Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Einsatz von Kollagen-Hydrolysat als Nahrungsergänzungsmittel zur Behandlung von Patienten mit Arthrose

Diese Befunde konnten in-vivo bestätigt werden. Die männlichen Tiere des STR/ort-Mäusestamms werden mit einer Hüftdysplasie geboren, was zur Folge hat, daß 85 % der Mäuse im Alter von 35 Wochen eine Arthrose im medial-tibialen Plateau ausbilden. In einer Studie wurden 48 männliche Mäuse, die 6 Monate alt waren, in 2 Gruppen unterteilt [20]. Eine Gruppe erhielt 3 Monate lang 0,15 mg KH pro Gramm Körpergewicht, eine Kontrollgruppe erhielt über denselben Zeitraum täglich ein Rinderserumalbumin. Die Mäuse wurden nach Ablauf von 3 Monaten getötet. Eine Untersuchung des Knorpels der Kniegelenke der Mäuse zeigte bei der semi-quantitativen histopathologischen Untersuchung bei den mit Albumin gefütterten Tieren einen Arthrosegrad, der dem bekannten Verlauf bei diesem Mäusestamm entspricht. Der Arthrosegrad war bei den mit KH gefütterten Tieren statistisch signifikant geringer. Eine Studie mit einem 2 Monate alten STR/ort-Mäusestamm zeigte ähnliche Ergebnisse [19]. Beide Studien legten eine Wirksamkeit des KH im Sinne eines potenziell struktur-modifizierenden Agens nahe. Der erste Versuchsansatz entspricht dem der Sekundärprävention [20] und der zweite [19] dem der Primärprävention.

In den 1970-er und 1980-er Jahren wurde eine Fülle von einarmigen und nicht-kontrollierten Studien veröffentlicht [7, 5, 17, 25], die bei Patienten mit diagnostizierter Arthrose mit einer Dosierung von 7 Gramm KH über 1–6 Monate hinweg eine Schmerzreduktion sowie eine Beweglichkeitsverbesserung zeigten.

Die erste nach den Regeln von Good Clinical Practice durchgeführte Studie zum KH erfolgte in den Jahren 1996 bis 1998. Moskowitz führte eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 389 Patienten mit Kniegelenkarthrose Kellgren-Lawrence II/III durch, wobei die Studienteilnehmer in 2 Gruppen randomisiert wurden, Einnahme von 10 g KH pro Tag versus Placebo [14]. Die Patienten wurden in 20 Zentren in den USA, Großbritannien und Deutschland rekrutiert. Die Einnahmedauer betrug 24 Wochen. Die klinischen Endpunkte wurden definiert durch die Veränderung von Schmerz und Funktion gemessen durch den WOMAC (Western Ontario MacMaster Score). Bei den an den deutschen Zentren rekrutierten Patienten (n = 112) lag eine statistisch signifikante Überlegenheit des KHs gegenüber Placebo vor mit p = 0,004 für WOMAC Schmerz und p = 0,002 für WOMAC Funktion. An den US-amerikanischen (n = 173) (p = 0,351 für WOMAC Schmerz und p = 0,489 für WOMAC Funktion) und den britischen Zentren (n = 29) (p = 0,954 für WOMAC Schmerz und p = 0,815 für WOMAC Funktion) war die Studie negativ. Dies war am ehesten dadurch begründet, daß die Drop-out-Rate an den deutschen Zentren mit 7 % niedrig und an den amerikanischen und britischen Studienzentren mit je 42 % und 37 % hoch war.

In einer weiteren Studie stellte Rippe [30] bewusst die Gelenkfunktion in den Mittelpunkt. Die Endpunkte der betreffenden Studie waren isometrische und isokinetische Parameter wie Drehmomente, Kraftübertragung und Leistung, die mit dem Apparat Biodex System B2000 (Abb. 2) gemessen wurden. An 250 Patienten mit leichter Kniegelenkarthrose, bei einer Randomisierung 10 g KH versus Placebo, zeigte sich bei Drehmoment bei Streckung, Drehmoment bei Beugung und Kraftübertragung bei Streckung mit p-Werten von je 0,015, 0,022 und 0,031 für das KH eine statistische Überlegenheit.

Das Ziel der bisher aufgeführten Humanstudien war, eine Wirkung des KH bei Arthrosepatienten auf Schmerz und Funktion zu belegen. Bis dato gibt es nur eine Humanstudie zum KH, in der ein strukturrelevanter Parameter als primärer Endpunkt festgelegt wurde. Da das KH eine Wirkung auf die extrazelluläre Knorpelmatrix hat, erschien es sinnvoll, für den Nachweis einer strukturmodifizierenden Wirkung einen Parameter zu wählen, mit dem sich Veränderungen der Knorpelmorphologie messen lassen. Zur Zulassung von DMOADs sehen die European Medicines Agency (EMA) und die Food and Drug Administration (FDA) [4] vor, dass eine Veränderung des Gelenkspalts durch eine posterior-anteriore Röntgenaufnahme des Kniegelenks im Sinne von vorher-nachher nachgewiesen werden muss.

Der Hintergrund dieser Richtlinie liegt darin begründet, dass angenommen wird, dass die Größe des auf dem Röntgenbild gemessenen Gelenkspalts mit der Knorpeldicke im Kniegelenk korreliert. Um Röntgenaufnahmen von Patienten weltweit vergleichbar zu machen, gibt es strikte Vorgaben. Durch Einführung der Kernspintomografie als bildgebendes Verfahren konnte allerdings gezeigt werden, dass der Kniegelenkspalt mehr von der Anatomie und Lage des Meniskus als von der Knorpeldicke abhängt [1]. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Osteoarthritis-Initiative (eine epidemiologische Studie in den USA, bei der in 4 Studienzentren 4796 Patienten mit Kniearthrose oder Risikofaktoren für Kniearthrose rekrutiert wurden, und die jährlich über 8 Jahre hinweg klinisch und auch mit Röntgen und Kernspintomografie nachuntersucht werden) wurden die Röntgenbilder von 967 Knien mit den dazugehörigen Kernspintomografien über einen Zeitraum von 1 bzw. 2 Jahren verglichen [28].

Schlussfolgerung dieser Untersuchung war, dass man mithilfe der Kernspintomografie detaillierter Veränderungen der Knorpelstruktur nachweisen kann als mit dem Röntgen. Eine räumliche Zuordnung der Veränderungen in der Knorpelmatrix war mit den Röntgenaufnahmen in der untersuchten Patientenkohorte nicht möglich. Das Röntgen hat sich somit für die Knorpelmorphologie als ein eher ungeeignetes Verfahren erwiesen. Die Kernspintomografie mit Gabe des Kontrastmittels Gadolinium-diethylen-triamin-penta-acetat (Gadolinium-DTPA) erschien das sensitivere Verfahren, um für das KH eine strukturmodifizierende Wirkung nachzuweisen.

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