Übersichtsarbeiten - OUP 10/2017

Die Endoprothetik des Handgelenks – ein positiver Ausblick

Ingo Arnold1

Zusammenfassung: Mit der Entwicklung der
4. Generation von Handgelenk-Implantaten kann bei geeigneter Indikation gegenüber der Arthrodese ein Zugewinn an Komfort und Funktion bei gleichzeitiger Schmerzreduktion/befreiung erreicht werden. Insbesondere RA-Patienten mit kontralateral bereits versteiften Gelenken bevorzugen die „bewegliche Lösung“, wenngleich der Bewegungs- und Kraftzugewinn nur moderat ausfällt. Wesentliche Komplikationsunterschiede zwischen degenerativen (OA) und entzündlichen Verlaufsformen (RA) lassen sich nicht nachweisen. Neuere Arbeiten zeigen günstigere Standzeiten der optimierten Prothesensysteme bei allerdings weiterhin kleinen Fallzahlen und kurzen Nachuntersuchungszeiträumen. Junge Patienten, ein hoher Belastungsanspruch, insuffizienter Knochenstatus oder erhebliche radiokarpale Instabilitäten stellen weiterhin eine Kontraindikation dar.

Schlüsselwörter: Arthrodese Handgelenk, Rheumatoide Arthritis, Totalendoprothese Hand, Übersicht Handgelenk-TEP, Kinematik Handgelenk

Zitierweise
Arnold I: Die Endoprothetik des Handgelenks – ein positiver Ausblick. OUP 2017; 10: 494–503 DOI 10.3238/oup.2017.0494–0503

Summary: With the development of the 4th generation of wrist implants, an improvement in comfort and function while at the same time relieving pain can be achieved with suitable indication against the arthrodesis. In particular, RA patients with contralateral stiffened joints prefer the „mobile solution“, although the movement and power gain is only moderate. Significant complication differences between degenerative (OA) and inflammatory progression forms (RA) cannot be demonstrated. Recent studies show more favorable outcomes and implant survival of the optimized prosthetic systems, but still small case numbers and short follow-up periods underline the necessity of long-term data. Young patients, a high stress claim, insufficient bone status or significant radiocarpal instabilities continue to be a contraindication. Additional prospective studies are needed to compare outcomes of wrist arthrodesis with those of TWA with current implants.

Keywords: total wrist fusion, rheumatoid arthritis, total wrist arthroplasty, review, biomechanics

Citation
Arnold I: Total wrist arthroplasty – a promising prospect.
OUP 2017; 10: 494–503 DOI 10.3238/oup.2017.0494–0503

Einführung

Seit Jahrzehnten ist die Entwicklung von Handgelenkprothesen immer wieder durch vielerlei Fehlschläge begleitet gewesen und wird daher bis heute von vielen Operateuren zugunsten der
Arthrodese abgelehnt. Die Hauptindikation zur Implantation einer Endoprothese am Handgelenk ist weiterhin der sekundär arthrotische postentzündliche Befall bei der Rheumatoiden Arthritis (RA), insbesondere bei schmerzhaft destruierten Handgelenken mit gutem Knochenlager. Weniger die instabilen Verläufe (Typ 3 n. Simmen [33]), sondern die Destruktionstypen 1 und 2 mit intakten Hand- und Fingermotoren stellen eine gute Indikation für die prothetische Versorgung dar. Deutlich seltener wird der Handgelenkersatz bei degenerativer Radiokarpalarthrose (z.B. CPPD Arthropathie) oder auch posttraumatischer Radiokarpalarthrose nach Radiusfraktur durchgeführt. Bei SLAC-Wrist (Scapho lunate advanced collapse) oder SNAC-Wrist (Scaphoid non union advanced collapse) ist bis Stadium III ein Erhalt der Beweglichkeit durch eine mediokarpale Teilarthrodese möglich.

Gleiches gilt für die Lunatum-Malazie, wobei ggf. die Radiusverkürzung in den Anfangsstadien oder im Stadium III die proximale Row Carpectomie (PRC) die Methode der Wahl ist, da die Fossa lunata des Radius noch eine intakte Gelenkfläche aufweist. Erst bei vollständiger radiokarpaler Arthrose ist ggf. die Panarthrodese, alternativ auch die Totalendoprothese, bei entsprechendem Leidensdruck indiziert. Die bewegliche Lösung i.S. der Handgelenkarthroplastik bleibt im Vergleich zum Hüft- oder Kniegelenkersatz aber weiterhin eine selten durchgeführte Prozedur. So wurden in Norwegen 2016 über 8000 künstliche Hüft-TEPs und mehr als 6000 Knie-TEPs eingesetzt, aber nur 34 Handgelenkprothesen implantiert [28]. Ähnliche Relationen zeigen auch die angelsächsischen Register. Im Gegensatz zu einer generellen Abnahme rheumaorthopädischer Eingriffe infolge einer besseren Krankheitskontrolle im Zeitalter der Biologika ist allerdings in Skandinavien ein leichter Anstieg implantierter Totalendoprothesen des Handgelenks bei RA-Patienten zu verzeichnen. Dieses Vorgehen konkurriert mit der kompletten Versteifung des Handgelenks, insbesondere im Rahmen komplex destruierter und instabiler radiokarpaler Situationen (Writhington Stadium 3), welche weltweit in vergleichbaren Fällen durchschnittlich 5x häufiger favorisiert wird.

US-amerikanische Versicherungsdaten des Jahres 2015 bestätigen diese Relation [22]. Dort kamen auf 1765 Handgelenkarthrodesen 410 Endoprothesen zur Abrechnung. Die weiterhin vielfach propagierte Panarthrodese des Handgelenks stellt allerdings keineswegs ein durchweg komplikationsarmes und sicheres Verfahren dar. In einer Nachuntersuchung aus dem Jahre 2003 von de Smet und Truyen [9] fand sich ein schmerzfreies Resultat nach Ablauf von 4 Jahren nur in unter 20 % der Patienten. 30/36 Patienten hatten noch 4 Jahre nach Arthrodese Schmerzen.

Field et al. [11] berichten über eine Komplikationsrate von 40 %. Hierzu zählten Sehnenadhäsionen oder -rupturen, sekundäres Karpaltunnelsyndrom, Wunddehiszenz und Infektion, komplexes regionales Schmerzsyndrom, hardwarebezogene Fraktur und Hämatom, ggf. non-union. Die Patienten zeigten sich zwar subjektiv nach der Handgelenk-Fusion zufrieden mit Blick auf erreichte Schmerzlinderung, jedoch fanden sich bei 14 von 22 am Handgelenk fusionierten Patienten noch Beschwerden. Zudem wiesen alle Patienten relativ schlechte funktionelle Scores auf. Die Bewegungsumfänge der Fingergrundgelenke und des Daumens verschlechterten sich und nur 50 % der operierten Patienten kehrten zu ihrer ursprünglichen Beschäftigung zurück. Murphy et al. [26] verglichen 24 Arthrodesen mit 27 Arthroplastien innerhalb eines Zeitraums von 1–5 Jahren. Obwohl sich keine statistisch signifikanten Unterschiede für den PRWE (Patient Related Wrist Evaluation) und DASH Score (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand) ergaben, fiel den TEP-Patienten die Verrichtung ihrer alltäglichen Bewegungsabläufe leichter. 22 der fusionierten Patienten favorisierten rückblickend trotz verbesserter Schmerzen wieder ein bewegliches Handgelenk.

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