Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Ergebnisse der arthroskopisch-kontrollierten Adaptierung femoraler vorderer Kreuzbandrupturen unter Berücksichtigung der Durchblutung

Bettina Eglseder1, Harald Hempfling2

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Annahme, dass die Adaptierung des vorderen Kreuzbands nicht mit den Ergebnissen einer Kreuzbandersatzplastik vergleichbar sei, erscheint unberechtigt.

Patienten/Material und Methoden: Zwischen 1988 und 2011 wurden 279 Patienten mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbands mittels Adaptierung arthroskopisch operiert. 152 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren konnten befragt werden.

Ergebnisse: Bei funktioneller Weiterbehandlung entstanden in 80 % der Fälle stabile Kniegelenke.

Schlussfolgerung: Die operativen Ergebnisse der Adaptierung sind mit denen der Kreuzbandersatzplastik vergleichbar.

Schlüsselwörter: vordere Kreuzbandruptur, OP-Technik, Bandnaht, Bandadaptierung, Ergebnisse

Zitierweise
Eglseder B, Hempfling H. Ergebnisse der arthroskopisch-kontrollierten Adaptierung femoraler vorderer Kreuzbandrupturen unter Berücksichtigung der Durchblutung.
OUP 2015; 6: 294–300 DOI 10.3238/oup.2015.0294–0300

Summary

Background: The assumption, that the adaption of the anterior cruciate ligament is not comparable to the results of a cruciate ligament reconstruction appears unjustified.

Patients/material und methods: Between 1988 and 2011, 279 patients with a ruptur of the anterior cruciated ligament were treated with an arthroscopic adaption. 152 patients with an average age of 36 years could be checked.

Results: Using a functional postoperative treatment, in 80 % of cases the knee joints were stable.

Conclusion: The operative results using the adaption of the anterior cruciament ligament are comparable to the results of ligament reconstruction.

Keywords: anterior cruciate ligament ruptur, surgical technique, ligament suture, ligament adaptation, results

Citation
Eglseder B, Hempfling H. Results of arthroscopic-controlled adaption in femoral LCA ruptures noting the blood supply.
OUP 2015; 6: 294–300 DOI 10.3238/oup.2015.0294–0300

Einleitung

Kreuzbandrupturen werden häufig bei Kniegelenkverletzungen festgestellt. Die konservative Behandlung führt zu Folgeschäden, wenn nicht konsequent und über viele Jahre ein gezielter Muskelaufbau die daraus resultierende, zunächst nur vordere Instabilität kompensiert. Die Folge der Kreuzbandverletzung bei nicht behandelter Instabilität, ist eine daraus resultierende Arthrose mit all ihren Folgen.

Ziel der Therapie einer Kreuzband-ruptur ist die Wiederherstellung des anatomischen und funktionellen Gefüges in seiner möglichst ursprünglichen Form. Selbst die populären operativen Verfahren (Abb. 1), wie die Kreuzbandersatzplastik, bergen Komplikationen. Unter Berücksichtigung der theoretischen Vorteile der Adaptierung bleibt die Frage offen, ob nicht auch diese Therapieform an die Ergebnisse der Bandplastik unter bestimmten Voraussetzungen anknüpfen kann, da die Bandadaptierung zwar technisch einfacher, aber wegen der Notwendigkeit einer frühzeitigen Durchführung auch schlechter planbar ist, als die Bandplastik. Zurzeit wird aber die Kreuzbandplastik als „Goldstandard“ favorisiert: Angeblich liefert nur sie gute Ergebnisse und ist über lange präoperative Zeit planbar, oft auch als Zweiteingriff nach arthroskopischer Diagnosestellung und Resektion der Kreuzbandstümpfe.

Material und Methoden

Das Studienkollektiv setzt sich aus Patienten zusammen, deren femurnahe, vordere Kreuzbandruptur im Zeitraum von 1988 bis 2011 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau (UKM) mittels einer Adaptierung versorgt wurde (n = 279). Die Patientendaten dienten als Grundlage für die spätere Auswertung und Interpretation der Ergebnisse, was auch eine Beurteilung des Erfolgs der Operation in Abhängigkeit vom OP-Zeitpunkt erlaubt.

Die Adaptierung des vorderen Kreuzbandes wird arthroskopisch durchgeführt. Nur wenn der wesentliche Gefäßast erhalten ist, ist eine Adaptierung bzw. Refixation erfolgversprechend. Es kommt PDS als synthetisches Material (monofile Fadenstruktur) zum Einsatz. Nach der „Caspari“-Technik wird das Kreuzband durch den anteromedialen Zugang gefasst, und zwar in der Kessler-Technik. Über eine laterale Stichinzision mit Spaltung des Tractus iliotibialis kann mit einer Ahle über einen Vicryl-Faden dorsal des lateralen Femurkondylus der PDS-Faden „over-the-top“ unter Schonung dorsaler Gefäße durchgezogen werden. Die Fixation erfolgt im Bereich der Kaplan-Fasern periostal. Somit haben Streckung und Beugung keinen Einfluss auf die Fadenlänge und die Naht wird gesichert (Abb. 2). Die Weiterbehandlung sieht eine Knieorthese mit einem Bewegungsumfang von 0–0–90° für 6 Wochen vor, dies unter Vollbelastung.

Ergebnisse

Zur Beurteilung der postoperativen Stabilität sollten die Patienten einen Fragebogen ausfüllen, welcher gemäß der Lysholm-Skala in Abstufungen das persönliche Befinden zu folgenden Gesichtspunkten ermittelt: Hinken, Belastung, Blockierung, Instabilität, Schmerzen, Schwellung, Treppensteigen, Hocken und die Notwendigkeit weiterer Eingriffe (z.B. Kreuzbandersatz). Das Abfragen der Instabilität bzw. Stabilität ist nach unserem Erachten ausreichend, da auch die Indikation zu bandstabilisierenden Maßnahmen vom klinischen Empfinden des Patienten abhängt.

279 Patienten bekamen für diese Studie den Fragebogen zugesandt, 152 Patienten schickten ihn vollständig ausgefüllt zurück. Der Altersdurchschnitt des Patientenkollektivs liegt bei 36 Jahren (12–68 Jahre). Der maximale Zeitraum zwischen der Kreuzbandadaptierung und der Befragung beläuft sich auf 23 Jahre, die aktuellsten Daten stammen aus dem September 2011. Die Auswertung der gesammelten Patientenangaben mit Hilfe des Lysholm-Score garantiert eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit mit Resultaten aus der Literatur. So fanden die von den einzelnen Patienten erreichten Punktewerte eine Zuordnung in 4 Untergruppen, welche das Operationsergebnis anhand der Kategorien sehr gut, gut, befriedigend und schlecht beurteilen.

Hierbei erreichten die befragten 152 Patienten einen durchschnittlichen Punktewert von 84,7 (Standardabweichung 16,45), was einem zusammenfassend guten Ergebnis entspricht. Berechnet man hingegen den Median, so zeigt diese Maßzahl mit 90 Punkten ein sehr gutes Resultat. Die maximal erreichbare Anzahl von 100 Punkten wurde insgesamt 37-mal erfasst. Das Minimum hingegen lag bei 24 Punkten. Bei 54 % der Patienten kann das Befinden nach Kreuzbandadaptierung als „sehr gut“ bezeichnet werden, bei weiteren 17 % als „gut“. Befriedigende Resultate wiesen 13 % der Patienten auf. Unter 70 Punkte und damit zu einem schlechten Ergebnis kamen 16 % der Befragten. Von denjenigen Patienten, die eine isolierte vordere Kreuzbandruptur ohne Begleitverletzungen aufwiesen (Abb. 3), erreichten 53 % ein sehr gutes und 18 % ein gutes Resultat. 15 % kamen auf ein befriedigendes, 13 % auf ein schlechtes Ergebnis.

In Folge der statischen und dynamischen Instabilität des Kniegelenks durch eine Ruptur des vorderen Kreuzbands ist das Gangbild gestört, es kommt zum Hinken (nein 77 %, gelegentlich 21 %, deutlich 2 %). Die Zunahme der anterior-posterioren Translation wird beim Treppabwärtsgehen bemerkbar (kein Problem 73 %, wenig beeinträchtigt 23 %, problematisch 4 %). Die Kniebeugung (in die Hocke gehen) ist teilweise erschwert (kein Problem 56 %, wenig beeinträchtigt 40 %, problematisch 4 %). Schwellungen des Kniegelenks sind nachweisbar (keine 73 %, bei Belastung 23 %, ohne wesentliche Belastung 6 %). Während 96 % der Befragten einer Vollbelastung standhalten, benötigen 2 % Gehhilfen und 2 % verneinen die Belastungsfähigkeit. Das Phänomen der Blockierung umschreibt eine gewisse Kniegelenksteife und einen instabilitätsbedingten Meniskusschaden (keine Blockierung 65 %, Einklemmungsgefühl 12 %, Blockadegefühl 22 %, Blockade 1 %). Neben der Frage nach der Instabilität des Kniegelenks erzielt die Frage nach den vorhandenen Schmerzen die meisten Punkte des Lysholm-Score. Die Antworten zum Fragebogen ergaben, dass 44 % der Patienten komplett schmerzfrei sind. 37 % haben gelegentlich Schmerzen, 10 % bei schwerer Anstrengung und 9 % bei einer Gehstrecke von 2 und mehr km. Wesentlich ist die Frage nach der Instabilität unter dem Kriterium des „Wegknickens“ des Gelenks (Abb. 4), sie lieferte folgendes Ergebnis: keine Instabilität 53 %, gelegentlich bei Belastung 27 %, häufig bei Belastung 3 %, im Alltag 17 %.

In Ergänzung zu den im Lysholm-Score enthaltenen Kriterien erfasste der Fragebogen den weiteren Verlauf der Patienten. Bei 85 % der Patienten war keine weitere operative Versorgung nötig, 15 % erhielten ein Sehnentransplantat . Lediglich 3 % der Patienten benötigten eine Knieprothese. Hierbei sind das Alter dieser Patienten und der Arthrosegrad zu berücksichtigen.

Die Ergebnisse sind abhängig vom Zeitintervall zwischen Unfall und OP-Zeitpunkt (Tab. 1). Ist das Zeitintervall > 7 Tage, muss mit einer Einheilungsstörung gerechnet werden.

Diskussion

In aller Regel führt eine Strukturunterbrechung des vorderen Kreuzbands zur Instabilität mit den Folgen der Meniskusschädigung sowie der Instabilitätsarthrose. Differenzialdiagnostisch sind folgende Überlegungen anzustellen:

  • 1. Aplasie des vorderen Kreuzbands [1, 2, 3],
  • 2. Aufbrauch des vorderen Kreuzbands bei der Gonarthrose durch Exophyten an der Notch von Grand [4] im Sinne einer Texturstörung des bradytrophen Bindegewebes [5],
  • 3. Verletzungen des vorderen Kreuzbands (rezent und veraltet).

Kreuzbandverletzungen entstehen aufgrund einer pathologischen Längenänderung des Bands. Bei einer Verlängerung um 3–5 % liegt eine physiologische Dehnung vor, bei 5–8 % entstehen Zerrungen (= Teilruptur) und ab einer Längenänderung von 8 % kommt es zum kompletten Kreuzbandriss. Bei Kindern findet man auch knöcherne Ausrissverletzungen, bevorzugt (80 %) hinter der Eminentia intercondylica [6], es resultiert eine stadienabhängige Therapie [7]. Bei Kreuzbandverletzungen nimmt man in aller Regel Begleitverletzungen an [8], mit Beteiligung der Seitenbänder und der Menisken sowie entsprechend dem Unfallmechanismus auch Knorpelläsionen [9, 10, 11]. Bei Teilrissen des vorderen Kreuzbands sind häufig isolierte Bündel betroffen [12, 13, 14]. Eine gezielte Diagnostik zur Lokalisation der Rupturhöhe (tibial, intraligamentär, femurnah, femoral) kann kernspintomografisch vorgenommen werden. Zur Beurteilung der Therapie empfiehlt sich aber die Arthroskopie, bei der dann auch gleich das therapeutische Verfahren einzuleiten ist. Für die dann anzuschließende Behandlung sei auf die Propriozeption hingewiesen [15, 16, 17, 18, 19, 20].

Im Vordergrund steht die Beurteilung der Blutversorgung (Abb. 5). Arthroskopisch ist die Beurteilung der in der Synovialis verlaufenden Gefäße gut möglich, und daher kann daraus auch abgeleitet werden, ob eine Gefäßadaptierung erfolgversprechend ist. Adaptierung heißt, dass es nicht zur Strangulation der Rupturstelle kommt, sondern lediglich zur Annäherung der beiden Rupturenden, was am besten durch die sogenannte Kessler-Technik möglich ist, da die Blutversorgung des vorderen Kreuzbands an der Kreuzungsstelle mit dem hinteren Kreuzband entsteht und sich dann mit einem auf- und absteigenden Ast am Kreuzband entlang verteilt [21, 22].

Da zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbands auch die Längenänderung von 8 % gehört, ist davon auszugehen, dass durch den Riss auch eine Dehnung bzw. Zerrung des Bands entstanden ist, was auch bei einer femurnahen Ruptur eine adäquate Adaptierung erlaubt. Ergänzt man diese operative Behandlung dann im Sinne der Mitbehandlung durch eine funktionelle Therapie unter Verwendung einer Orthese mit 0–0–90°- Beweglichkeit einschließlich Belastung unter Vermeidung der vorderen Schublade, so entsteht an der Adaptierungsstelle eine zugfeste, gerichtete Narbe. Dies ist die Voraussetzung für eine erfolgversprechende Rekonstruktion.

Da die Ansatzstelle des vorderen Kreuzbands femoral als individuelle Lokalisation zu werten ist, sind transossäre Refixationstechniken problematisch; andererseits aber erlaubt eine over-the-top-Annäherung eine 3-dimensionale Rekonstruktion, da durch die Funktion des Kniegelenks das Kreuzband über die over-the-top verlaufenden Fäden so angenähert werden kann, wie es anatomisch gerechtfertigt ist. Bei der hier durchgeführten Untersuchung zeigte sich, dass über die Hälfte der operierten Patienten kein Defizit mehr im Bereich der Stabilität benennen konnte.

Zweifelsfrei muss hier berücksichtigt werden, dass am Anfang der Kreuzband-Adaptierung die Indikationsstellung bezüglich der Lokalisation und auch bezüglich der Prüfung der Durchblutung noch problematisch war, sodass am Anfang dieser Therapie von einer nicht ganz optimalen Voraussetzung auszugehen ist, sodass die festgestellten Instabilitäten vorwiegend in diese Zeit fallen. Insgesamt aber sind die meisten Patienten mit dem Operationsergebnis zufrieden im Hinblick auf Gehfähigkeit und Belastbarkeit. Schwellungsneigungen sind aber bei 21 % der Patienten erkennbar. Blockierungen bestehen in aller Regel nicht. Diese sind dann festzustellen, wenn aufgrund der verbliebenen Restinstabilität Meniskuszeichen resultieren. Dies trifft bei 3 % der Patienten im Sinne einer regelmäßig auftretenden Blockade zu.

Unseres Erachtens ist entscheidend, ob nach einer Kreuzbandnaht die Patienten ausreichend Stabilität im Knie verspüren. Da vor einer Kreuzbandersatzplastik häufig zur Diagnostik und auch zur Resektion der Kreuzband-stümpfe eine Arthroskopie vorgenommen wird, ist absolut nicht nachvollziehbar, warum mit diesem kleinen Eingriff nicht auch eine Adaptierung vorgenommen werden sollte, auch im Hinblick darauf, dass es bei etwa einem Viertel der Patienten zur nicht suffizienten Kreuzbandheilung kommt. Bei diesen Patienten ist dann die Kreuzbandersatzplastik angezeigt, denn die Indikation dazu besteht nicht im Erkennen einer Kreuzbandverletzung, sondern aus einer daraus resultierenden, den Patienten behindernden Instabilität (Tab. 2).

Abgesehen von den anatomischen Voraussetzungen wie Risshöhe und Durchblutung ist auch die Frage des OP-Zeitpunkts von Bedeutung. So zeigt sich, dass ein Rückgang der guten und sehr guten Ergebnisse ab Ablauf der ersten Woche nach dem Unfall zu verzeichnen ist. Bei einer OP innerhalb der ersten Woche ist mit einer stabilen Bandheilung von 74 % zu rechnen, in der zweiten Woche lediglich noch mit 55 %.

Vergleicht man die Ergebnisse der Adaptierung mit denen der Ersatzplastik, so wird erkennbar, dass sich gute und sehr gute Resultate bei der Adaptierung nur unwesentlich von den Ersatzplastiken unterscheiden [23, 24]. Die Kreuzbandersatzplastiken liefern im Mittel nur gering bessere Punktewerte auf der Lysholm-Skala, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Komplikationen bei den Ersatzplastiken mit Impingementproblematik, Bewegungseinschränkung, Arthrofibrose u.a. ungleich höher zu bewerten sind, als bei einer Kreuzbandadaptierung. Hier kann lediglich eine Instabilität resultieren, die es übrigens auch bei den Ersatzplastiken gibt.

Für das Versagen einer Kreuzbandersatzplastik werden den Ursachen 3 Gruppen zugeteilt:

das OP-Trauma,

technische Fehler,

und eine gestörte Einheilung des Transplantats [25].

Die Komplikationen beziehen sich auf den Hebedefekt durch die Transplantatentnahme, die Arthrofibrose, das Zyklops-Syndrom, ein Roof-Impingement oder auch eine postoperative Bewegungseinschränkung [26, 27, 28]. Gerade bei den Ersatzplastiken mittels Patellarsehne ist das Auftreten des vorderen Knieschmerzes nicht zu vernachlässigen [29]. Schließlich ist die fehlerhafte Tunnelplatzierung oder eine falsche Transplantatfixierung häufig der Grund für das Versagen des Transplantats [30, 31]. Der Aufbrauch der Kreuzbandersatzplastik wird mit 6–17 % angegeben [32, 30]. Diese Probleme gibt es bei der Adaptierung nicht. Hier heilt das Kreuzband ein oder nicht. Dies ist abhängig von der Lokalisation der Rupturstelle beziehungsweise der Prüfung der Ruptur-Eignung zur Adaptierung und von der Durchblutung, die aber arthroskopisch relativ zuverlässig geprüft werden kann. Dass die konservative Therapie weitgehend verlassen wurde, ist darauf zurückzuführen, dass die Instabilitätsquoten doch recht hoch zu bewerten sind, andererseits aber durch eine geeignete muskuläre Kompensation auch in den Hintergrund gedrängt werden können.

Der Vergleich der Behandlungsergebnisse (Tab. 3) lässt erkennen, dass heute die Adaptierung und auch die Ersatzplastik zu diskutieren sind, wenn eine geeignete Indikation zur Operation besteht, besonders in der Kenntnis, dass konservative Behandlungsverfahren die Instabilität nicht ausreichend beeinflussen. Die operativen Ergebnisse sind aber leider auch abhängig vom Versicherungsstatus des Patienten [11]. So zeigte sich auch in dieser Studie, dass BG-versicherte Patienten nur in 28 % der Fälle sehr gute Ergebnisse angeben, wohingegen die nicht BG-versicherten Patienten hier 60 % aufweisen.

Zusammengefasst ergeben sich unter Berücksichtigung der Ersatzplastiken, der Kreuzbandadaptierung (früher Naht) und der konservativen Behandlung typische Untersuchungsergebnisse (Tab. 4).

Es resultieren Grundvoraussetzungen, die einer Adaptierung zu einem guten Ergebnis verhelfen:

  • 1. Bei der Diagnose der Ruptur des vorderen Kreuzbands muss zuerst die Lokalisation der Ruptur überprüft werden. Hierbei sollte eine Versorgung mit der Technik der Adaptierung nur bei femoralen oder femurnahen Verletzungen Anwendung finden. Nur auf diese Weise bleibt nämlich gewährleistet, dass die von weiter tibial ausgehende Blutversorgung intakt ist und somit die Bildung einer gerichteten Narbe erfolgen kann.
  • 2. Arthroskopisch muss die Blutversorgung des Kreuzbandstumpfs kontrolliert werden. Nur auf diese Weise ist eine blutige Einheilung zu erwarten. Kann hingegen eine ausreichende arterielle Versorgung des Bandanteils nicht nachgewiesen werden, ist die Durchführung einer Adaptierung nicht zu empfehlen.
  • 3. Bei isolierter Ruptur des vorderen Kreuzbands kommt es nach Adaptierung zu besseren postoperativen Resultaten. Nichtsdestotrotz kann die Adaptierung sowohl bei isolierter Ruptur als auch bei Komplextrauma des Kniegelenks unter Berücksichtigung der Begleitschäden zu guten Ergebnissen führen.
  • 4. Entscheidend ist der Operationszeitpunkt . Da die sehr guten und guten Ergebnisse bei einer Kreuzbandadaptierung im Zeitraum von 7 Tagen nach dem Unfall am häufigsten erzielt werden, wird zu einer frühen Operation geraten. Zu diesem Zeitpunkt hat noch keine Retraktion des Kreuzbands stattgefunden, wodurch dem Operateur ein um etwa 8 % längeres Kreuzband zur Verfügung steht. Erst dadurch wird eine Adaptierung ermöglicht.
  • 5. Die Adaptierung des vorderen Kreuzbands erfordert eine sparsame Verwendung von Nahtmaterial. Dies beugt zusätzlichen Einschränkungen der Blutversorgung vor („one-suture-technique“).
  • 6. Resorbierbares Nahtmaterial ist für den Erfolg der Adaptierung geeignet. Generelle Anforderungen für den optimalen Einsatz eines Nahtmaterials sind: Sterilität, hohe Reißfestigkeit, optimale Verträglichkeit und sicherer Knotensitz.
  • 7. Nach der Operation schließt sich im Rahmen der Weiterbehandlung eine frühfunktionelle Mobilisation mit Belastung an. So bleibt die Propriozeption des Kreuzbands aufrechterhalten und es kann eine gerichtete Narbenbildung am femoralen Ansatz erfolgen. Dies ist Voraussetzung für die Wiedererlangung der Funktionalität des Kniegelenks. Eine Knieorthese mit vorgegebenem Bewegungsumfang kontrolliert das Ausmaß der Mobilisation.
  • 8. Leider spielt auch der Versicherungsstatus für die subjektive Bewertung des postoperativen Ergebnisses eine nicht unbedeutende Rolle.

Fazit für die Praxis

Die Stabilitätsergebnisse einer Adaptierung der isolierten femoralen vorderen Kreuzbandruptur sind mit denen einer Ersatzplastik vergleichbar.

Unter Berücksichtigung der rezenten Verletzung (noch blutend) kann eine Adaptierung (arthroskopisch) vorgenommen werden.

Die postoperative Weiterbehandlung erfolgt unter Belastung mit einer MOS-Schiene (0–0–90).

Es resultieren bei der Adaptierung bei etwa 80 % der Patienten stabile Kniegelenke.

Eine Ersatzplastik ist bei einer resultierenden Instabilität ohne operative Vorschäden problemlos möglich.

Interessenkonflikt: Keine angegeben. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Harald Hempfling

Büro Murnau

Gabriele-Münter-Platz 2

82418 Murnau

hempfling@online.de

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Fussnoten

1 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

2 Büro Murnau

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