Übersichtsarbeiten - OUP 12/2015

Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und der Freizeitaktivitäten nach Wirbelsäulenoperationen

Die Ergebnisse des Oswestry Disability Index lagen nach der Einteilung von Fairbank (1980) [7] mit 43,0 % (± 16,1) bzw. 41,5 % (± 16,8) im Bereich einer „starken Behinderung“, allerdings nahe am Übergang zur „mäßigen Behinderung“. In der Literatur finden sich nach lumbalen Fusionen zwischen 22,9 % und 35,7 % Verbesserung des ODI 2 Jahre postoperativ [1]. Orientiert an diesen Werten ergab sich in der vorliegenden Studie eine Verbesserung von „nur“ 1,5 Prozentpunkten. Allerdings betrug der Nachbefragungszeitraum nur 12 Monate, während in anderen Studien häufig ein Follow-Up von 2 Jahren und mehr bestand. Um von einer tatsächlichen Veränderung sprechen zu können, sollte je nach Autor die Differenz der ODI-Werte zwischen 4 und 17 Prozentpunkte betragen [7, 12].

Als Nebenfragestellung dieser Studie sollte untersucht werden, ob verschiedene Operationsverfahren (Nukleotomie, Spondylodese, Cage, Bandscheiben-Prothese) einen Einfluss auf das postoperative Ergebnis zeigen. Ein direkter Gruppenvergleich war wegen der sehr unterschiedlichen Teilnehmerzahlen (Gruppe 1: n = 61; Gruppe 2: n = 23) dennoch schwierig.

Die AU-Tage reduzierten sich nur in Gruppe 1 signifikant, in Gruppe 2 waren allerdings mit 43 % bereits zu t1 mehr Probanden „keinen Tag“ arbeitsunfähig (Gruppe 1: 25 %).

Der wöchentliche Sportumfang zeigte in Gruppe 1 keine Veränderung („1 bis 2 Stunden“). In Gruppe 2 kam es dagegen zu einer signifikanten Reduzierung von „1 bis 2 Stunden“ auf „0 bis 1 Stunde“ pro Woche. Dieses Ergebnis bestätigt auch die Aussage der meisten Teilnehmer, dass sich ihr Sportverhalten im Vergleich zu präoperativ nicht entscheidend verändert hat. Durchschnittlich betrachtet blieb die subjektive Sportfähigkeit in beiden Gruppen „unverändert“.

Der ODI lag in Gruppe 1 im Bereich einer „starken Behinderung“, in Gruppe 2 kam es zu einer Verschiebung von einer „starken“ hin zu einer „mäßigen Behinderung“. Beide Gruppen bewegten sich aber im Grenzbereich dieser beiden „Behinderungszonen“, so dass eigentlich nicht von einer wirklichen Verschiebung des Behinderungsgrads gesprochen werden kann.

Bei den „rein dekomprimierenden Verfahren“ wurden die meisten Einschränkungen in Beruf und Freizeit durch mangelnde Beweglichkeit verursacht, während bei den „dekomprimierenden und stabilisierenden Verfahren“ in dieser Hinsicht eher die auftretenden Schmerzen im Vordergrund standen.

In der ersten Zeit nach einem operativen Eingriff an der Wirbelsäule wird der körperliche Gesundheitszustand auf Grund bestehender Einschränkungen oft nicht gut beurteilt. In der vorliegenden Studie war im Verlauf nach dem AHB-Aufenthalt eine äußerst positive Entwicklung zu sehen. Zwischen t1 und t2 sowie t1 und t3 zeigte sich in beiden Gruppen jeweils eine höchst signifikante Verbesserung (p = 0,000) des körperlichen Gesundheitszustands (SF 12).

Bei der psychischen Summenskala dieses Fragebogens gab es in beiden Gruppen keine statistisch auffälligen Veränderungen zwischen t1, t2 und t3. Die Ausgangswerte lagen nur knapp unter dem Normbereich [11]. Bis auf eine geringe Reduzierung der Werte zu t2 war keine nennenswerte Veränderung zu erkennen.

Fazit

Die vorliegende Studie zeigte insgesamt eine positive Entwicklung nach einem erstmaligen operativen Eingriff an der Wirbelsäule in einem Zeitraum bis 12 Monate nach einer stationären Anschlussheilbehandlung:

Signifikante Reduzierung der AU-Tage bis 12 Monate nach der AHB.

Erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bei 58,3 % der Patienten.

Häufigste Einschränkungen bei der Berufsausübung durch Schmerzen, Beweglichkeit, Kraft und Angst.

Postoperativ berufliche Veränderung bei knapp 30 % der Patienten, wobei eine innerbetriebliche Umsetzung am häufigsten war.

Wöchentlicher Sportumfang post-AHB annähernd unverändert.

Bei 42 % der Teilnehmer subjektiv bessere Sportfähigkeit als vor der OP.

Häufigste Einschränkungen beim Sport durch Beweglichkeit, Angst und Schmerzen.

Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (Hobbys) subjektiv unverändert.

Körperlicher Gesundheitszustand bis 12 Monate post-AHB höchst signifikant verbessert.

Schwankende Entwicklung des psychischen Gesundheitszustands.

Nur geringfügige Unterschiede zwischen den OP-Arten „Rein dekomprimierende Verfahren“ und „Dekomprimierende und stabilisierende Verfahren“.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadressen

Andreas Bosse
(Dipl. Sportwissenschaftler und
Physiotherapeut)

Orthopädie-Zentrum Bad Füssing

Waldstraße 12

94072 Bad Füssing

orthopaedie.forschung@drv-bayernsued.de

PD Dr. med. Rainer Wölfel
Klinikum Fürth

Jakob-Henle-Str. 1

90766 Fürth

chir2@klinikum-fuerth.de)

Literatur

1. Gottwald FE. Vergleichende, nicht-invasive Bewegungsanalyse der Wirbelsäule zwischen lumbalen Spondylodesen, der Zwischenwirbelprothese Typ Charite® und einem wirbelsäulengesunden Kollektiv. Medizinische Fakultät der Ludwigs-Maximilians-Universität München 2009

2. Baum DS. Versorgungsstrategien von Wirbelfrakturen des thorakolumbalen Übergangs – Grenzen der alleinigen dorsalen Stabilisierung. Medizinische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen 2009

3. http://www.lifestyle.t-online.de/rueckenschmerzen.html

4. Bauer BM. Sportfähigkeit nach Bandscheibenoperation der Lendenwirbelsäule. Fakultät für Medizin der Technischen Universität München. 2007

5. Müller P (o.J.): Unspezifische, pseudoradikuläre Schmerzen nach lumbaler Bandscheibenoperation. Pilotstudie

6. Mittag O, Raspe H. Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der Gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman- Skalierung) und Validität der Skala. Rehabilitation 2003; 42: 169–174

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