Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Der Diskus am Handgelenk

Des Weiteren ist das proximale Handgelenk einer Druckbelastung ausgesetzt. Sie verteilt sich zu 80 % auf den Radius und zu 20 % auf den Diskus bzw. die Elle [86, 89, 111, 112, 22]. Dementsprechend kann das Radioulnargelenk durch Zug- und Druckkräfte geschädigt werden (vgl. Abb. 3).

Diskusrupturen entstehen durch Kräfte, die entlang der Unterarmachse auf das Handgelenk wirken. Durch die feste Verbindung der beiden Vorderarmknochen über die Membrana interossea werden Kräfte, die bei einem Sturz auf die dorsal flektierte Hand primär über die Elle wirken, auf die Speiche übertragen. Neben den dadurch entstehenden Brüchen der Speiche an typischer Stelle geben sie auch nur zu isolierten Diskusverletzungen Anlass bzw. führen sekundär zu Schaftfrakturen des Vorderarms, meistens im distalen Drittel.

Die 4 Hauptmechanismen für eine Diskusverletzung sind [34]:

  • 1. Das Kompressionstrauma, wobei eine Stoßwirkung in der Längsachse des Unterarms – wie es beim Sturz auf die abstützende Hand der Fall ist – zu einer Kraftübertragung von der proximalen Handwurzelreihe auf den Diskus und das distale Unterarmende führt. Der Diskus kommt dabei zwischen Os lunatum und Capitulum ulnae zu liegen und ist dadurch gerade an seiner schwächsten Stelle einer hohen Druckbelastung ausgesetzt, die zu einer Schädigung des Diskus führen kann (vgl. [41]).
  • 2. Die zweite Möglichkeit einer Diskusschädigung ist gegeben durch eine unphysiologische Zug- oder Druckbelastung des Diskus bei Fehlstellungen am distalen Unterarmende, wie es speziell nach knöchern geheilten Frakturen mit Längendifferenzen der beiden Vorderarmknochen zu beobachten ist (Verletzungsfolge).
  • 3. Bei allen Frakturen im Handgelenkbereich, die mit einer Verschiebung der knöchernen Ansatzpunkte des Diskus einhergehen, ist eine besondere Zugbeanspruchung des Diskus gegeben, die zur zentralen Rissbildung oder zum Ausriss am radialen oder ulnaren Ansatz des Knorpels führen kann.
  • 4. Das Hypersupinationstrauma forcierter Art führt zu einer Zerreißung des Lig. radioulnare, woraus eine Abrissverletzung des Diskus vom Radius und/oder vom Ligament resultiert [36].

Als geeignete Unfallmechanismen (Abb. 4) werden in der Literatur folgende genannt:

Fall auf pronierte, extendierte Hand [123, 9, 10, 88, 7, 34, 25, 108, 101, 102, 97]

Extreme Extension und Pronation [23]

Ellenseitige Zugverletzung (Traktionsverletzung) [10, 25]

Traktions-Pronations-Verletzung [2, 88]

Extreme Extension und Supination [23]

Zug- und Druckbelastungen bei Fehlstellungen am distalen Unterarmende [34]

Extreme Extension [23])

Als Begleitverletzung bei allen Frakturen im Handgelenkbereich, die zu einer Verschiebung der knöchernen Diskusansatzpunkte führen [34]

Bei distalen Radiusfrakturen [101]

Bei Galeazzi-Verletzung bzw. Luxation im DRUG [34]

Hypersupinationstrauma [36, 20]

Hyperpronationstrauma [20]

Ein allgemein geeigneter Mechanismus, der zu einem Diskusabriss von der Fovea ulnare führt, ist ein exzessiver Zug auf das Lig. ulnocapitatum durch eine Hyper-radial-Extension, d.h. durch einen Sturz auf die ausgestreckte Hand [78, 79]. Die meisten der fovealen Abrisse beginnen palmar durch Zug am Lig. ulnocapitatum, wodurch der dorsale, superfiziale Zügel intakt bleibt bis zum kompletten Abriss des ulnaren Ansatzes. Der radiale Abriss entsteht durch Sturz auf die pronierte, extendierte Hand, wobei es durch die Kompression im distalen Ulnokarpalgelenk gleichzeitig zu einer Distraktion im distalen Radioulnargelenk kommt mit Folge der Abrissverletzung vom Radius.

Pathologie

Die pathologische Beurteilung des Discus articularis lässt zum einen eine Betrachtung des intraartikulär gelegenen Teils der Diskusplatte zu, zum anderen aber auch eine Betrachtung des Diskus in seinem Gesamtkonzept. Von diesem muss dann der Handgelenkmeniskus mit seinen Veränderungen abgegrenzt werden [99]. Der Diskus im Gesamtkonzept ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das distale Radioulnargelenk mit betroffen ist, d.h., wenn zum Beispiel eine Beteiligung der Ligg. radioulnaria vorliegt, die ja zusammen mit dem Diskus die Stabilisierung des distalen Radioulnargelenks vornehmen. Die Bänder allein sind nicht für die Stabilität verantwortlich, der Diskus in seiner Gesamtverspannung trägt ebenfalls dazu bei [52]. Ob nun die Ligamenta radioulnaria eigenständige Strukturen darstellen oder nur randständige Verdichtungen des Diskus sind, ist bis heute nicht ausdiskutiert. Auch die Gelenkkapsel des DRUG sei ähnlich den Ligg. radioulnaria für die Stabilität mitverantwortlich [119].

Abgesehen vom Normalbefund gibt es eine glatte, stabile Diskusscheibe als Normvariante, die man im Sinne eines zentralen Diskusdefekts ohne Zeichen von Verschleißerscheinungen bezeichnen kann. Eine Erklärung dafür ist die Längenänderung der Ulna zum Radius [63], was ja bedeutet, dass der Diskus zwischen proximaler Handwurzelreihe und Ellenkopf unter Druck kommt (altersentsprechende Diskusveränderung). Von diesem intakten Diskus und vom nicht verschleißbedingten Diskusdefekt müssen nun krankhafte Veränderungen abgegrenzt werden, die sich in traumatische Schäden und nicht traumatische Schäden einteilen lassen. Als nicht traumatisch werden Ganglien im Discus triangularis [117] oder auch Verkalkungen [110] gewertet, beides als Folge der alters- oder überlastungsbedingten Texturstörung.

Von den Diskusschäden grenzt man die Meniskus- oder Meniskoidläsionen [99] ab. Neben dem einfachen Radiärriss gibt es Lappenbildungen sowie verschleißbedingte Auffaserungen. Die Meniskuspathologie muss von der Diskuspathologie unterschieden werden, was kernspintomografisch schwierig, arthroskopisch aber möglich ist.

Die grundlegende Klassifikation der Diskusläsionen hat Palmer [88] vorgenommen mit der Unterteilung traumatisch (Klasse 1) und degenerativ (Klasse 2). Diese degenerative, d.h. verschleißbedingte Klasse 2 wird auch als Ulnokarpal-Abutment-Syndrom bezeichnet. Unter der Nennung traumatischer Schäden erscheint auch die zentrale Perforation, obwohl diese als Normvariante von der verschleißbedingten Defektbildung abzugrenzen wäre. Bei den ellenseitigen Abrissen ist abgesehen von der reinen Weichteilruptur und der ossären Mitbeteiligung eine Differenzierung bei den Weichteilrupturen der Klasse I B erforderlich, da es eine Unterscheidung der Diskusschichten in eine oberflächliche und tiefe Diskusschicht gibt. Die oberflächliche Schicht setzt am Proc. styloideus ulnae an, die tiefe Schicht (Lig. subcruentum) an der Fovea der Elle [113], und diese Strukturen können vom Ellenkopf einzeln oder zusammen abreißen. Daraus resultiert eine Unterteilung in

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