Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach Wirbelsäulenoperationen

Andreas Bosse1, Marcel Dittrich1, Rainer Wölfel1

Zusammenfassung: In der vorliegenden Studie wurden die Arbeitsfähigkeit sowie das Sport- und Freizeitverhalten von Patienten nach einer erstmaligen Operation an der Lendenwirbelsäule mit anschließender stationärer Anschlussheilbehandlung (AHB) untersucht. Die Arbeitsunfähigkeitstage reduzierten sich im Vergleich zu präoperativ höchst signifikant, die subjektive Arbeits- und Sportfähigkeit blieb annähernd unverändert. Die häufigsten Einschränkungen in Bezug auf Arbeit, Sport und Freizeit waren eine eingeschränkte Beweglichkeit, Schmerzen und die Angst vor erneuten Beschwerden.

Der körperliche Gesundheitszustand war bis 12 Monate nach der AHB höchst signifikant verbessert. Zwischen den verschiedenen Operationsarten waren nur geringe Unterschiede zu erkennen.

Schlüsselwörter: Wirbelsäulenoperation, Anschlussheilbehandlung, Arbeitsfähigkeit, Sport und Freizeit, Gesundheitszustand

Zitierweise
Bosse A, Dittrich M, Wölfel R. Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach Wirbelsäulenoperationen.
OUP 2015; 12: 614–619 DOI 10.3238/oup.2015.0614–0619

Summary: The present study examined the ability to work as well as the sports and leisure time behavior of patients after an initial surgery on the lumbar spine with subsequent inpatient rehabilitation treatment. Compared to preoperative the number of sick days decreased significantly, the subjective ability to work and carry out sports remained nearly unchanged. The most frequent restrictions regarding work, sports and leisure time were limited mobility, pain and the fear of new complications.

The physical health significantly improved up to 12 months after the rehabilitation. Between the different types of surgery only minor differences were observed.

Keywords: Spine surgery, rehabilitation therapy, ability to work, sports and leisure time, health

Citation
Bosse A, Dittrich M, Wölfel R. Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach Wirbelsäulenoperationen.
OUP 2015; 12: 614–619 DOI 10.3238/oup.2015.0614–0619

Einleitung

Chronische Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerdebildern. In Deutschland liegt die Jahresprävalenz für Rückenschmerzen bei 60 %, die 7-Tages-Prävalenz immer noch bei 30–40 % [1]. Neben den körperlichen Beschwerden besteht auch ein Einfluss auf die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit. Bei Arbeitnehmern über 50 Jahren stellen Beschwerden am Muskel-Skelett-System, vor allem Rückenschmerzen, mit Abstand die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit dar und sind der häufigste Frühberentungsgrund bei Männern [2]. Im Jahr 2003 nahmen die durch Rückenbeschwerden entstandenen Arbeitsunfähigkeitskosten mit 65 Mrd. Euro 21,4 % des Gesundheitshaushalts ein [3]. Wenn man die Tragweite dieses gesundheitlichen und ökonomischen Problems betrachtet, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Operationen an der Wirbelsäule in Deutschland von Jahr zu Jahr mehr werden [3].

Sport und Fitness haben in der heutigen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert und somit steigen auch die Ansprüche an eine Wirbelsäulenoperation. Vor allem jüngere Patienten wollen möglichst uneingeschränkt wieder Sport treiben und ihren früheren Hobbys nachgehen [4]. Die Entwicklung des Gesundheitszustands nach einem operativen Eingriff ist von vielen Faktoren abhängig (Ursache und Dauer der Beschwerden, OP-Methode, Nachbehandlung usw.). Ca. 30 % der Patienten klagen nach einer lumbalen Nukleotomie über anhaltende Schmerzen und Funktionseinschränkungen und 20–50 % entwickeln ein Post-Diskektomie-Syndrom [5].

Im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit sowie das Sport- und Freizeitverhalten nach erstmaliger Operation an der Lendenwirbelsäule wurden im Orthopädie-Zentrum Bad Füssing (OZBF) und in 4 weiteren orthopädischen Rehabilitationskliniken stationäre Patienten bis 12 Monate nach einer stationären Anschlussheilbehandlung (AHB) nachbefragt.

Studiendesign

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine postalische Befragung mit 3 Messzeitpunkten (t1: Ende der AHB; t2: 6 Monate nach der AHB; t3: 12 Monate nach der AHB). Neben dem Orthopädie-Zentrum Bad Füssing nahmen 4 weitere orthopädische Reha-Kliniken als Kooperationspartner an der Studie teil: Klinik Niederbayern (Bad Füssing), Asklepios Klinik (Bad Abbach), Klinik Rosenhof (Bad Birnbach), Reha-Zentrum Passauer Wolf (Bad Griesbach).

Für die 1. Befragung (t1) konnten 124 Teilnehmer (52 Frauen, 72 Männer) rekrutiert werden. Im weiteren Verlauf mussten 2 Probanden wegen einer weiteren Operation (1x Knie-OP, 1x Re-OP an der WS) aus der Studie ausgeschlossen werden. Weitere 38 Personen beendeten aus nicht genannten Gründen ihre Teilnahme bzw. schickten die Fragebögen der Messzeitpunkte t2 und/oder t3 nicht zurück. Somit ergab sich insgesamt eine Dropout-Quote von 32,3 %.

Für die 84 vollständig ausgewerteten Probanden ergab sich ein Durchschnittsalter von 48,2 (± 8,4) Jahren. Die 39 Frauen waren im Schnitt 48,7 (± 7,5) und die 45 Männer 47,6 (± 9,2) Jahre alt.

Alle Patienten wurden zu einer Gesamtstichprobe zusammengefasst. Ein Vergleich der Kliniken untereinander fand nicht statt. Ein prä-/postoperativer Vergleich war in diesem Studiendesign nicht vorgesehen.

Eingesetzte Assessments: Work Ability Index, Subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE-Skala), SF-12, Oswestry Disability Index, Fragebogen zum Sport- und Freizeitverhalten.

Eingeschlossene OP-Verfahren: Nukleotomie, Interlaminäre Fensterung, Bandscheiben-Prothese, Spondylodese.

Fragestellungen

Hauptfragestellungen

  • 1. Verändert sich die bisher durchgeführte berufliche Tätigkeit?
  • 2. Verändern sich die bisher durchgeführten sportlichen Aktivitäten?
  • 3. Verändern sich die bisher durchgeführten Hobbys/Freizeitaktivitäten?

Nebenfragestellungen

  • 1. Wie entwickelt sich der allgemeine Gesundheitszustand?
  • 2. Bestehen Einschränkungen in Bezug auf die Aktivitäten des täglichen Lebens?
  • 3. Stehen die Behandlungsergebnisse in einem Zusammenhang mit den unterschiedlichen Operationsmethoden?

Ergebnisse

Arbeit

Die Beschreibung der beruflichen Tätigkeit zu t1 verteilte sich zwischen „vorwiegend geistig tätig“ (23,8 %) und „vorwiegend körperlich tätig“ (23,8 %) gleichmäßig, 52,4 % waren „gleichermaßen geistig und körperlich tätig“. 72,0 % der Befragten gaben zu t1 eine „normale“ Arbeitszeit ohne Schichtdienst an.

Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage), die durch Rückenbeschwerden verursacht wurden, reduzierte sich von durchschnittlich „10–24 Tagen“ (12 Monate präoperativ) auf „höchstens 9 Tage“ (6 und 12 Monate post AHB, Abb. 1). Diese Verbesserung war höchst signifikant (p = 0,000). Die subjektive Arbeitsfähigkeit wurde sowohl zu t2 als auch zu t3 als „unverändert“ beurteilt (Abb. 2).

Bei 23,8 % (t2) bzw. 29,8 % (t3) der Teilnehmer änderte sich post-AHB die berufliche Situation. Die „innerbetriebliche Umsetzung“ wurde mit 50,0 % (t2) bzw. 56,5 % (t3) am häufigsten genannt, gefolgt von „Arbeitslosigkeit“ (t2: 27,8 %; t3: 30,4 %) und einem „Arbeitsplatzwechsel“ (t2: 11,1 %; t3: 13,0 %).

Anhand der „Skala für die subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit“ wurde eine Einschätzung der zukünftigen beruflichen Situation abgefragt. Diese bewegte sich zu allen 3 Zeitpunkten bei einem Wert von 1, d.h. im Bereich einer „schwachen Gefährdung der Erwerbstätigkeit“ [vgl. 6].

Die häufigsten Gründe für Einschränkungen bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit waren sowohl zu t2 (30,8 %) als auch zu t3 (32,2 %) „Schmerzen“, gefolgt von „eingeschränkter Beweglichkeit“ (t2: 28,6 %; t3: 30,6 %), „mangelnder Kraft“ (t2: 18,8 %; t3: 13,2 %) und „Angst vor erneutem Auftreten der Beschwerden“ (t2: 15,8 %; t3: 18,2 %).

Sport und Freizeit

59,5 % der Teilnehmer wollten ihren präoperativen Sport wieder ausüben (32,9 % ja, 26,6 % eher ja) und 55,6 % konnten sich auch vorstellen, zu einer weniger anspruchsvollen Sportart zu wechseln (30,9 % ja, 24,7 % eher ja). Der Anteil der regelmäßig sportlich aktiven Probanden veränderte sich von 64,3 % (präoperativ) auf 66,7 % (t2) bzw. 61,9 % (t3) fast nicht. Der wöchentliche Sportumfang zeigte keine auffällige Veränderung. 26,2 % (t1), 15,5 % (t2) bzw. 18,1 % (t3) waren mehr als 3 Stunden pro Woche sportlich aktiv. Hinsichtlich des Sportverhaltens im Vergleich zu präoperativ gaben 38,1 % weder zu t2 noch zu t3 eine Veränderung an. Die zweithäufigste Aussage in dieser Hinsicht war mit 32,1 % (t2) bzw. 22,6 % (t3), dass sich „Umfang und/oder Intensität“ reduziert hatten. Die Antworten „andere Sportart“ (t2: 9,5 %; t3: 14,3 %), „Umfang/Intensität erhöht“ (t2: 10,7 %; t3: 11,9 %) und „kein Sport mehr“ (t2: 8,3 %; t3: 13,1 %) waren weitgehend ausgeglichen.

Die subjektive Beurteilung, ob sich die postoperative Sportfähigkeit im Vergleich zur präoperativen verändert hatte, blieb zwischen t2 und t3 durchschnittlich gesehen unverändert. Den größten Anteil stellten mit 27,2 % (t2) bzw. 32,1 % (t3) die Aussagen „deutlich besser“ dar (Abb. 3).

Die häufigsten Einschränkungen beim Sport wurden zu t2 (33,9 %) und zu t3 (36,6 %) durch „mangelnde Beweglichkeit“, „Angst vor erneuten Beschwerden“ (t2: 22,9 %; t3: 24,7 %) und „Schmerzen“ (t2: 21,2 %; t3: 20,4 %) verursacht. Die Aussage „keine Einschränkungen“ erhöhte sich von 0,8 % (t2) auf 15,5 % (t3).

75,6 % der Probanden wollten nach der Operation wieder ihren früheren Hobbys nachgehen (37,3 % ja, 37,3 % eher ja), 39,0 % wollten sich ein weniger anspruchsvolles Hobby suchen (19,5 % ja, 19,5 % eher ja). Der häufigste Grund für eine eingeschränkte Freizeitgestaltung war zu t2 (31,6 %) und t3 (36,2 %) „mangelnde Beweglichkeit“, am zweithäufigsten wurden „Schmerzen“ angegeben (t2: 25,6 %; t3: 26,7 %). Ein weiterer Grund war die „Angst vor erneuten Beschwerden“ (t2: 21,8 %; t3: 20,70 %). „Beschwerden wie vor der Operation“ traten nur äußerst selten auf (t2: 1,5 %; t3: 3,4 %). Im Durchschnitt waren die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Vergleich zu präoperativ „unverändert“ (Abb. 4).

Gesundheitszustand

Die körperliche Summenskala des SF 12 erhöhte sich zwischen t1 und t2 (p = 0,000) sowie zwischen t1 und t3 (p = 0,000) höchst signifikant. Die Verbesserung zwischen t2 und t3 war statistisch nicht relevant. Die Werte der psychischen Summenskala reduzierten sich zu t2 signifikant (p = 0,039), nahmen aber bis zu t3 wieder zu.

Der Oswestry Disability Index zeigte zwischen t2 und t3 eine geringfügige Abnahme der Werte. Der prozentuale Behinderungsgrad reduzierte sich von 43,0 % auf 41,5 %, was in beiden Fällen einer „starken Behinderung“ entspricht [7].

Einfluss der durchgeführten Operation

Die Einteilung der verschiedenen Operationsarten erfolgte in rein dekomprimierende (Nukleotomie n = 31, Interlaminäre Fensterung n = 21, Bandscheiben-Prothese n = 9) und dekomprimierende und stabilisierende Verfahren (Spondylodese, Fusion, Cage: n = 23).

Im Hinblick auf die Anzahl der AU-Tage war 6 und 12 Monate post AHB in beiden Gruppen die häufigste Aussage, „überhaupt keinen Tag“ arbeitsunfähig gewesen zu sein. In Gruppe 1 war der Rückgang der AU-Tage zwischen t1 und t2 (p = 0,001) sowie zwischen t1 und t3 (p = 0,003) hoch bis höchst signifikant. Die subjektive Veränderung der Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu präoperativ wurde in beiden Gruppen mit „unverändert“ beantwortet. In Gruppe 1 war zu t2 (28,4 %) und t3 (32,4 %) die „mangelnde Beweglichkeit“ die häufigste Einschränkung bei der Berufsausübung, in Gruppe 2 waren „Schmerzen“ die meist genannte Ursache für eine reduzierte Arbeitsfähigkeit (t2: 37,5 %; t3: 33,3 %).

Der wöchentliche Sportumfang blieb in Gruppe 1 unverändert („ bis 2 Stunden“), in Gruppe 2 reduzierte sich dieser zwischen t1 und t2 signifikant von durchschnittlich „1 bis 2 Stunden“ auf „0 bis 1 Stunde“ (p = 0,007). Der häufigste Grund für eine eingeschränkte Sportfähigkeit war in beiden Gruppen zu beiden Zeitpunkten eine „mangelnde Beweglichkeit“ (t2: Gruppe 1: 32,5 %, Gruppe 2: 35,0 %; t3: Gruppe 1: 40,4 %, Gruppe 2: 32,4 %).

Die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Vergleich zu präoperativ waren in beiden OP-Gruppen ebenfalls „unverändert“. Die „mangelnde Beweglichkeit“ war dabei zu t2 (Gruppe 1: 31,4 %; Gruppe 2: 29,1 %) und t3 (Gruppe 1: 39,5 %; Gruppe 2: 28,3 %) die häufigste Einschränkung.

Der allgemeine Gesundheitszustand (SF 12) zeigte in beiden Gruppen eine höchst signifikante Verbesserung der körperlichen Summenskala zwischen t1 und t2 sowie t1 und t3 (p = 0,000). Im psychischen Bereich war im Verlauf zwischen t1 und t3 in beiden Gruppen eine leichte, nicht signifikante Reduzierung der Werte zu erkennen.

Der Oswestry Disability Index zeigte keine statistisch relevanten Veränderungen. In Gruppe 1 lagen die Werte im Bereich einer „starken Behinderung“ (t2: 43,8 %, t3: 42,6 %), in Gruppe 2 kam es zu einer Verschiebung von einer „starken“ (40,9 %) zu einer „mäßigen Behinderung“ (38,6 %) [7].

Diskussion

Die Ergebnisse nach Wirbelsäulenoperationen bei chronifizierten nicht spezifischen Rückenschmerzen hängen maßgeblich von den gewählten Beurteilungskriterien (Schmerzlinderung, Rückkehr zur Arbeit, Alltagsfunktionen) ab. Neben dem Return to work oder der Wiedererlangung bzw. dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit stehen auch die Alltagsfunktionen und hier auch die Sport- und Freizeitaktivitäten im Fokus.

Bei erwerbstätigen Frauen und Männern ist entscheidend, ob, wann und in welchem Umfang nach der Operation eine Rückkehr ins Berufsleben möglich ist. Können die körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen in gleichem Maße bewältigt werden wie vorher? Sind eventuell Maßnahmen notwendig, um die körperlichen und psychischen Anforderungen zu reduzieren (innerbetriebliche Umsetzung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)?

In der Studie von Dolan (2000, In: [5]) kehrten 70 % der Patienten spätestens nach einem Jahr wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Bei Carragee-Han et al. (1999, In: [5]) waren 40 % nach einer Woche und weitere 40 % nach 2 Wochen ohne Zunahme von Komplikationen wieder berufstätig. In einer Untersuchung von Baum (2009) nahmen 58 % der 48 Patienten durchschnittlich 9,8 Monate nach der Operation ihre Arbeit wieder auf [2]. In der vorliegenden Studie waren vor der Operation 86,7 % der Probanden erwerbstätig. Zu t2 waren noch 78,5 % und zu t3 81,0 % ganztags, halbtags oder stundenweise erwerbstätig. Von diesen waren in der Zeit nach der AHB 66,7 % (t2) bzw. 60,7 % (t3) „überhaupt keinen Tag“ auf Grund von Rückenbeschwerden arbeitsunfähig. Die aufgeführten Studien zeigen, dass die postoperativen Ausfallzeiten äußerst unterschiedlich sind. Die Selektion der Patienten, das Operationsverfahren, die Möglichkeiten der Nachbehandlung und die individuellen Faktoren (Vorerkrankungen, Dauer der Beschwerden, Alter, körperliche Fitness...) beeinflussen das Operationsergebnis maßgeblich.

Nach einer Wirbelsäulenoperation muss die berufliche Situation oftmals angepasst werden, wenn die frühere Tätigkeit nicht mehr ausgeführt werden kann. Bei knapp 30 % der Teilnehmer war eine Anpassung der beruflichen Gegebenheiten notwendig und die innerbetriebliche Umsetzung war mit 50,0 % (t2) bzw. 56,5 % (t3) die häufigste Veränderung.

Nicht nur im orthopädischen Bereich wird die „Subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit“ (SPE-Skala) als guter Anhaltspunkt für die Rückkehr ins Berufsleben gesehen. Bei Brauer (2009) stellte diese Skala über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren einen geeigneten Prädikator für einen vorzeitigen Rentenantrag dar [8]. Je höher der Ausprägungsgrad der Skala, desto wahrscheinlicher war eine Rentenantragsstellung bzw. die tatsächliche Berentung. In der vorliegenden Studie wurde die SPE-Skala herangezogen, um eine subjektive Einschätzung der Probanden über die weitere Entwicklung der beruflichen Situation zu erhalten. Im zeitlichen Verlauf waren keine auffälligen Veränderungen zu erkennen. Zu allen 3 Zeitpunkten lagen die Werte im Bereich einer „schwachen Gefährdung der Erwerbstätigkeit“ [vgl. 6].

Bei Mobahheri (2004) standen 40 % der Probanden vor der Operation dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung [9]. In der vorliegenden Studie wurde zur Erfassung der durch Rückenbeschwerden verursachten, präoperativen Arbeitsunfähigkeitstage nach den Ausfallzeiten während der letzten 12 Monate vor der Operation gefragt. In diesem Zeitraum waren 33,3 % der Befragten „25 bis 99 Tage“ auf Grund ihrer Rückenbeschwerden nicht arbeitsfähig. Die Entwicklung der AU-Tage postoperativ zeigte, dass 6 und 12 Monate nach der AHB die Teilnehmer, die nach der Rückkehr ins Arbeitsleben „überhaupt keinen Tag“ wegen ihrer Rückenbeschwerden krankgeschrieben waren, eindeutig den größten Anteil darstellten.

Im Hinblick auf die Beschreibung der beruflichen Tätigkeit („vorwiegend geistig“, „vorwiegend körperlich“, „gleichermaßen geistig und körperlich“) zeigte sich ein hoch signifikanter Unterschied (p = 0,006) bzgl. des Zeitpunkts, wann die Arbeit voraussichtlich wieder aufgenommen werden kann. Die „vorwiegend körperlich Tätigen“ (n = 20) rechneten mit einer längeren AU-Zeit (mehr als ein Monat) als diejenigen mit „vorwiegend geistiger Tätigkeit“ (n = 20, weniger als ein Monat).

Nach einer Operation wird die Rückkehr zur Arbeit oftmals in Form einer stufenweisen Wiedereingliederung gestaltet. Nach Bürger et al. (2001) gilt eine Wiedereingliederung als erfolgreich, wenn der Patient wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, die Arbeitsunfähigkeit im Jahr nach der Reha weniger als 12 Wochen betrug und wenn kein vorzeitiger Rentenantrag gestellt wurde [In: 10]. In der vorliegenden Studie hat sich bei 56 Probanden an der beruflichen Situation 12 Monate post AHB im Vergleich zu präoperativ nichts verändert. Von diesen waren in den vergangenen 12 Monaten 50 Personen „überhaupt keinen Tag“ (n = 43) oder „höchstens neun Tage“ (n = 7) arbeitsunfähig. 7 Teilnehmer dachten zumindest an einen vorzeitigen Rentenantrag. In Anlehnung an die oben genannten Wiedereingliederungskriterien waren zum Zeitpunkt der 3. Befragung 58,3 % aller Teilnehmer erfolgreich wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Um den fehlenden Anteil auch noch besser reintegrieren zu können, wäre eine noch bessere Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation wünschenswert.

Vor allem bei jüngeren und sportlichen Personen stellt sich nach einer Wirbelsäulen-OP die Frage, wann und in welchem Ausmaß wieder mit dem Sport begonnen werden kann. Empfehlungen zu dieser Problematik finden sich in der Literatur häufig nur für den Leistungssportbereich, nicht aber für Breiten- und Freizeitsportler [4]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten im Hinblick auf das Sportverhalten der Teilnehmer im Vergleich zu präoperativ nur tendenzielle Veränderungen. Der Anteil derer, die eine Stunde und mehr pro Woche sportlich aktiv waren, reduzierte sich von 59 % (t1) auf 56 % (t2) bzw. 52 % (t3). Die Anzahl derjenigen Probanden, die vor der OP sportlich aktiv waren und hinterher keinen Sport mehr ausübten, stieg von 8,3 % (t2) auf 13,1 % (t3). Gründe dafür waren vor allem Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und die Angst, dass die Rückenbeschwerden erneut auftreten könnten. Hier ist eine wechselseitige Beeinflussung von Angst und Bewegungseinschränkung wahrscheinlich.

Baum (2009) stellte fest, dass 30 % ihrer Patienten die gleichen Freizeitaktivitäten wie präoperativ ausführen konnten, 21 % im gleichen zeitlichen Rahmen, aber mit leichten, 30 % mit deutlichen und 19 % mit starken Einschränkungen [2]. In der vorliegenden Studie wurden die häufigsten Einschränkungen in Bezug auf die früheren Hobbys zu t2 und t3 mit jeweils 42 Nennungen durch eine „mangelnde Beweglichkeit“ verursacht. Diese Einschätzung ist natürlich abhängig von der Art der Hobbys und davon, welche Belastungen für den Rücken dabei auftreten. Offenbar werden mit der fortschreitenden Heilungsphase und der Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit usw. auch die Einschränkungen im Freizeitbereich geringer. Im Durchschnitt wurden die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Vergleich zu präoperativ als „unverändert“ beurteilt.

Die körperliche Funktionsfähigkeit (SF 12) verbesserte sich im Vergleich zum 1. Befragungszeitpunkt sowohl 6 als auch 12 Monate post-AHB höchst signifikant (p = 0,000). Für den psychischen Bereich dieses Fragebogens blieben die Werte in diesem Zeitraum relativ unverändert. Vergleicht man die vorliegenden Ergebnisse mit den Normwerten von Nübling (2006), so lagen die Teilnehmer zu allen 3 Zeitpunkten darunter [11]. Die positive Entwicklung, die vor allem im körperlichen Bereich zu erkennen war, zeigte jedoch eine deutliche Tendenz in Richtung Normbereich.

Die Ergebnisse des Oswestry Disability Index lagen nach der Einteilung von Fairbank (1980) [7] mit 43,0 % (± 16,1) bzw. 41,5 % (± 16,8) im Bereich einer „starken Behinderung“, allerdings nahe am Übergang zur „mäßigen Behinderung“. In der Literatur finden sich nach lumbalen Fusionen zwischen 22,9 % und 35,7 % Verbesserung des ODI 2 Jahre postoperativ [1]. Orientiert an diesen Werten ergab sich in der vorliegenden Studie eine Verbesserung von „nur“ 1,5 Prozentpunkten. Allerdings betrug der Nachbefragungszeitraum nur 12 Monate, während in anderen Studien häufig ein Follow-Up von 2 Jahren und mehr bestand. Um von einer tatsächlichen Veränderung sprechen zu können, sollte je nach Autor die Differenz der ODI-Werte zwischen 4 und 17 Prozentpunkte betragen [7, 12].

Als Nebenfragestellung dieser Studie sollte untersucht werden, ob verschiedene Operationsverfahren (Nukleotomie, Spondylodese, Cage, Bandscheiben-Prothese) einen Einfluss auf das postoperative Ergebnis zeigen. Ein direkter Gruppenvergleich war wegen der sehr unterschiedlichen Teilnehmerzahlen (Gruppe 1: n = 61; Gruppe 2: n = 23) dennoch schwierig.

Die AU-Tage reduzierten sich nur in Gruppe 1 signifikant, in Gruppe 2 waren allerdings mit 43 % bereits zu t1 mehr Probanden „keinen Tag“ arbeitsunfähig (Gruppe 1: 25 %).

Der wöchentliche Sportumfang zeigte in Gruppe 1 keine Veränderung („1 bis 2 Stunden“). In Gruppe 2 kam es dagegen zu einer signifikanten Reduzierung von „1 bis 2 Stunden“ auf „0 bis 1 Stunde“ pro Woche. Dieses Ergebnis bestätigt auch die Aussage der meisten Teilnehmer, dass sich ihr Sportverhalten im Vergleich zu präoperativ nicht entscheidend verändert hat. Durchschnittlich betrachtet blieb die subjektive Sportfähigkeit in beiden Gruppen „unverändert“.

Der ODI lag in Gruppe 1 im Bereich einer „starken Behinderung“, in Gruppe 2 kam es zu einer Verschiebung von einer „starken“ hin zu einer „mäßigen Behinderung“. Beide Gruppen bewegten sich aber im Grenzbereich dieser beiden „Behinderungszonen“, so dass eigentlich nicht von einer wirklichen Verschiebung des Behinderungsgrads gesprochen werden kann.

Bei den „rein dekomprimierenden Verfahren“ wurden die meisten Einschränkungen in Beruf und Freizeit durch mangelnde Beweglichkeit verursacht, während bei den „dekomprimierenden und stabilisierenden Verfahren“ in dieser Hinsicht eher die auftretenden Schmerzen im Vordergrund standen.

In der ersten Zeit nach einem operativen Eingriff an der Wirbelsäule wird der körperliche Gesundheitszustand auf Grund bestehender Einschränkungen oft nicht gut beurteilt. In der vorliegenden Studie war im Verlauf nach dem AHB-Aufenthalt eine äußerst positive Entwicklung zu sehen. Zwischen t1 und t2 sowie t1 und t3 zeigte sich in beiden Gruppen jeweils eine höchst signifikante Verbesserung (p = 0,000) des körperlichen Gesundheitszustands (SF 12).

Bei der psychischen Summenskala dieses Fragebogens gab es in beiden Gruppen keine statistisch auffälligen Veränderungen zwischen t1, t2 und t3. Die Ausgangswerte lagen nur knapp unter dem Normbereich [11]. Bis auf eine geringe Reduzierung der Werte zu t2 war keine nennenswerte Veränderung zu erkennen.

Fazit

Die vorliegende Studie zeigte insgesamt eine positive Entwicklung nach einem erstmaligen operativen Eingriff an der Wirbelsäule in einem Zeitraum bis 12 Monate nach einer stationären Anschlussheilbehandlung:

Signifikante Reduzierung der AU-Tage bis 12 Monate nach der AHB.

Erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bei 58,3 % der Patienten.

Häufigste Einschränkungen bei der Berufsausübung durch Schmerzen, Beweglichkeit, Kraft und Angst.

Postoperativ berufliche Veränderung bei knapp 30 % der Patienten, wobei eine innerbetriebliche Umsetzung am häufigsten war.

Wöchentlicher Sportumfang post-AHB annähernd unverändert.

Bei 42 % der Teilnehmer subjektiv bessere Sportfähigkeit als vor der OP.

Häufigste Einschränkungen beim Sport durch Beweglichkeit, Angst und Schmerzen.

Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (Hobbys) subjektiv unverändert.

Körperlicher Gesundheitszustand bis 12 Monate post-AHB höchst signifikant verbessert.

Schwankende Entwicklung des psychischen Gesundheitszustands.

Nur geringfügige Unterschiede zwischen den OP-Arten „Rein dekomprimierende Verfahren“ und „Dekomprimierende und stabilisierende Verfahren“.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadressen

Andreas Bosse
(Dipl. Sportwissenschaftler und
Physiotherapeut)

Orthopädie-Zentrum Bad Füssing

Waldstraße 12

94072 Bad Füssing

orthopaedie.forschung@drv-bayernsued.de

PD Dr. med. Rainer Wölfel
Klinikum Fürth

Jakob-Henle-Str. 1

90766 Fürth

chir2@klinikum-fuerth.de)

Literatur

1. Gottwald FE. Vergleichende, nicht-invasive Bewegungsanalyse der Wirbelsäule zwischen lumbalen Spondylodesen, der Zwischenwirbelprothese Typ Charite® und einem wirbelsäulengesunden Kollektiv. Medizinische Fakultät der Ludwigs-Maximilians-Universität München 2009

2. Baum DS. Versorgungsstrategien von Wirbelfrakturen des thorakolumbalen Übergangs – Grenzen der alleinigen dorsalen Stabilisierung. Medizinische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen 2009

3. http://www.lifestyle.t-online.de/rueckenschmerzen.html

4. Bauer BM. Sportfähigkeit nach Bandscheibenoperation der Lendenwirbelsäule. Fakultät für Medizin der Technischen Universität München. 2007

5. Müller P (o.J.): Unspezifische, pseudoradikuläre Schmerzen nach lumbaler Bandscheibenoperation. Pilotstudie

6. Mittag O, Raspe H. Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der Gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman- Skalierung) und Validität der Skala. Rehabilitation 2003; 42: 169–174

7. Fairbank J, Frost H, Wilson-McDonald J et al. Randomised controlled trial to compare surgical stabilisation of the lumbar spine with an intensive rehabilitation programme for patients with chronic low back pain: the MRC spine stabilisation trial. BMJ 2005; doi:10.1136/bmj.38441.602417.BF

8. Brauer J. Soziale, situative und personale Faktoren im Kontext der Rentenantragsstellung bei männlichen Arbeiterrentenversicherten in der kardiologischen Rehabilitation. Medizinische Fakultät der Universität Lübeck, 2009

9. Mobahheri S. Ergebnisse nach postero-lateraler Fusion der Lendenwirbelsäule. Eine Untersuchung im Hinblick auf klinische, radiologische und ökonomische Aspekte und die Sportfähigkeit. Fakultät für Medizin der Technischen Universität München, 2004

10. Hofreuter-Gätgens K, Morfeld M, Koch U. Die Rückkehr zur Arbeit von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen nach stationärer medizinischer Rehabilitation. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, 2005

11. Nübling, M, Andersen, HH, Mühlbacher, A. Entwicklung eines Verfahrens zur Berechnung der körperlichen und psychischen Summenskalen auf Basis der SOEP- Version des SF 12 (Algorithmus). Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2006

12. Robinson Y, Michaelsson K, Sandén B. : Instrumentation in lumbar fusion improves back pain but not quality of life 2 years after surgery. Acta Orthopaedica 2013; 84: 7–11

Fussnoten

1 Orthopädie-Zentrum Bad Füssing der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, Bad Füssing (Leiter: Prof. Dr. med. W.F. Beyer)

2 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Fürth, (Ärztliche Leitung der Unfallchirurgie und Orthopädie)

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