Übersichtsarbeiten - OUP 10/2017

Die Hand des Musikers

Der Musikerkrampf, die fokale Dystonie, tritt bei 1–2 % der professionellen Musiker auf und ist gekennzeichnet durch einen oft schleichenden Verlust feinmotorischer Fähigkeiten, die zuvor auf einem relativ hohen Niveau ausgeführt werden konnten. Wenngleich sich die Symptomatik der Dystonie an der Hand durch Einrollen oder Abspreizen einzelner Finger während des Instrumentalspiels manifestiert, so ist doch die Ursache im zentralen Nervensystem zu suchen. Die fokale Dystonie ist ein sehr anspruchsvolles und komplexes Thema. Eine ausführliche Darstellung würde den Rahmen dieses handchirurgischen Beitrags überschreiten und wird deshalb in einem nachfolgenden Beitrag ausführlich dargestellt.

Therapeutisch soll, wann immer möglich, versucht werden, die Handbeschwerden des Musikers durch eine konservative Therapie zu beheben. So kann ein Schnappfinger mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 50 % durch eine lokale Kortikoid-Injektion (z.B. 5 mg Dexamethason) behoben werden. Es empfiehlt sich, zuvor eine kleine lokale Anästhesie (z.B. 0,5 ml Carbostesin) durchzuführen, da die Injektion sonst erhebliche, wenn auch vorübergehende Beschwerden verursachen kann.

Operationsindikationen sollten sehr kritisch gestellt werden. Bei sicherer Indikation soll aber beherzt und mit üblicher Sorgfalt operiert werden. Wie schon zuvor erwähnt, sind die Ergebnisse auch nach operativer Behandlung bei Musikern meistens sehr günstig, da eine hohe Motivation und Compliance in der postoperativen Nachbehandlung vorausgesetzt werden kann.

So sollte z.B. bei einer Grundgliedfraktur ebenfalls eine konservative Behandlung, z.B. mit einem dynamischen Böhler-Cast angestrebt werden. Das Grundglied der Langfinger ist zirkulär von Gleitstrukturen umgeben. Ein operativer Eingriff, insbesondere mit Osteosynthese im Bereich des Grundglieds, erhöht die Gefahr einer Narbenbildung, die das Gleiten streckseitiger Strukturen behindern und somit zu einer erheblichen Störung der Funktion des Fingers führen kann.

Klinische Fallbeispiele

Im Folgenden werden einzelne klinische Beispiele dargestellt. Abbildung 3a zeigt eine fortgeschrittene Dupuytren‘sche Kontraktur des Kleinfingers bei einem Geiger (Stadium 4 nach Iselin). In diesem Fall war eine ausgedehnte Operation mit kompletter Aponeurektomie und multiplen Z-Plastiken am Kleinfinger erforderlich. Trotz des fortgeschrittenen Zustands gelang eine spannungsfreie vollständige Streckung des Fingers unmittelbar am Ende der Operation (Abb. 3b). Der Patient hat sich 5 Jahre später aus anderen Gründen in unserer Handsprechstunde vorgestellt. Abb. 3c zeigt das postoperative Bild 5 Jahre später. Erstaunlicherweise hat sich in der Zwischenzeit trotz der schwierigen Ausgangssituation kein Rezidiv gebildet. Die Hand ist uneingeschränkt funktionsfähig in Beugung, Streckung und Sensibilität.

Natürlich ist die Dupuytren‘sche Kontraktur keine ausgesprochene Musikererkrankung, sie trifft ihn nur besonders schwer, und es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der vorgestellte Fall zu falschen Schlussfolgerungen führen könnte. Die Operation lässt sich am günstigsten im zweitgradigen Stadium, mit gerade beginnender Einbeugung eines Fingers bewerkstelligen. In diesem Stadium ist die Operation übersichtlich durchzuführen und meist nur auf die Hohlhand beschränkt. Intraoperative Verletzungen von Nerven oder Gefäßen sind extrem selten. Aus schon erwähnten Gründen scheuen Musiker oft den Gang zum Chirurgen, weil sie verständlicherweise Angst vor einer Operation haben. In diesem Punkt werden sie häufig auch von Hausärzten falsch beraten, mit der Empfehlung, so lange wie möglich zu warten. Die Operation im Endstadium ist schwierig, die Gefahr der Verletzung wesentlich größer und das Rezidiv ist kaum zu vermeiden. Deshalb sollten aus diesem Grund Musiker so früh wie möglich dem Handchirurgen vorgestellt werden!

Abbildung 4a und b zeigen eine Rhizarthrose an der linken Hand bei einer Fagottistin. Die Rhizarthrose tritt bei Frauen wesentlich häufiger auf als bei Männern, insbesondere in der Menopause und im Zusammenhang mit der Fingerpolyarthrose. Man kann sich vorstellen, dass unter diesen Voraussetzungen die Handhabung eines so schweren Instruments mit übermäßiger Belastung, insbesondere des Daumens, erschwerend hinzukommt. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass man ggfs. die Belastung der Hand durch eine Tragevorrichtung mit einem Halsband verringern kann. Aufgrund der Beschwerden war nach Ausschöpfen der konservativen Therapie dann doch ein operatives Vorgehen erforderlich. Dies wurde in typischer Weise mit einer Resektionsarthroplastik, d.h. Entfernen des großen Vieleckbeins einschließlich Suspensionsplastik mit Aufhängung durch einen Sehnenstreifen durchgeführt. Das Röntgenbild nach 5 Jahren zeigt das übliche Tiefertreten des ersten Mittelhandstrahls (Abb. 4c).

Die Patientin ist völlig beschwerdefrei und kann ihr Instrument ohne Beeinträchtigung und ohne Schmerzen spielen. Hier ist auch die hervorragende Motivation in der Nachbehandlung und mit frühzeitigen Übungsbehandlungen am Instrument zu erwähnen. Wir rechnen bei einem normalen handbelastenden Arbeiter mit einer durchschnittlichen Rückkehrzeit in den Beruf von ca. 3 Monaten. In diesem Fall konnte die Patientin bereits wesentlich früher ihre normale musikalische Tätigkeit im Orchester wieder aufnehmen.

Als Beispiel für ein relativ seltenes Nervenkompressionssyndrom zeigt Abbildung 5a ein Interosseus-anterior-Syndrom rechts bei einem Gitarristen. Der Nervus interosseus ist der erste motorische Abgang vom Nervus medianus, etwa 3–4 Querfinger unterhalb des Ellenbogengelenks. Er versorgt den Daumenbeuger wie auch den tiefen Beuger des Zeigefingers. Das Bild zeigt einen normal gerundeten Spitzgriff der gesunden linken Hand. Auf der rechten Seite ist die Daumenbeugung noch partiell intakt, es findet sich jedoch eine komplette aufgehobene Beugung des Zeigefingerendgelenks. Die präoperativ beim Nervenkompressions-Syndrom immer durchgeführte neurophysiologische Untersuchung bestätigte den Verdacht auf ein Interosseus-anterior-Syndrom.

In Abbildung 5b zeigt der Patient den Schmerzpunkt, damit markiert er genau die Höhe des Abgangs des Nervus interosseus. Ursächlich verantwortlich war ein permanenter Druck durch die relativ scharfe Gitarrenkante (Abb. 5c). Nach passagerer Polsterung in diesem Bereich (Abb. 5d) kam es zu einer langsamen Besserung der Interosseus-Symptomatik mit Rückkehr der Beugung auch im Zeigefingerendgelenk, sodass der Patient auch rechts wieder einen normalen gerundeten Spitzgriff demonstrieren konnte (Abb. 5e). Eine endgültige Lösung wurde dann durch eine Abrundung der Gitarrenkante mit einer Holzleiste herbeigeführt (Abb. 5f).

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