Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Ergebnisse der arthroskopisch-kontrollierten Adaptierung femoraler vorderer Kreuzbandrupturen unter Berücksichtigung der Durchblutung

In Folge der statischen und dynamischen Instabilität des Kniegelenks durch eine Ruptur des vorderen Kreuzbands ist das Gangbild gestört, es kommt zum Hinken (nein 77 %, gelegentlich 21 %, deutlich 2 %). Die Zunahme der anterior-posterioren Translation wird beim Treppabwärtsgehen bemerkbar (kein Problem 73 %, wenig beeinträchtigt 23 %, problematisch 4 %). Die Kniebeugung (in die Hocke gehen) ist teilweise erschwert (kein Problem 56 %, wenig beeinträchtigt 40 %, problematisch 4 %). Schwellungen des Kniegelenks sind nachweisbar (keine 73 %, bei Belastung 23 %, ohne wesentliche Belastung 6 %). Während 96 % der Befragten einer Vollbelastung standhalten, benötigen 2 % Gehhilfen und 2 % verneinen die Belastungsfähigkeit. Das Phänomen der Blockierung umschreibt eine gewisse Kniegelenksteife und einen instabilitätsbedingten Meniskusschaden (keine Blockierung 65 %, Einklemmungsgefühl 12 %, Blockadegefühl 22 %, Blockade 1 %). Neben der Frage nach der Instabilität des Kniegelenks erzielt die Frage nach den vorhandenen Schmerzen die meisten Punkte des Lysholm-Score. Die Antworten zum Fragebogen ergaben, dass 44 % der Patienten komplett schmerzfrei sind. 37 % haben gelegentlich Schmerzen, 10 % bei schwerer Anstrengung und 9 % bei einer Gehstrecke von 2 und mehr km. Wesentlich ist die Frage nach der Instabilität unter dem Kriterium des „Wegknickens“ des Gelenks (Abb. 4), sie lieferte folgendes Ergebnis: keine Instabilität 53 %, gelegentlich bei Belastung 27 %, häufig bei Belastung 3 %, im Alltag 17 %.

In Ergänzung zu den im Lysholm-Score enthaltenen Kriterien erfasste der Fragebogen den weiteren Verlauf der Patienten. Bei 85 % der Patienten war keine weitere operative Versorgung nötig, 15 % erhielten ein Sehnentransplantat . Lediglich 3 % der Patienten benötigten eine Knieprothese. Hierbei sind das Alter dieser Patienten und der Arthrosegrad zu berücksichtigen.

Die Ergebnisse sind abhängig vom Zeitintervall zwischen Unfall und OP-Zeitpunkt (Tab. 1). Ist das Zeitintervall > 7 Tage, muss mit einer Einheilungsstörung gerechnet werden.

Diskussion

In aller Regel führt eine Strukturunterbrechung des vorderen Kreuzbands zur Instabilität mit den Folgen der Meniskusschädigung sowie der Instabilitätsarthrose. Differenzialdiagnostisch sind folgende Überlegungen anzustellen:

  • 1. Aplasie des vorderen Kreuzbands [1, 2, 3],
  • 2. Aufbrauch des vorderen Kreuzbands bei der Gonarthrose durch Exophyten an der Notch von Grand [4] im Sinne einer Texturstörung des bradytrophen Bindegewebes [5],
  • 3. Verletzungen des vorderen Kreuzbands (rezent und veraltet).

Kreuzbandverletzungen entstehen aufgrund einer pathologischen Längenänderung des Bands. Bei einer Verlängerung um 3–5 % liegt eine physiologische Dehnung vor, bei 5–8 % entstehen Zerrungen (= Teilruptur) und ab einer Längenänderung von 8 % kommt es zum kompletten Kreuzbandriss. Bei Kindern findet man auch knöcherne Ausrissverletzungen, bevorzugt (80 %) hinter der Eminentia intercondylica [6], es resultiert eine stadienabhängige Therapie [7]. Bei Kreuzbandverletzungen nimmt man in aller Regel Begleitverletzungen an [8], mit Beteiligung der Seitenbänder und der Menisken sowie entsprechend dem Unfallmechanismus auch Knorpelläsionen [9, 10, 11]. Bei Teilrissen des vorderen Kreuzbands sind häufig isolierte Bündel betroffen [12, 13, 14]. Eine gezielte Diagnostik zur Lokalisation der Rupturhöhe (tibial, intraligamentär, femurnah, femoral) kann kernspintomografisch vorgenommen werden. Zur Beurteilung der Therapie empfiehlt sich aber die Arthroskopie, bei der dann auch gleich das therapeutische Verfahren einzuleiten ist. Für die dann anzuschließende Behandlung sei auf die Propriozeption hingewiesen [15, 16, 17, 18, 19, 20].

Im Vordergrund steht die Beurteilung der Blutversorgung (Abb. 5). Arthroskopisch ist die Beurteilung der in der Synovialis verlaufenden Gefäße gut möglich, und daher kann daraus auch abgeleitet werden, ob eine Gefäßadaptierung erfolgversprechend ist. Adaptierung heißt, dass es nicht zur Strangulation der Rupturstelle kommt, sondern lediglich zur Annäherung der beiden Rupturenden, was am besten durch die sogenannte Kessler-Technik möglich ist, da die Blutversorgung des vorderen Kreuzbands an der Kreuzungsstelle mit dem hinteren Kreuzband entsteht und sich dann mit einem auf- und absteigenden Ast am Kreuzband entlang verteilt [21, 22].

Da zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbands auch die Längenänderung von 8 % gehört, ist davon auszugehen, dass durch den Riss auch eine Dehnung bzw. Zerrung des Bands entstanden ist, was auch bei einer femurnahen Ruptur eine adäquate Adaptierung erlaubt. Ergänzt man diese operative Behandlung dann im Sinne der Mitbehandlung durch eine funktionelle Therapie unter Verwendung einer Orthese mit 0–0–90°- Beweglichkeit einschließlich Belastung unter Vermeidung der vorderen Schublade, so entsteht an der Adaptierungsstelle eine zugfeste, gerichtete Narbe. Dies ist die Voraussetzung für eine erfolgversprechende Rekonstruktion.

Da die Ansatzstelle des vorderen Kreuzbands femoral als individuelle Lokalisation zu werten ist, sind transossäre Refixationstechniken problematisch; andererseits aber erlaubt eine over-the-top-Annäherung eine 3-dimensionale Rekonstruktion, da durch die Funktion des Kniegelenks das Kreuzband über die over-the-top verlaufenden Fäden so angenähert werden kann, wie es anatomisch gerechtfertigt ist. Bei der hier durchgeführten Untersuchung zeigte sich, dass über die Hälfte der operierten Patienten kein Defizit mehr im Bereich der Stabilität benennen konnte.

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