Originalarbeiten - OUP 11/2013

Effekte einer pneumatischen Blutsperre im Rahmen einer Knietotalendoprothesen- Implantation
Eine Fall-Kontroll-StudieA case control study

Nur ganz wenige Studien befassen sich mit der Erfassung von postoperativen Schmerzen und dem Schmerzmittelverbrauch. In der vorliegenden Arbeit wurden der globale Schmerz und der Schmerzmittelverbrauch innerhalb der ersten 12 h postoperativ erfasst. Ein signifikanter Unterschied im Schmerzmittelverbrauch (p = 0,0013) lag allerdings lediglich in den ersten 4 Stunden postoperativ vor. Höchstwahrscheinlich ist der erhöhte Verbrauch an Schmerzmitteln in der Fallgruppe mit der Benutzung einer pneumatischen Blutsperre verbunden. Ähnliche Ergebnisse zeigen die Studien von Abdel-Salam et Eyres [8] und Vandenbusche et al. [9], die ebenfalls einen erhöhten Schmerzmittelbedarf bei der Verwendung einer Blutsperre nachweisen konnten.

Kontrovers wird dagegen das Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose bei Verwendung einer Blutsperre gesehen, wobei die medikamentöse Thromboseprophylaxe eine entscheidende Rolle spielt. Im angloamerikanischen Raum wird häufig Warfarin [2, 10] und in Europa werden niedermolekulare Heparine zur medikamentösen Thromboseprophylaxe eingesetzt [8]. Auch der Beginn der medikamentösen Thromboseprophylaxe wird unterschiedlich gehandhabt. Es gibt sowohl den prä- als auch postoperativen Beginn. Daneben gibt es noch die Möglichkeit der zusätzlichen mechanischen Kompression über sog. Anti-Thrombosestrümpfe (ATS), aber auch hierbei variiert die Kompressionsklasse als auch die Dauer der Anwendung.

Wakankar et al. untersuchten im Rahmen einer kontrolliert, randomisierten klinischen Studie die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose bei Verwendung einer Blutsperre im Rahmen einer Knietotalendoprothesenimplantation [10]. Wie in der vorliegenden Arbeit fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Diese Beobachtungen wurden auch von anderen Autoren bestätigt [9, 11]. Nach aktuellem Wissensstand gibt es nur eine einzige Arbeit von Abdel-Salam und Eyres, die diesen Beobachtungen widerspricht und ein erhöhtes Thromboserisiko (10 %) bei Verwendung einer Blutsperre nachweisen konnten [8]. Das vermutlich nicht erhöhte Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose gründet auf den Beobachtungen von Fahmy und Patel und Aglietti et al.. Sie beobachteten in der Tourniquet-Gruppe nach Lösen der Blutsperre eine erhöhte fibrinolytische Aktivität im Blut und vermuten, dass es zu einer Aktivierung von Plasminogen-Activator aus dem vasculären Endothel kommt, was letztlich zur Abnahme der Thrombosehäufigkeit führt [12, 13].

Ein schlechtes postoperatives Ergebnis oder eine verminderte postoperative Beugefähigkeit kann mit längeren Operationszeiten, wie z.B. in der Arbeit von Vandenbusche et al. [9] (durchschnittlich 151 min), assoziiert sein, da das Risiko einer Schwellung, der intraartikulären Ergussbildung und der Muskeldysfunktion erhöht ist. Ein direkter Vergleich mit der vorhandenen Literatur ist diesbezüglich schwierig, weil zum Teil nur zwischen einer Beugefähigkeit von < 90° oder > 90° unterschieden wird [9].

In der aktuellen Arbeit zeigen sich keine Unterschiede in der postoperativen Beugefähigkeit zum Zeitpunkt der Entlassung (94° vs. 92°; p = 0,17) und dem postoperativen Schmerzmittelverbrauch (2,2 mg/h vs. 2,1 mg/h; p = 0,32). Die Operationszeiten lagen in der Fallgruppe und der Kontrollgruppe bei durchschnittlich 77,8 bzw. 78,8 min (nicht signifikant; p = 0,74). Verglichen mit der Arbeit von Li et al. aus dem Jahre 2009 bestätigt sich, dass die pneumatische Blutsperre scheinbar keinen Einfluss auf die postoperative Beugefähigkeit und das subjektive Schmerzempfinden hat [1]. Abdel-Salam et Eyres kommen allerdings zu einem vollkommen anderen Ergebnis. Sie fanden in ihrer Arbeit einen signifikanten Vorteil zugunsten der Gruppe, die ohne Tourniquet operiert worden sind [8].

Gründe hierfür sind, dass das präoperative Bewegungsausmaß häufig unterschiedlich ist, und möglicherweise besteht auch ein Zusammenhang zwischen Operateur und Wahl des Zugangswegs zum Kniegelenk.

In dieser Studie handelt es sich ausschließlich um Patienten, die von einem Operateur (SE) versorgt worden sind. In den Arbeiten von Wakankar et al. [10] handelt es sich dagegen um 5, bei Li et al. [1] um 4 Operateure, die letztlich einen nicht zu vernachlässigenden Einflussfaktor darstellen. Aber auch andere Faktoren, die in keiner der Studien evaluiert wurden, könnten eine Rolle spielen. Zum Beispiel die Intensität oder der Beginn der Physiotherapie. Bei Li et al. [1] wird mit der Mobilisation 24 Stunden postoperativ mit einer Belastung von ½ Körpergewicht angefangen. Es wird keine CPM-Schiene (Continuous Passiv Motion) benutzt, aber es werden direkt postoperativ isometrische Übungen durchgeführt. Ein anderes Vorgehen findet man in der Arbeit von Vandenbussche et al. [9], der ab dem 2. postoperativen Tag isometrische Übungen sowie eine Mobilisation mit vollem Körpergewicht beschreibt. In der Studie von Abdel-Salam et Eyres [8] wird ab dem 2. postoperativen Tag nur der Einsatz einer CPM-Schiene angegeben. Zu einer Mobilisation mit Teil- oder Vollbelastung werden keine Angaben gemacht.

Im Vergleich dazu wurden in dieser Arbeit die Patienten ab dem 2. postoperativen Tag unter Vollbelastung mobilisiert. In der ersten Woche durfte der Patient schmerzadaptiert mit Unterarmgehstützen voll belasten und ab der 2. Woche war bereits eine Vollbelastung ohne Unterarmgehstützen erlaubt. Die Mobilisation wurde ab dem 2. Tag durch isometrische Übungen der Muskulatur des Beines und durch eine CPM-Schiene unterstützt.

Stärken und Schwächen
der vorliegenden Arbeit

Die geringe Anzahl an Patienten ist ein Nachteil dieser Untersuchung, ebenso dass es sich nicht um eine prospektiv randomisierte Studie handelt.

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