Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Der Diskus am Handgelenk

Daraus resultiert, dass mit zunehmendem Lebensalter die Zahl der Hultén-Minusvarianten bis auf null abnimmt, die Zahl der Hultén-Plusvarianten wurde im eigenen Patientengut bis zum 29. Lebensjahr ebenfalls mit 0 % festgestellt. Daraus resultiert, dass, nachdem bei Hultén-Plusvarianten häufiger Diskusschäden gefunden werden als bei Hultén-Minusvarianten, mit zunehmendem Lebensalter auch die Zahl der Diskusschäden zunehmen muss. Es muss beachtet werden, dass statistisch die Ulnalänge rechts und links lediglich in 63 % übereinstimmt. Die Seitendifferenz beträgt bei 37 % 1 mm [31].

Vor der Ära der Arthroskopie und auch der Kernspintomografie war die Arthrografie die Methode der Wahl zur Diskusdiagnostik [77]. Die Kontinuitätsunterbrechung des Diskus mit daraus resultierendem Kontrastmitteldurchtritt durch den Diskus von der proximalen Handgelenkreihe in das distale Radioulnargelenk wurde in aller Regel als „Ruptur“ gedeutet. Tatsächlich kann die Arthrografie aber lediglich den Kontrastmittelweg durch den Diskus in das distale Radioulnargelenk oder in den Diskus nachweisen [67, 96], dazu auch die Lokalisation dieser Stelle. Eine Unterscheidung, ob nun eine Ruptur frischer Art, eine veraltete Ruptur oder ein verschleißbedingter Defekt besteht, ist arthrografisch nicht möglich [4].

Man versprach sich bezüglich der Diskusdiagnostik mehr von der Magnetresonanztomografie. In Kenntnis der Literatur und auch der eigenen Ergebnisse schwankt die Spezifität zwischen 51 % und 100 %, die Sensitivität zwischen 25 % und 100 % und somit die Genauigkeit zwischen 60 % und 97 %. Die Ergebnisse hängen zum einen davon ab, in welcher Technik gearbeitet wurde, zum anderen aber auch von der Lokalisation der Defekte bzw. Rupturen [85]. Die Sensitivität beträgt bei zentralen Schäden 91 %, bei radialen Schäden schwankt sie zwischen 86 % und 100 %, am schlechtesten kommen die ulnaren Diskusschäden zur Darstellung mit 25–50 %. Diese Angaben bestätigen Blazar [13] sowie Haims [39]; ulnarseitige Diskusschäden sind schwerer zu erkennen als radialseitige Diskusschäden. Die Schäden des Meniscus ulnocarpalis sind nach Angaben von Schütz [99] kernspintomografisch nicht erfasst worden.

Aktuell wird die Wertigkeit der MRT-Diagnostik beim Diskusschaden im Vergleich zur Arthroskopie wegen der erheblichen Abhängigkeit von der Erfahrung des Radiologen skeptisch betrachtet [21]. Vergleicht man die Genauigkeit der Kernspintomografie (ca. 70 %) mit der der MR-Arthrografie (ca. 94 %), so erscheint Letztere aussagekräftiger mit einer Spezifität von 90 % und einer Sensitivität von 95 %.

Das wohl sicherste Verfahren zur Diagnostik der Diskusschäden ist die Arthroskopie [58]. Neben der Betrachtung des Diskus vom proximalen Radioulnargelenk aus sollte über den dorsoradialen Zugang auch die Unterseite durch Punktion des distalen Radioulnargelenks von dorsal und volar betrachtet werden [103], um keine Schäden an dieser Lokalisation zu übersehen, wenn die klinische Symptomatik darauf hinweist. Unter Verwendung eines Taststabs ist eine sehr präzise Beurteilung und Beschreibung des Diskus möglich, und gleichzeitig kann auch die Abgrenzung zum Diskusschaden vorgenommen werden [42, 43, 44, 46, 49]. Durch die Arthroskopie ist eine exakte Differenzierung von frischen oder verschleißbedingten Diskusschäden bzw. präexistenten Formvarianten möglich [94, 38]. Da der tiefen Schicht des Diskus mit Ansatz in der Fovea ulnaris eine wesentliche Bedeutung in der Stabilisierung des distalen Radioulnargelenks zukommt [27, 100, 41], auch Lig. subcruentum bezeichnet [93], wird zu dessen Beurteilung die Arthroskopie des distalen Radioulnargelenks empfohlen [46, 103, 64], dies zur Betrachtung der Diskusunterseite [83, 104].

Konkrete Hinweise zur Kausalitätsbegutachtung des Diskusschadens liefert die Histologie bis jetzt nur bedingt. Die feingewebliche Untersuchung ist aber unerlässlich, da sie Hinweise über den Zustand des Diskus gibt. Die Histologie ist eine Bestandsaufnahme eines Gewebes zum Zeitpunkt der Entnahme.

Beurteilung

Die Diskusruptur als Verletzungsfolge muss vom verschleißbedingten Schaden des Diskus, aber auch am skapholunären und am lunotriquetralen Band abgegrenzt werden. Sowohl Risse als auch Defekte kommen nebeneinander vor. Die Problematik liegt in der Häufigkeit der verschleißbedingten Schäden beim klinisch unauffälligen Handgelenk [116, 57, 126]. Im klinischen Alltag handelt es sich bei den verschleißbedingten Schäden entweder um Zufallsbefunde, die nicht Ursache der Beschwerden sind, oder um Vorschäden bzw. Schadensanlagen.

Problematisch ist die Zuverlässigkeit der Diagnostik. So bieten weder die Arthrografie noch die Kernspintomografie eine zuverlässige Aussage über diskoligamentäre Schäden.

Der Diskus des Handgelenks ist nur ein Teil des ellenseitigen Bandkomplexes, bestehend aus Diskus und Meniskus, den Ligg. radioulnare palmare et dorsale, dem Lig. collaterale ulnare, soweit es vorhanden ist, und der Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris. Der Diskus als ligamentartige Platte mit 2 Schichten ist fest mit dem Lig. radioulnare palmare et dorsale verbunden. Diese Bänder sind von großer Bedeutung für die Stabilität im distalen Radioulnargelenk, und somit ist es verständlich, dass nur dann eine Diskusruptur angenommen werden kann, wenn auch eine Beteiligung der genannten Bänder vorliegt, denn nur mit der Ruptur eines der Bänder ist auch eine entsprechende Verschiebung des Diskus an Ansatz und Ursprung erklärbar. Anders verhält es sich bei der Axialverschiebung des Diskus, zum Beispiel durch Distalisierung der Elle; hier kann es auch zur Zerreißung ohne Beteiligung der Ligg. radioulnaria kommen. Dieser Stauchungsmechanismus im Radioulnargelenk ist mit einer Distraktion im distalen Radioulnargelenk verbunden, was zur Kompression des Diskus führen kann. Ein geeigneter Mechanismus für eine isolierte Diskusverletzung ist auch der Hyperextensions-/Pronationsmechanismus, bei dem durch Annäherung des Lunatums an die dorsale Ellenkante der Diskus zwischen Lunatum und Ulnakopf eingeklemmt und damit auch abgeschert werden kann. Von Bedeutung sind Pronations-/Supinationsbewegungen, da es am Übergang von der Pronation zur Supination zur Längenänderung des Diskus kommt. Entsteht dann noch eine Hyperextension, gelingt die axiale Stauchung des Diskus mit der entsprechenden Verletzungsmöglichkeit, allerdings dann ellenseitig dorsal lokalisiert. Liegt eine Ulna-Plus-Variante vor, so kann auch ohne Unfallereignis mit einem Diskusschaden gerechnet werden, dies mit zunehmendem Alter. Daher muss der Diskusdefekt streng von einer tatsächlichen Diskusruptur abgegrenzt werden. Kommt es zur Ruptur des Diskus, so ist dann, wenn der Riss im gefäßführenden Bereich des Diskus lokalisiert ist, mit einer Einblutung ins Gelenk zu rechnen, d.h., es muss ein Hämarthros entstehen. Anders verhält es sich beim Abriss des Diskus vom Radius: Hier liegt eine weitgehend gefäßfreie Zone vor, und daher muss ein Hämarthros nicht obligat sein. Dann ist auch die Refixation infrage zu stellen, da eine Heilung nur in einem Bereich denkbar ist, in dem sich auch Blutgefäße befinden. Bei der isolierten Diskusverletzung kann sich die Kausalität lediglich auf den Unfallmechanismus und auf eine exakte Diagnostik beziehen, allerdings auch unter Berücksichtigung der Ulna-Varianten und des Lebensalters des Patienten.

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