eine dreieckige Struktur (triangular ligament) unter Differenzierung der oberflächlichen und tiefen Schicht und mit Einbeziehung der Fovea ulnae. Watanabe [119] ordnet der Gelenkkapsel des DRUG einen ähnlichen Effekt wie den Ligg. radioulnaria zu. Die Gelenkkapsel kommt bei Pronation und Supination über die 90° hinaus, ohne Gelenkkapsel wäre die Unterarmrotation um jeweils 10° erweitert [118]. Am Ellenkopf setzt der Diskus nicht nur am Bandapparat, sondern auch an der Fovea des Ellenkopfs an. Das palmare und das dorsale Lig. radioulnare sind die Hauptstabilisatoren des distalen Radioulnargelenks. So wie sich jedes radioulnare Band nach ulnar erstreckt, teilt es sich auch in 2 Äste (Abb. 2), in einen tiefen Ast, der auf der Fovea der Ulna ansetzt, und in einen oberflächlichen Ast, der sich am Processus styloideus ulnae anheftet. Der Diskus hat also am Ellenkopf 4 Ansätze: einen dorsalen tiefen Ast, einen dorsalen oberflächlichen Ast, einen palmaren tiefen Ast und einen palmaren oberflächlichen Ast.

Mit einbezogen in den Diskuskomplex sind das Meniskushomolog, das Lig. collaterale ulnare und die Sehnenscheide des Musculus extensor carpi ulnaris. Somit setzt sich der Diskus aus 5 Elementen zusammen, die makroskopisch schwer bis nicht zu unterscheiden sind:

  • 1. Discus articularis,
  • 2. Ligg. radioulnaria,
  • 3. Meniscus ulnocarpalis,
  • 4. Lig. collaterale ulnare,
  • 5. Sehnenscheide ECU.

Bezieht man die Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris anatomisch und funktionell mit ein, dann resultiert der ulnokarpale Komplex. Das Lig. discocarpale (ulnocarpale) ist hierbei nicht auszuschließen [98]. Die knöchernen Befestigungspunkte des Discus articularis können mit denen einer knöchernen Sehneninsertion verglichen werden. Es zeigen sich jedoch Besonderheiten, die den Ansatz des Discus articularis am Radius und in einigen Fällen auch am Proc. styloideus von der typischen knöchernen Sehneninsertion abgrenzen. Die Insertion des Discus articularis am Proc. styloideus entspricht dem von Cooper und Misol [24] beschriebenen 4-Zonen-Aufbau, wogegen der Ansatz des Discus articularis am Radius in 2 Punkten von diesem System abweicht. Anstelle des unmineralisierten Faserknorpels liegt unmineralisierter hyaliner Knorpel sowohl in der Zone 2 als auch in der Zone 3 vor. Insofern und trotz dieser Abweichung kann der Diskus als „Sonderform einer spezialisierten Sehne“ bezeichnet werden.

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