Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach Wirbelsäulenoperationen

Nicht nur im orthopädischen Bereich wird die „Subjektive Prognose der Erwerbstätigkeit“ (SPE-Skala) als guter Anhaltspunkt für die Rückkehr ins Berufsleben gesehen. Bei Brauer (2009) stellte diese Skala über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren einen geeigneten Prädikator für einen vorzeitigen Rentenantrag dar [8]. Je höher der Ausprägungsgrad der Skala, desto wahrscheinlicher war eine Rentenantragsstellung bzw. die tatsächliche Berentung. In der vorliegenden Studie wurde die SPE-Skala herangezogen, um eine subjektive Einschätzung der Probanden über die weitere Entwicklung der beruflichen Situation zu erhalten. Im zeitlichen Verlauf waren keine auffälligen Veränderungen zu erkennen. Zu allen 3 Zeitpunkten lagen die Werte im Bereich einer „schwachen Gefährdung der Erwerbstätigkeit“ [vgl. 6].

Bei Mobahheri (2004) standen 40 % der Probanden vor der Operation dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung [9]. In der vorliegenden Studie wurde zur Erfassung der durch Rückenbeschwerden verursachten, präoperativen Arbeitsunfähigkeitstage nach den Ausfallzeiten während der letzten 12 Monate vor der Operation gefragt. In diesem Zeitraum waren 33,3 % der Befragten „25 bis 99 Tage“ auf Grund ihrer Rückenbeschwerden nicht arbeitsfähig. Die Entwicklung der AU-Tage postoperativ zeigte, dass 6 und 12 Monate nach der AHB die Teilnehmer, die nach der Rückkehr ins Arbeitsleben „überhaupt keinen Tag“ wegen ihrer Rückenbeschwerden krankgeschrieben waren, eindeutig den größten Anteil darstellten.

Im Hinblick auf die Beschreibung der beruflichen Tätigkeit („vorwiegend geistig“, „vorwiegend körperlich“, „gleichermaßen geistig und körperlich“) zeigte sich ein hoch signifikanter Unterschied (p = 0,006) bzgl. des Zeitpunkts, wann die Arbeit voraussichtlich wieder aufgenommen werden kann. Die „vorwiegend körperlich Tätigen“ (n = 20) rechneten mit einer längeren AU-Zeit (mehr als ein Monat) als diejenigen mit „vorwiegend geistiger Tätigkeit“ (n = 20, weniger als ein Monat).

Nach einer Operation wird die Rückkehr zur Arbeit oftmals in Form einer stufenweisen Wiedereingliederung gestaltet. Nach Bürger et al. (2001) gilt eine Wiedereingliederung als erfolgreich, wenn der Patient wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, die Arbeitsunfähigkeit im Jahr nach der Reha weniger als 12 Wochen betrug und wenn kein vorzeitiger Rentenantrag gestellt wurde [In: 10]. In der vorliegenden Studie hat sich bei 56 Probanden an der beruflichen Situation 12 Monate post AHB im Vergleich zu präoperativ nichts verändert. Von diesen waren in den vergangenen 12 Monaten 50 Personen „überhaupt keinen Tag“ (n = 43) oder „höchstens neun Tage“ (n = 7) arbeitsunfähig. 7 Teilnehmer dachten zumindest an einen vorzeitigen Rentenantrag. In Anlehnung an die oben genannten Wiedereingliederungskriterien waren zum Zeitpunkt der 3. Befragung 58,3 % aller Teilnehmer erfolgreich wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Um den fehlenden Anteil auch noch besser reintegrieren zu können, wäre eine noch bessere Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation wünschenswert.

Vor allem bei jüngeren und sportlichen Personen stellt sich nach einer Wirbelsäulen-OP die Frage, wann und in welchem Ausmaß wieder mit dem Sport begonnen werden kann. Empfehlungen zu dieser Problematik finden sich in der Literatur häufig nur für den Leistungssportbereich, nicht aber für Breiten- und Freizeitsportler [4]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten im Hinblick auf das Sportverhalten der Teilnehmer im Vergleich zu präoperativ nur tendenzielle Veränderungen. Der Anteil derer, die eine Stunde und mehr pro Woche sportlich aktiv waren, reduzierte sich von 59 % (t1) auf 56 % (t2) bzw. 52 % (t3). Die Anzahl derjenigen Probanden, die vor der OP sportlich aktiv waren und hinterher keinen Sport mehr ausübten, stieg von 8,3 % (t2) auf 13,1 % (t3). Gründe dafür waren vor allem Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und die Angst, dass die Rückenbeschwerden erneut auftreten könnten. Hier ist eine wechselseitige Beeinflussung von Angst und Bewegungseinschränkung wahrscheinlich.

Baum (2009) stellte fest, dass 30 % ihrer Patienten die gleichen Freizeitaktivitäten wie präoperativ ausführen konnten, 21 % im gleichen zeitlichen Rahmen, aber mit leichten, 30 % mit deutlichen und 19 % mit starken Einschränkungen [2]. In der vorliegenden Studie wurden die häufigsten Einschränkungen in Bezug auf die früheren Hobbys zu t2 und t3 mit jeweils 42 Nennungen durch eine „mangelnde Beweglichkeit“ verursacht. Diese Einschätzung ist natürlich abhängig von der Art der Hobbys und davon, welche Belastungen für den Rücken dabei auftreten. Offenbar werden mit der fortschreitenden Heilungsphase und der Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit usw. auch die Einschränkungen im Freizeitbereich geringer. Im Durchschnitt wurden die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Vergleich zu präoperativ als „unverändert“ beurteilt.

Die körperliche Funktionsfähigkeit (SF 12) verbesserte sich im Vergleich zum 1. Befragungszeitpunkt sowohl 6 als auch 12 Monate post-AHB höchst signifikant (p = 0,000). Für den psychischen Bereich dieses Fragebogens blieben die Werte in diesem Zeitraum relativ unverändert. Vergleicht man die vorliegenden Ergebnisse mit den Normwerten von Nübling (2006), so lagen die Teilnehmer zu allen 3 Zeitpunkten darunter [11]. Die positive Entwicklung, die vor allem im körperlichen Bereich zu erkennen war, zeigte jedoch eine deutliche Tendenz in Richtung Normbereich.

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