Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Der Diskus am Handgelenk

Eine weitere Sonderstruktur ist eine stark vaskularisierte synoviale Aussackung der Articulatio ulnocarpalis mit topografischer Beziehung zum Proc. styloideus ulnae: der Recessus praestyloideus ulnae. Die Öffnung zum Handgelenk ist meist mit Synovialiszotten bedeckt und liegt auf Höhe der Spitze des Discus articularis. Eine pathologische Bedeutung erlangt der Recessus praestyloideus ulnae durch die frühe Beteiligung bei der rheumatoiden Arthritis des Handgelenks. Er liegt genau am Übergang zwischen Diskus und Meniskus, Recessus ulnaris, und entspricht einer proximalen Aussackung des Handgelenkraums bei Anthropoiden [129]. Der ulnare Rezessus besitzt eine enge Beziehung zum Proc. styloideus ulnae (prestyloid recess).

Der Meniskus des Handgelenks wird wiederholt in der Literatur genannt [70, 60, 61, 86, 74, 124]. In der Klassifikation der Diskusschäden [88] ist er jedoch nicht berücksichtigt.

Der Handgelenkdiskus ist randständig blutversorgt mit 10–40 % in der Peripherie. Die von der Kapsel ausgehenden Gefäße dringen von palmar, dorsal und ulnar in den Diskus ein. Der innere horizontale Diskusteil am Radiusansatz ist ohne Blutgefäße [8]. Daraus resultiert, dass eine Heilung im Zentrum und am radialen Ansatz nicht möglich ist; lediglich randständig an der Gelenkkapsel ist eine Naht des Diskus erfolgversprechend. Der Diskus erhält seine Blutversorgung von der Arteria ulnaris (R. carpeus palmaris et dorsalis) und der A. interossea posterior (dorsaler Ast und palmarer Ast).

Der Discus articularis wird innerviert durch Äste des Nervus interosseus posterior, N. ulnaris und N. cutaneus antebrachii posterior [37, 69]. Der radiale und zentrale Diskusteil ist nerval nicht versorgt.

Aus der teilweise fehlenden Innervation lässt sich ableiten, dass bei radialen oder zentralen Diskusschäden (die häufigste Form) die ellenseitige Schmerzsymptomatik durch destabilisierte Diskusbegleitstrukturen entsteht [37].

Die Funktionen des Diskus unterliegen den Einflüssen der sogenannten Plus- und Minus-Varianten in der Länge der Unterarmknochen. Kommt der Diskus zwischen Handwurzelreihe und Elle unter Druck, so ist ein verschleißbedingter Aufbrauch die Folge. Des Weiteren führen Änderungen im Längenverhältnis Elle zu Speiche, zum Beispiel nach der Radiusköpfchenresektion [95], zur Änderung der radioulnaren Differenz und damit zur Diskusdrucküberlastung. Durch die Arbeit von Kim [63] ist bekannt, dass Ulna-Plus-Varianten beim Fötus nicht vorkommen. Die Ulna-Null-Variante findet man mit 20 % Häufigkeit, die Ulna-Minus-Variante überwiegt mit 80 %. Vergleicht man diese Zahlen mit der Verteilung der Ulna-Varianten beim Erwachsenen, so zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter die Ulna-Plus-Varianten von 0 % bei unter 20-Jährigen auf 64 % bei über 60-Jährigen ansteigen. Entsprechend kommt es auch zur Häufung der Diskusdefekte (Tab. 1), da der Druck zwischen Elle und Lunatum mit Zunahme der Ellenlänge ansteigt [109].

Ausgehend von der maximalen Pronation kommt es mit zunehmender Supination zu einer relativen Verkürzung der Elle gegenüber der Speiche. Es entsteht auch eine Verlagerung des Ellenkopfs in der Incisura radii von dorsal nach palmar unter gleichzeitiger Rotation der Elle (Roll-Gleit-Bewegung). Somit entsteht eine Bewegung der Elle zum Radius bei Pronation-Supination in axialer Richtung, von dorsal nach palmar, und dies unter Rotation (Abb. 3).

Um eine vergleichbare und reproduzierbare Ulnavarianz (radioulnare Differenz) am Röntgenbild messen zu können, bedarf es einer standardisierten PA-Aufnahme in Neutralstellung bei Abduktion des Oberarms im Schultergelenk um 90°, 90° Beugung im Ellenbogen und damit Lagerung der Hand in Schulterhöhe. Bei korrekter Lagerung wird am Röntgenbild der Proc. styloideus ulnae im Profil an der Außenseite des Ulnakopfs abgebildet.

Die Struktur des Diskus hängt von der Ulna-Stellung ab, denn die 3 Typen der Ulna-Variante „zeigen ein verschiedenes Verhalten im Aufbau des Diskus“ [68]. Beim normalen Handgelenk geht der Radiusknorpel ohne Niveaudifferenz in den Diskus über, gleichgültig, welcher der 3 Typen vorliegt. Bei der Minus-Variante ist der Diskus dicker, bei der Plus-Variante dünner als bei der Null-Variante [68]. Mit zunehmender Ulna-Variante nimmt die Diskusdicke (mm) ab [29, 30, 90, 26]. Laut Mikic [74] variiert die Diskusdicke im Zentrum zwischen 0,5 mm und 3,0 mm, durchschnittlich beträgt sie 1 mm. Mit zunehmendem Alter nimmt die Diskusdicke ab [66]. Die dann folgenden Diskusdefekte entstehen nicht durch unzureichende Vaskularisation, sondern durch hohe mechanische Beanspruchung. Während bei Neugeborenen und Kindern histologisch lediglich Fibrozyten zu finden sind, zeigen sich bei Erwachsenen zunehmend Knorpelzellen, die nach Pauwels [91] auf eine Druckbeanspruchung des Gewebes mit intermittierender Deformation der Chondrozyten schließen lassen. Dies ist Folge der druckaufnehmenden Funktion und nicht unbedingt eine Degeneration [51], vielmehr eine Texturstörung [50].

Daraus resultiert bezogen auf das zunehmende Alter:

Die Elle wird länger bzw. der Radius wird kürzer [63].

Hultén-Plus nimmt zu, Hultén-Minus nimmt ab [128].

Der Diskus wird dünner [30]).

Diskusdefekte nehmen an Anzahl zu [73, 116].

Diskusdefekte können auch Normvarianten sein, d.h., man findet sie im jugendlichen Alter bei Ulna-Minus-Varianten sogar auch beidseitig [65].

Biomechanik –
Pathomechanik

Die Funktion im distalen Radioulnargelenk sieht die Pronation und Supination vor, wobei sich der Radius um die Ulna dreht. Gleichzeitig kommt es bei der Pronation zur Ulna-Plus-Verschiebung und zur Dorsalversetzung des Ellenkopfs, bei der Supination entsteht eine Ulna-Minus-Verschiebung und eine Volarverlagerung des Ellenkopfs [9, 10], d.h., bei der Supination resultiert eine Palmar- und bei der Pronation eine relative Dorsalverschiebung des Ellenkopfs [1], was zu entsprechenden Druckbelastungen in der Sigmoid-Notch führt [35].

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