Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Gelenkersetzende Therapie bei Gonarthrose

Carsten O. Tibesku1

Zusammenfassung: Für die gelenkersetzende Therapie der Gonarthrose stehen prinzipiell Teil- und Totalersatz zur Verfügung. Der partielle Gelenkersatz ist dem totalen in der Funktion und Patientenzufriedenheit insbesondere bei jüngeren Patienten überlegen, hingegen ist die Langzeithaltbarkeit zumindest in Registerstudien höher beim totalen als partiellen Gelenkersatz.

Je nach Zustand der Bänder und dem Schädigungsmuster stehen Teilersätze des medialen, lateralen und patellofemoralen Kompartments zur Verfügung, welche auch miteinander kombiniert werden können.

Der Oberflächenersatz des Kniegelenks (Knie-TEP) unter Erhalt der Kollateralbänder stellt mit mehr als 150.000 Versorgungen pro Jahr in Deutschland die meistgebrauchte Prothese dar. Die verschiedenen Typen unterscheiden sich vor allem durch die intrinsische Stabilität, den meist verwendeten mit Erhalt des hinteren Kreuzbands (CR, cruciate retaining), gefolgt von dem Ersatz des hinteren Kreuzbands (PS, posterior stabilisiert) und dem selten verwendeten Erhalt beider Kreuzbänder (Bi-CR). Bei partieller Instabilität der Seitenbänder kommen teilgekoppelte Prothesen (CC, condylar constrained) und beim Verlust des medialen Seitenbands oder großen Differenzen zwischen Beuge- und Streckspalt gekoppelte Implantate zur Verwendung.

Neben den in festen Größen vorgefertigten „Standard“-

Implantaten finden seit einigen Jahren individualisierte Implantate Verwendung (custom TKA, patient-specific), deren Vorteil in der Rekonstruktion der Gelenklinie, des Patellalaufs,
einer natürlicheren Kinematik und der Vermeidung von Überständen und intraoperativer Kompromissbildungen liegt.

Neben der seit langem verwendeten Navigation finden als weitere Hilfsmittel zur optimalen intraoperativen Positionierung der Prothese patientenspezifische Instrumente (PSI) und Fräsroboter Verwendung. Während für die bildfreie Navigation und die patientenspezifischen Instrumente eine Verringerung der „Ausreißer“ der angestrebten Prothesenposition von ca. 25–30 % bei konventioneller Instrumentation auf ca. 10–15 % festgestellt wurde, stehen die Ergebnisse der Fräsroboter noch aus. Gegenüber der Navigation zeigen PSI einen Vorteil im Bereich der Rotationsausrichtung der femoralen und tibialen Komponenten.

Schlüsselwörter: Gonarthrose, operative Therapie, partieller
Gelenkersatz, Schlittenprothese, Knie-TEP, Knietotalendoprothese, patientenspezifisch, Individualprothese

Zitierweise
Tibesku CO: Gelenkersetzende Therapie bei Gonarthrose.
OUP 2018; 7: 396–406 DOI 10.3238/oup.2018.0306–0406

Summary: Reconstruction of the osteoarthritic knee is divided into partial and total knee replacement. Partial knee replacement is regarded superior in terms of patient satisfaction and functional results, especially in young patients, whereas total knee replacement has a slightly higher long term survival, at least in registry data. Depending on the intact ligaments and the worn compartments, there are partial replacements for the medial, lateral and patellofemoral compartment, which can also be used in combination.

Unconstrained total knee arthroplasty (TKA) with preservation of both collateral ligaments is the most often used knee replacement, with more than 150.000 surgeries per year in Germany. The miscellaneous types of TKA differ mainly by the intrinsic stability, the most often used being posterior cruciate retaining TKA (CR), followed by posterior stabilized TKA (PS) and the rarely used bi-cruciate retaining TKA (bi-CR). In cases of partial collateral ligament instability, condylar constrained TKA (CC) are used, and a lack of the medial collateral ligament or pronounced differences between flexion and extension gap lead to the use of hinge protheses.

Besides the standard „off-the-shelve“ implants, there is increasing interest in and use of custom or patient-specific TKA, which are considered advantageous in reconstruction of the joint line, patellar tracking, more natural kinematics and avoidance of overhangs and intraoperative compromises.

Besides the time-tested navigation, patient-specific instruments (PSI) and robot assistance have been introduced into TKA as tools for improved prosthesis positioning. Image-free navigation and PSI have been demonstrated to reduce the percentage of outliers from desired alignment from 25–30 % with conventional instruments to only 10–15 %, whereas results for robot assisted TKA are still pending. Compared to navigation, PSI have advantages with regards to rotational alignment of both femoral and tibial components.

Keywords: ostoarthritis of the knee, surgical therapy, partial knee replacement, unicompartmental knee replacement, total knee replacement, patient-specific, custom, knee arthroplasty

Citation
Tibesku CO: Joint replacement in osteoarthritis of the knee.
OUP 2018; 7: 396–406 DOI 10.3238/oup.2018.0306–0406

1 KniePraxis Prof. Dr. Tibesku, Straubing

Einführung

Die gelenkersetzende Therapie bei Gonarthrose lässt sich prinzipiell in den Teilersatz und den Totalersatz einteilen [1]. Die Vorteile des Teilgelenkersatzes gegenüber dem Oberflächenersatz sind vielfältig: Im direkten Vergleich ist der Teilersatz weniger invasiv, hat einen geringeren Blutverlust, schnellere Rehabilitation, geringere Kosten, geringere Infektionsgefahr, geringere und weniger schwere Komplikationen und im Fall des Versagens eine einfachere Revision. Für die Funktion des Kniegelenks spielt der Erhalt des vorderen Kreuzbands eine entscheidende Rolle: Ein Verlust des vorderen Kreuzbands führt zu einer vermehrten Quadrizepsvermeidung, welche beim Totalersatz ausgeprägter ist als beim Teilersatz [2–4]. Ebenso induziert das VKB die sog. Schlussrotation des Kniegelenks in Extensionsnähe. VKB-insuffiziente Kniegelenke, also alle Knietotalendoprothesen, können die Rotationsbewegungen des natürlichen Kniegelenks nicht nachahmen. Funktionelle Untersuchungen konnten zeigen, dass die Kinematik [5], Stabilität [6], Muskelaktivität [7], isokinetische Muskelkraft [7], der Gelenkstellungssinn (Propriozeption) [8] und die Ganganalyse [9] nach einer Schlittenprothese normaler war als nach einer Knie-TEP. Patienten mit einem Teilgelenk in einem Knie und einer Knie-TEP im anderen Gelenk, bevorzugten zu 50 % den Teilersatz oder empfanden keinen Unterschied [10]. Insbesondere jüngere Patienten erzielen eine signifikant höhere Zufriedenheit mit einem Teilgelenk gegenüber einer Knie-TEP [11].

Den vielen Vorteilen des Teilgelenkersatzes steht eine geringere Überlebensrate gegenüber. Während in vielen Kohortenstudien spezialisierter Zentren Überlebensraten berichtet werden, die denen von Totalprothesen entsprechen, zeigen die Registerdaten eine geringere Überlebensrate.

In Abhängigkeit vom Schädigungsmuster stehen verschiedene Arten des Teilgelenkersatzes zur Verfügung.

Diagnostik

Für die Differenzialindikation verschiedener Arten des Teilgelenkersatzes sollten stets die Anamnese, ggf. auch anhand eines standardisierten Fragebogens, z.B. Oxford Score, die klinische Untersuchung durch den Operateur und eine radiologische Untersuchung mit folgenden Untersuchungen durchgeführt werden: pa-Rosenberg-Aufnahme, Ganzbeinstand-Aufnahme, Kniegelenk seitlich (evtl. als gehaltene Aufnahme in vorderer Schublade), Patella tangential. Eine Kernspintomografie ist nicht zwingend notwendig, kann aber gegebenenfalls weitere Informationen liefern. Eine diagnostische Arthroskopie ist nur in wenigen Ausnahmen notwendig.

Medialer Schlitten

Anhand der relativ strikten Indikationskriterien von Kozinn und Scott aus dem Jahr 1989 verblieben nur relativ wenige Indikationen für die Implantation einer medialen Schlittenprothese. Durch umfängliche Studien konnte gezeigt werden, dass ein Teil dieser Kontraindikationen nicht notwendig ist. In einer Konsensus-Publikation aus dem Jahr 2015 sind die aktuellen Indikationen und Kontraindikationen für den medialen Schlitten wie folgt zusammengefasst [12]:

Indikationen:

  • 1. anteromediale Gonarthrose
  • (Abb. 1a)
  • 2. Osteonekrose (Morbus Ahlbäck)
  • (Abb. 1b)

Kontraindikationen:

  • 1. Kreuzbandinsuffizienz
  • 2. rheumatoide Arthritis
  • 3. überkorrigierte vorherige Umstellungsosteotomie
  • 4. Patellofemoralarthrose, laterale Facette

Relative Kontraindikationen:

  • 1. nicht vollständiger Knorpelverlust
  • 2. Beugekontraktur von > 10°
  • 3. Flexionseinschränkung von < 90°

Die folgenden Faktoren werden explizit nicht mehr als Kontraindikation betrachtet:

  • 1. Alter
  • 2. Übergewicht
  • 3. Chondrokalzinose
  • 4. Patellofemoralarthrose, mediale Facette

Eine vorherige Umstellungsosteotomie, die nur eine Unterkorrektur erzielt hat, kann auch mit einem medialen Schlitten versorgt werden. Ein nicht vollständiger Verlust des Knorpels in einer der belasteten Röntgenaufnahmen ist eine relative Kontraindikation, da die Zahl der Reoperationen in diesen Patienten erhöht ist [13, 14]. Mit den oben genannten Indikationskriterien kommen bis zu 30 % der Gonarthrosepatienten für einen Teilgelenkersatz infrage.

Prinzipiell wird bei den medialen Schlitten die Verwendung eines fixen (Abb. 2) oder mobilen Polyethylengleitlagers unterschieden. Die Ergebnisse sind in der Literatur als gleichwertig anzusehen [15]. Die 10-Jahres-Überlebensrate von medialen Schlittenprothesen wird in der Übersichtsliteratur mit 90 % angegeben und ist damit etwas niedriger als von Totalprothesen mit 94,7 % in der gleichen Arbeit [16]. Die Ergebnisse von spezialisierten Zentren mit hohen Fallzahlen für Schlittenprothesen zeigen Langzeitergebnisse, die denen von Totalprothesen entsprechen [17].

Lateraler Schlitten

Die Indikation für einen lateralen Schlitten sind die laterale Kompartmentarthrose, sei es primär, posttraumatisch, oder post Meniskektomie, ebenso die seltene Osteonekrose des lateralen Femurcondylus und ein Zustand nach varisierender Osteotomie (Abb. 3). Kontraindikationen sind eine Valgusfehlstellung von mehr als 20° und eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung, z.B. eine Beugekontraktur von > 10° oder eine Beugefähigkeit von < 90° [18, 19].

Die Indikationen für die Implantation einer lateralen Schlittenprothese sind sehr selten. Lediglich maximal 5–10 % aller Schlitten werden im lateralen Kompartment verwendet. Die Implantate wurden in der Regel für das mediale Kompartment entwickelt und auf der contralateralen Seite auch für das laterale Kompartment verwendet. Erst in den letzten Jahren wurden neue, speziell auf die Anatomie des lateralen Kompartments abgestimmte Implantate auf den Markt gebracht (z.B. Journey Uni der Fa. Smith & Nephew; Oxford der Fa. ZimmerBiomet). Anders als beim medialen Schlitten, wird beim lateralen Schlitten die Verwendung von Fixateur Polyethylen Gleitlager empfohlen, da die vermehrte a.p.-Translation im lateralen Kompartment ein erhöhtes Luxationsrisiko mobiler Gleitlager mit sich bringt (Abb. 4) [20].

In der Literatur finden sich nur wenige retrospektive Langzeitstudien mit geringen Fallzahlen, die allerdings eine der medialen Seite vergleichbare Haltbarkeit aufzeigen [18]. Mit einem modernen Implantat können Haltbarkeiten von 92 % nach 10 und 84 % nach 16 Jahren erzielt werden. [21]

Isolierter Ersatz des Patellofemoralgelenks

Die isolierte patellofemorale Arthrose (Abb. 5) tritt je nach Studie bei 14–24 % der Frauen und 11–15 % der Männer im Alter zwischen 55 und 60 Jahren auf. Eine andere Quelle beschreibt die Prävalenz als 9,2 % aller Patienten, die älter als 40 Jahre sind. Sie ist damit häufiger, als landläufig erwartet wird. In zahlreichen klinischen Studien und zusammenfassenden Übersichten konnten die folgenden Indikationen und Kontraindikationen herausgearbeitet werden [22, 23]:

Indikationen:

  • 1. isolierte, primäre Osteoarthrose des Patellofemoralgelenks
  • 2. posttraumatische Osteoarthrose des Patellofemoralgelenks
  • 3. sekundäre Osteoarthrose des Patellofemoralgelenks durch Dysplasie oder Malalignment, mit und ohne Instabilität
  • 4. Versagen einer vorherigen, entlastenden Osteotomie

Kontraindikationen:

  • 1. höhergradige Arthrose des Tibiofemoralgelenks
  • 2. rheumatoide Arthritis
  • 3. patellofemorale Knorpelschäden geringer als Grad 3
  • 4. Patella infera
  • 5. nicht korrigierte patellofemorale Instabilität
  • 6. nicht korrigierte Achsfehlstellungen
  • 7. Bewegungseinschränkungen größer als 0–10–100

Neben den Kontraindikationen gibt es zahlreiche Faktoren, die trotz klarer klinischer Indikationen das postoperative Ergebnis negativ beeinflussen können:

  • 1. multiple Voroperationen mit erheblicher Quadrizepsatrophie
  • 2. vorherige Arthrofibrose
  • 3. tibiofemorale Bandinstabilität
  • 4. vorherige Meniskektomie
  • 5. Chondrokalzinose
  • 6. hohe körperliche Aktivität des Patienten, Arbeit in tiefer Hocke
  • 7. Alter < 40 Jahre
  • 8. unrealistische Erwartungshaltung
  • 9. Übergewicht
  • 10. Patella alta

Die Ergebnisse des isolierten Patellofemoralersatzes unterscheiden sich deutlich zwischen älteren und modernen Implantaten. Während für die älteren Modelle eine hohe Versagensrate berichtet wurde, zeigen moderne Implantate deutlich bessere Ergebnisse. Unter Beachtung der o.g. strengen Indikationskriterien, der Verwendung eines modernen Designs (breite Trochlea mit offenem Sulcuswinkel, all-poly Patella) und chirurgischer Regeln (Außenrotation und Lateralisierung der Trochlea) werden insbesondere im direkten Vergleich zur Totalprothese bessere funktionelle Ergebnisse erzielt. Es werden Inlay und Onlay-Varianten des isolierten Patellofemoralersatzes unterschieden, für die nur geringe Unterschiede im klinischen Ergebnis beschrieben sind. Der Autor bevorzugt eine Onlay-Prothese, da für diese in einem ohnehin schon kleinen Indikationsfeld keine weiteren Einschränkungen (wie z.B. Dysplasie der lateralen Trochlea, Fehlrotation, Nichtabdeckung der gesamten Trochlea) bestehen (Abb. 6). Ähnlich wie beim Oberflächenersatz des Kniegelenks besteht Uneinigkeit über die operative Behandlung der Kniescheibe [22].

Bikompartimenteller Ersatz

Bei Patienten mit einer kombinierten einseitigen tibiofemoralen und patellofemoralen Kompartmentarthrose kann auch die Kombination einer Schlittenprothese mit einem Patellofemoralgelenk erfolgen. Dieses ist nur sehr selten für die Kombination laterales und patellofemorales Kompartment indiziert, häufiger für die Kombination mediales und patellofemorales Kompartment. Prinzipiell sind für diese Methode auch patienten-spezifische, nicht-modulare Systeme erhältlich, wenngleich die häufigste Kombination eine modulare Verwendung eines medialen Schlittens und PFJs des gleichen Herstellers ist (Abb. 7) [24].

Die Indikationen sind prinzipiell die gleichen wie beim medialen Schlitten, mit der Ausnahme, dass die Kontraindikationen für das Patellofemoralgelenk nicht gelten.

Die funktionellen Ergebnisse nach einem modularen, bikompartimentellen Ersatz sind dem eines Oberflächenersatzes überlegen [25–28]. Langzeitergebnisse sind für diese Methode bislang nicht beschrieben.

Oberflächenersatz (Knietotalendoprothese, Knie-TEP)

Die mit Abstand häufigste Verwendung bei der operativen Therapie der Gonarthrose findet der Oberflächenersatz des Kniegelenks. Alle Systeme haben gemeinsam, dass alle tibialen und femoralen Gelenkflächen entfernt und prothetisch ersetzt werden. In Abhängigkeit von den noch suffizienten Bandstrukturen und dem gewünschten Erhalt des medialen und lateralen Seitenbands sowie des vorderen und hinteren Kreuzbands, können verschiedene Grade der Stabilisierung beim oberflächlichen Ersatz des Kniegelenks unterschieden werden. Dadurch werden – je nach Literatur – bei 80 % der operierten Patienten Schmerzbefreiung und eine Verbesserung der Funktion des Kniegelenks erreicht. Der Operationserfolg kann nicht vorhergesagt werden. 15–20 % der operierten Patienten haben bleibende Schmerzen und Funktionseinbußen und sind unzufrieden. Die Prädiktoren sind Schweregrad der Arthrose, präoperative Funktion, Begleiterkrankungen wie z.B. Depression, Diabetes oder auch Voroperationen des Kniegelenks. Auch soziale Faktoren wie z.B. das Leben in einer festen Partnerschaft haben einen Einfluss auf das Outcome [1].

Folgende Arten der Kopplung stehen für die primäre Endoprothetik zur Verfügung:

2 Bi-CR Knie-TEP („bi-cruciate-
retaining“, Erhalt des vorderen und hinteren Kreuzbands)

Es gab in der Entwicklung der Knieendoprothetik immer wieder Versuche, einen Oberflächenersatz unter Erhalt beider Kreuzbänder zu implantieren. Diese Versuche bestanden zum Teil aus beidseitig, medial und lateral, implantierten Schlittenprothesen [29, 30], z.T. aber auch aus speziell für diese Indikation entwickelten Oberflächenersatzprothesen [31– 34]. Aktuell befinden sich auf dem Markt das Vanguard XP als Bi-CR-Variante des etablierten Knie-Systems Vanguard der Fa. ZimmerBiomet und das Produkt Journey XR als Bi-CR-Variante des Journey-Knie-System, Smith & Nephew.

Mögliche Vorteile dieser Art der Prothese sind:

Erhalt der natürlichen Kniekinematik durch Erhalt beider Kreuzbänder

Erhalt der natürlichen Propriozeption des Kniegelenks

Möglichkeit der tiefen Beugung

höherer postoperativer Aktivitätsgrad.

Mögliche Nachteile von Bi-CR-Prothesen sind:

nur kleines Indikationsspektrum (keine vorherigen Osteotomie, keine ausgeprägte Fehlstellung, keine ausgeprägte Bewegungseinschränkung)

neue, nicht weit verbreitete OP-Technik

nur kurzfristige Erfahrungen

kinematischer Konflikt zwischen prothetischen Gelenkflächen und erhaltenen Kreuzbändern

Haltbarkeit der tibialen Komponente.

Abbildung 8 zeigt ein intraoperatives Bild einer beide Kreuzbänder erhaltenden Knie-TEP. Insgesamt befindet sich die Verwendung von Bi-CR-Prothesen noch im Wachstum und die Langzeitergebnisse und realen klinischen Vor- und Nachteile müssen abgewartet werden. In 2 klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl die klinischen Ergebnisse als auch die Propriozeption des Kniegelenks besser waren als bei PS-Knie-TEPs und auf dem Niveau von medialen Schlittenprothesen [35, 36].

Während die beide Kreuzbänder erhaltende Knie-TEP (Bi-CR) noch eine
Nischenindikation darstellt, sind die das hintere Kreuzband erhaltende (CR) oder ersetzende (PS) Knieprothese über lange Zeit erprobt und stellen den Großteil der Primärimplantate dar:

2 CR-Knie-TEP
(„cruciate-retaining“, Erhalt des hinteren Kreuzbands)

Die CR-Knieprothese ist in Deutschland mit ca. 80 % Verwendung die am häufigsten benutzte Form. Hierbei wird das vordere Kreuzband reseziert und das hintere erhalten. Diese Art der Knieprothesen hat mehr oder weniger konkave, medial und lateral identische, tibiale Gelenkflächen. Die Konkavität der Gelenkflächen, die seitlichen, medialen und lateralen Strukturen und das hintere Kreuzband verleihen dieser Prothesenform die Stabilität und bestimmen den Kontaktpunkt der femoralen Komponente auf der tibialen [37, 38]. Die Tiefe und der Slope der tibialen Konkavität bestimmen zu einem hohen Anteil die intrinsische Stabilität der Prothese [37, 39]. Eine Schwierigkeit liegt darin, die Spannung des hinteren Kreuzbands richtig zu beurteilen, da eine zu geringe Spannung in einer vermehrten ap-Translation und hinteren Instabilität resultiert, eine zu hohe Spannung in einem vermehrten Abrieb der dorsalen Tibiakomponente [40, 41]. Abbildung 9 zeigt die seitlichen Röntgenbilder einer CR-Prothese mit einem typischen slide-forward des Femurs auf der Tibia bei zunehmender Beugung, während die PS-Prothese aufgrund des Zapfenmechanismus ein reproduizierbares Roll-back aufweist.

Hinteres Kreuzband ersetzende Prothesen (PS, BCS, UC)

Die häufigste Form der das hintere Kreuzband ersetzenden Oberflächenersatzprothese ist die sog. PS-Knie-TEP („posterior stabilisiert“) (Abb. 9). Hierbei werden sowohl das vordere als auch hintere Kreuzband entfernt. Durch einen Zapfen-Steg-Mechanismus (engl. „cam-post“) wird ein funktioneller Ersatz des hinteren Kreuzbands durchgeführt [37]. Durch eine Führung des Zapfens kommt es mit zunehmender Beugung zu einem „roll-back“ des Femurs auf der Tibia, welches eine tiefe Beugung ermöglicht [42, 43]. Der Zapfen füllt die femorale Box nicht vollständig aus, sodass eine freie Rotation entsteht und keine Varus-/Valgus-Stabilität besteht. Diese muss weiterhin von den Kollateralbändern gegeben sein.

Wahl des primären
Implantats: CR oder PS?

Am Häufigsten werden Knieprothesen des Kopplungsgrads CR oder PS für die primäre Implantation verwendet. Deshalb soll im Folgenden die Abgrenzung beider Systeme mit möglichen Vor- und Nachteilen dargestellt werden.

Traditionell überwiegt in Deutschland die Verwendung von hinteren Kreuzband erhaltenden Knieprothesen (CR) gegenüber den HKB-ersetzenden (PS). Diese werden i.d.R. nur bei fehlendem HKB, Revisionen oder bei der Notwendigkeit des ausführlichen Release, z.B. bei Beugekontrakturen, verwendet. Als gefürchtete Hauptargumente gegen die Verwendung von PS-Prothesen werden der erhöhte Knochenverlust durch die Boxpräparation, der erhöhte Abrieb am Zapfen und die schlechtere Propriozeption durch das Fehlen des HKB postuliert. Neuere PS-Designs kommen allerdings mit einer sehr kleinen Box aus, sodass es hier nur zu einem sehr geringen Knochenverlust kommt. Ebenso konnte gezeigt werden, dass es keinen Unterschied in der Propriozeption von CR und PS-Prothesen gibt [44]. Ein großer
Anteil vermeintlich HKB-erhaltender Prothesen weist aber tatsächlich eine hintere Instabilität auf, da eine reguläre tibiale
Resektion häufig des tibialen Ansatz des HKB vollständig entfernt [45].

Eine Vielzahl von experimentellen und klinischen Studien sehen aber auch für die generelle Verwendung von PS-Prothesen Vorteile. Fluoroskopische Studien zur Kinematik des Kniegelenks zeigten, dass PS-Prothesen im Gegensatz zu CR-Prothesen ein reproduzierbares „Roll-back“ des Femurs auf dem Tibiaplateau haben [46–49]. Dieser Mechanismus verbessert die biomechanischen Voraussetzungen für den Streckapparat. So konnte experimentell gezeigt werden, dass die Kraft, welche durch den M. quadrizeps für die Streckung des Kniegelenks benötigt wird, bei PS-Prothesen um 20 % niedriger ist als bei CR-Prothesen [50]. Ebenso ist der patellofemorale Anpressdruck bei PS-Prothesen im Vergleich zu CR-Prothesen um 20 % reduziert [51].

Der Zapfen-Steg-Mechanismus des PS-Systems ermöglicht das roll-back in jedem Fall und ist weniger anfällig für operative Abweichungen als das CR-System. So vermindern bei einem CR-Kniesystem ein zu geringer posteriorer Slope der Tibia [52] und ein verminderter posteriorer Offset der Femurkondylen [53] die postoperative Beugefähigkeit, während dies bei einem PS-System nicht der Fall ist.

In einer Cochrane-Metaanalyse wurde gezeigt, dass die Beugefähigkeit von PS-Prothesen im Schnitt 8° besser ist als die der CR-Prothesen [54]. Es ist anzunehmen, dass die Gründe hierfür in o.g. biomechanischen Vorteilen liegen.

Für die Langzeithaltbarkeit zeigen sich sowohl Studien, die ein erhöhtes Lockerungsrisiko für die PS-Prothese gegenüber der CR-Prothese sehen (z.B. Mayo-Klinik) [55], als auch Studien, die keinen Unterschied nachweisen können (z.B. Australisches Prothesenregister) [56]. Allen diesen Studien fehlt es an der Vergleichbarkeit der Indikationen, da bei gleichzeitiger Verfügbarkeit zweier Systeme i.d.R. bei vermeintlich fortgeschrittenen Indikationen (z.B. Beugekontraktur, Achsabweichung u.ä.) die Wahl auf das PS-System fällt [57].

Vergleichende klinische Studien zeigen i.d.R. keinen Unterschied in den gebräuchlichen Scores, da diese für die Beugefähigkeit bereits bei 125° einen Maximalwert vergeben. Dennoch finden sich hier häufiger Vorteile in Bezug auf maximale Flexion und Patientenzufriedenheit für die PS-Systeme [57].

In der Zusammenfassung zeigen sich kinematische und experimentell biomechanische Vorteile für die PS-Systeme gegenüber den CR-Systemen. Ebenso erscheint die Implantationstechnik fehlerverzeihender und reproduzierbarer, da die Rekonstruktion der sagittalen Stabilität (femoraler posteriorer offset, tibialer slope und Balancing des HKB) vereinfacht ist. In klinischen Studien können diese Vorteile mit Ausnahme der verbesserten Beugefähigkeit aber häufig nicht nachgewiesen werden.

In der Praxis des Autors stellt die PS-Knieprothese die primäre Versorgung dar. Soll die CR-Prothese das primäre Implantat sein, dann empfiehlt es sich dennoch, bei folgenden Indikation eine PS-Prothese zu wählen [58]:

sekundäre Arthrose bei rheumatoider Arthritis (fragliche Intaktheit des HKB)

Zustand nach Patellektomie (verbesserter Hebelarm)

Zustand nach vorheriger Umstellungsosteotomie (einfacheres Balancing)

a) der proximalen Tibia

b) des distalen Femur

posttraumatische Arthrose mit HKB-Insuffizienz

starke Varus- oder Valgusfehlstellung mit Notwendigkeit des höhergradigen Bandrelease (einfacheres Balancing)

ausgeprägte Beugekontraktur (Notwendigkeit der HKB-Resektion)

präoperativ sehr gute Beweglichkeit (> 125°) und hoher Anspruch des Patienten an Beweglichkeit.

Neben der klassischen PS-Prothese gibt es weitere Formen der das hintere Kreuzband ersetzenden Knieprothesen:

ap-Stabilisierung mits
hochkongruenten Inlays

UC-Knie-TEP („ultra-congruent, UC“, „deep dished, DD“, hochkongruentes Inlay, hinteres Kreuzband kann erhalten werden)

Durch Verwendung eines PE-Inlays, welches eine ausgeprägtere Konkavität besitzt als das Standard-Inlay, kann eine verbesserte ap-Stabilität erzielt werden. Insbesondere werden der vordere und hintere Rand des PEs erhöht, um eine Luxation zu verhindern. Hierbei kann das hintere Kreuzband entfernt werden, kann aber auch belassen werden. Diese Implantate sind i.d.R. voll kompatibel zur CR-Variante. Dies bedeutet, dass keine Veränderungen an der Femurpräparation vorgenommen werden müssen, wie z.B. die Boxpräparation des PS-Typs.

Die klinischen Ergebnisse der hochkongruenten Inlays sind durchaus gut und die Inlays sind in der Lage, eine ap-Instabilität zu kompensieren [59, 60]. Allerdings führen sie zu einer völligen Aufhebung des „Roll-back“-Mechanismus durch eine Zentrierung des tibio-femoralen Kontaktpunkts in der Konkavität des Inlays [61]. Dies bedeutet auch eine Verschlechterung des Hebelarms des Streckapparats mit erhöhtem patellofemoralen Druck und erhöhtem Kraftaufwand im Vergleich zur PS-Prothese [50, 51]. Daneben kommt es durch die großen Kontaktflächen zu einem vermehrten Abrieb und durch kleinere Abriebpartikel zu einer erhöhten Osteolyserate [62–64].

Mobile Gleitlager

Eine Sonderform der hochkongruenten Gleitlager stellen sog. „mobile Gleitlager“ („mobile bearing“) dar. Im Gegensatz zu den Implantaten, bei denen das PE-Inlay fest mit der metallischen Tibiakomponente verbunden ist (fixed bearing), ist hierbei das hochkongruente Inlay beweglich gegenüber der tibialen Komponente. Die überwiegende Anzahl der Produkte verwenden sog. rotierende Plattformen, wobei das Inlay sich in der Rotation frei bewegen kann. Bei einigen Modellen ist auch eine freie ap-Translation des Inlays möglich („ap-glide“). Mobile Gleitlager wurden in den 1980er Jahren in die Knieprothetik eingeführt, vor allem da man sich durch die großen Kontaktflächen und beweglichen Polyethyleninlays eine Verbesserung der Kinematik und Beugefähigkeit sowie eine Reduktion des Polyethylenabriebs erhoffte. Obwohl sie noch eine weite Verbreitung haben, setzten sie sich gegen die fixen Gleitlager nicht durch. Analog zu den fixen, hochkonformen Inlays zeigen auch mobile eine Aufhebung des „Roll-back“-Mechanismus [61). Auch die „ap-glide“-Inlays, die eine freie Beweglichkeit ermöglichen, zeigen keine physiologische Kinematik und können bei Insuffizienz des hinteren Kreuzbands zu ap-Instabiltäten beitragen. Daneben kommt es durch die großen Kontaktflächen zu einem vermehrten Abrieb und durch kleinere Abriebpartikel zu einer erhöhten Osteolyserate [62–64]. Auch eine erhöhte Dislokationsgefahr des mobilen Inlays trug nicht zu einer Verbesserung der klinischen Ergebnisse gegenüber „fixed-bearings“ bei [65–67].

Die im Folgenden dargestellten teil- oder vollgekoppelten Prothesentypen stellen in der primären Knieendoprothetik nur einen geringen Teil der Indikationen dar und kommen vor Allem in der Revisionsendoprothetik zum Einsatz.

Ab wann muss ein höherer Kopplungsgrad gewählt werden?

Es finden sich in der Literatur nur wenig Angaben, ab welchem Grad der Instabilität ein Wechsel zu einem höheren Kopplungsgrad notwendig ist. Bei einer Laxität von mehr als 5° in Varus/Valgus und einer Differenz von mehr als 3 mm zwischen Beuge- und Streckspalt wird der Wechsel von einem PS- zu einem CC-System empfohlen [68]. Andere Autoren empfehlen erst ab einer residuellen Laxität von 7–10 mm Aufklappbarkeit die Verwendung eines höheren Kopplungsgrads als PS [69].

Generell wird empfohlen, dass ein CC-System noch verwendet werden kann, wenn

  • a) das mediale Kollateralband stabil ist und das laterale Kollateralband fehlt,
  • b) das laterale Kollateralband intakt ist und das mediale Kollateralband vorhanden, aber lax ist.

Wenn beide Kollateralbänder lax sind und/oder das mediale Kollateralband fehlt, dann wird die Verwendung einer Scharnierprothese empfohlen [37, 69–71].

CC-Knie-TEP
(“condylar constrained”)

Die einfachste Art, eine Varus-/Valgus-stabilisierende Funktion einzuführen ist die sog. CC-Knie-TEP (“condylar constrained”) (Abb. 10). Diese ist häufig kompatibel mit dem PS-System des jeweiligen Herstellers. Hierbei werden sowohl das vordere als auch hintere Kreuzband entfernt. Durch einen Zapfen-Steg-Mechanismus (engl „cam-post“) wird ein funktioneller Ersatz des hinteren Kreuzbands durchgeführt [37]. Durch eine Führung des Zapfens kommt es mit zunehmender Beugung zu einem „roll-back“ des Femurs auf der Tibia, welches eine tiefe Beugung ermöglicht [42, 43]. Im Gegensatz zur PS-Knie-TEP füllt der Zapfen die femorale Box vollständig aus, sodass sowohl für die Rotation als auch für Varus-/Valgus eine Stabilisierung besteht. Dies führt zu einer Zunahme der über die Prothese übertragenen Zwangskräfte und erfordert i.d.R. die Verwendung von Schäften, entweder kurzstreckig zementiert oder langstreckig zementfrei.

Rotations-Scharnier-Prothese

Bei vollständigem Fehlen beider Seitenbänder oder hochgradiger Laxität nur des medialen Seitenbands kommt eine gekoppelte Scharnierprothese zum Einsatz. Der Kopplungsmechanismus übernimmt hierbei die komplette stabilisierende Funktion, sowohl Varus/Valgus-Stabilität als auch ap-Stabilität. Zur Vermeidung
einer Dislokation bei einer Beugespaltinstabilität muss die sog. „jumping distance“ groß genug sein. Der Unterschied zwischen Beuge- und Streckspalt darf also nicht größer sein als die Länge des Stifts. Die sog. Rotationscharnierprothesen erlauben hierbei aber noch eine axiale Rotation im Kniegelenk (Abb. 11). Dies reduziert die rotatorischen Scherkräfte, die auf die Schaftverankerung im Knochen wirken. Die Schaftverankerung kann entweder zementfrei oder, häufiger, zementiert erfolgen.

Voll-Scharnier-Prothese

Falls neben einer ausgeprägten Varus-/Valgus- und ap-Instabilität noch eine rotatorische Instabilität oder eine stark ausgeprägte Differenz zwischen Beuge- und Streckspalt vorliegt, so kann ein sog. Vollscharnier gewählt werden. Hier liegt eine komplette Kopplung in Form eines Scharniers vor, welches nicht dislozieren kann und keine Rotationsmöglichkeit bietet. Zugleich werden hierbei sämtliche Kräfte, die über das Kniegelenk übertragen werden, auch auf die knöcherne Verankerung der Prothese übertragen. Die Indikationen bei primärem Ersatz sind extrem selten, so z.B. bei ausgeprägten Valgusfehlstellungen mit rotatorischer Instabilität nach Release der lateralen und patellofemoralen Strukturen oder bei neurologischer Grunderkrankung.

Ein klinischer Unterschied zwischen Totalendoprothese mit und ohne Patellarückflächenersatz konnte bisher nicht nachgewiesen werden, allerdings ist die Revisionsrate ohne Patellaersatz höher. Die etwas höhere Revisionsrate in den Registerdaten muss jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da bei persistierenden Beschwerden der sekundäre Retropatellarersatz leichter indiziert wird als andere Revisionen [1].

Bei Allergie gegen Prothesenbestandteile können beschichtete oder keramische Prothesen implantiert werden. Ein Patienten-spezifischer Nutzen konnte dafür aber bislang nicht nachgewiesen werden. Die Verwendung einer Standardprothese ist deshalb ebenfalls möglich, muss jedoch mit dem Patienten besprochen werden [1].

Operative Hilfsmittel:
Navigation, Robotik, patienten-spezifische Instrumente

In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene operative Hilfsmittel in die Knieprothetik eingeführt, die zum einen die Genauigkeit erhöhen sollten, zum anderen aber auch eine höhere Effizienz in den OP-Ablauf, inklusive Planung und vorbereitender Maßnahmen bringen können.

Navigation

Die Anfänge der Navigation basierten noch auf bildgestützten Daten, meist der Computertomografie, bis sich die bildfreie Navigation aus praktischen Gründen durchsetzte. Hierbei werden die anatomischen Landmarken während der Operation durch Marker oder Bewegung der Extremität bestimmt. Studien konnten zeigen, dass die Navigation in der Lage war, die Anzahl der Ausreißer, seien es 3 oder 5, von der angestrebten Beinachse auf ca. 10–15 % zu reduzieren, im Vergleich zu 25–30 % bei der konventionellen Instrumentation. In den sog. kurzen Achsen, z.B. die Rotation der tibialen und femoralen Komponenten, konnte keine Verbesserung gefunden werden, da die intraoperative Bestimmung der Landmarken, z.B. der Epikondylen mit und ohne Navigation sehr variabel ist. Für die funktionellen Ergebnisse, postoperativer Schmerz, Bewegungsumfang, Steifigkeit, klinische Ergebnisse und Patientenzufriedenheit konnten allerdings keine Unterschiede zur konventionellen Technik aufgezeigt werden [16, 72]. Ebenso waren keine Unterschiede für die Komplikationen Blutverlust, Thromboembolien und Infektionen zu verzeichnen.

In Bezug auf die Kosten entstehen ca. 15–20 Minuten mehr OP-Zeit und die Investitionskosten für das Navigationsgerät sowie die wiederkehrenden Kosten der Einmalartikel, also insgesamt eine Kostenerhöhung gegenüber der konventionellen Technik.

Robotik

Zunächst für die Implantation von Schlittenprothesen, aber seit kurzer Zeit auch für Totalendoprothesen, stehen sog. Robotik-assistierte System zur Verfügung. Diese arbeiten sowohl bildgestützt als auch navigationsgestützt und unterstützen den Operateur bei der bildgestützten 3-dimensionalen Planung und bei der Umsetzung der geplanten Positionierung der Prothese. Je nach System wird der Bewegungsraum eines vom Operateur per Hand geführten Roboterarms mit Frässpitze eingeschränkt (MAKO, Stryker) oder die Fräse eines mit Navigationsmarkern ausgestatteten Handstücks ausgeschaltet (NAVIO, Smith & Nephew), wenn die Grenzen der Knochenpräparation überschritten werden. Ergebnisse zu dieser Methode sind bislang nur in geringen Fallzahlen publiziert.

Patientenspezifische Instrumente (PSI)

Patientenspezifische Instrumente wurden entwickelt, um die Positionierung von Knietotalendoprothesen (TKA) zu verbessern. Bei konventioneller Versorgung findet sich bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Patienten eine Abweichung von der optimalen Position. Sowohl Abweichungen in der Frontalebene als auch Malrotation der tibialen und femoralen Komponenten wirken sich negativ auf die Langzeitergebnisse der Knieendoprothetik aus. Inkorrekte Positionierung und frontales Malalignment sind wichtige Ursachen für die Unzufriedenheit der Patienten und für Komplikationen von TKA bis hin zur frühzeitig notwendigen Revision.

Die patientenspezifischen Instrumentarien (PSI) stellen, je nach Hersteller, eine Kombination von 3-dimensionalen Kernspin- oder CT-Daten und teilweise Röntgendaten dar, die benutzt werden, um eine 3-dimensionale Schablone für jeweils die Tibia und das Femur herzustellen, um die Implantation gemäß einer 3-dimensionalen präoperativen Planung am Computer vorzunehmen.

Im Wesentlichen liegen die Unterschiede der verschiedenen Hersteller in der OP-Technik (individuelles Instrument dient als 1. Schnittblock, 2. Hilfe für PIN-Positionierung oder 3. Hilfe für Blockpositionierung), in der Datengrundlage (reines MRT, reines CT, Kombination von MRT und Ganzbeinstand-Röntgenaufnahme), sowie in der Produktion (Lasersinterung vs. Fräsung). Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der momentan erhältlichen Produkte. Vergleichende Studien existieren noch nicht. Theoretische Vor- und Nachteile liegen z.B. in der Strahlenexposition, die beim CT entsteht und die durch MR-basierte Verfahren vermieden wird. Die Passform der patientenspezifischen Instrumente auf dem Gelenkknorpel ist bei MR-basierten Verfahren besser als bei CT-basierten (Abb. 12). Bei reinen Pinpositionierungshilfen kann im Gegensatz zu individuellen Schnittblöcken beim Wechsel zum konventionellen Schneideblock eine Ungenauigkeit auftreten.

Für die PSI steht eine große Anzahl von Studien zur Verfügung. Zusammenfassend erzielen diese Systeme eine Reduktion von Ausreißern auf 10–15 %, ähnlich auch die Navigation, verglichen mit 25–30 % mit konventionellen Instrumenten [73]. Die funktionellen Ergebnisse unterscheiden sich allerdings nicht [74], obwohl speziell für die Rotation der Komponenten eine Verbesserung zu finden ist [75].

Unter Kostenaspekten bieten PSI die Möglichkeit, aufgrund von verminderter OP-Zeit, insbesondere reduzierter Wechselzeit und reduzierter Instrumentenanzahl, Kosten zu sparen [76]. Einmalinstrumente können diese Möglichkeit noch verstärken (Abb. 13). Mittelfristig können die Preise der 3D-Druckverfahren erheblich fallen und die vorbestehenden Kostenrechnungen sehr vereinfachen. Die patienten-spezifischen Instrumente stellen die Grundlage für die im nächsten Abschnitt beschriebenen patienten-spezifischen Implantate dar.

Patientenspezifische Implantate

Der Gebrauch von patientenspezifisch hergestellten, „custom-made“ Implantaten wird bereits seit vielen Jahren genutzt. Während diese Technologie anfänglich für Patienten mit extremen anatomischen oder posttraumatischen Varianten verwendet wurde, wird sie zunehmend auch im primären Bereich eingesetzt. Bei der Implantation sog. konventioneller Implantate müssen stets operative Kompromisse geschlossen werden, z.B. bei der Wahl der ap- und ml-Dimension, der Veränderung der individuellen Gelenklinie auf 0°, der Rotation der femoralen Komponente usw. Neben den vorbeschriebenen, in den OP-Manualen bereits berücksichtigten Nachteilen konventioneller Implantate, gibt es allerdings noch eine Fülle weiterer Unzulänglichkeiten, die evtl. für die Unzufriedenheit der Patienten verantwortlich sein können, wie z.B. der veränderte Patellalauf durch die medialisierte Trochlea, Überstände von femoraler und tibialer Komponente, kompromittierte Rotationseinstellung der Tibia durch nicht-anatomische Implantate, Erhöhung der medialen und Erniedrigung der lateralen Gelenklinie, Mid-Flexion-Instabilität durch nicht-patientenadaptierte femorale Krümmungsradien, Notwendigkeit von Band-Release aufgrund nicht-anatomischer Rekonstruktion usw.

Analog zu den patienten-spezifischen Instrumenten, benötigen auch die Implantate eine 3-dimensionale Bildgebung des gesamten Beins, i.d.R. ein Ganzbein-CT, ebenso werden bei der Implantation PSI benutzt. Abbildung 14 zeigt die CT-Planung einer konventionellen Prothese neben einer „custom“ Knieprothese anhand desselben Kniegelenks. Bei der „custom“ Knieprothese (Bild unten) können in diesem Beispiel Breite und Tiefe der einzelnen Kondylen frei gewählt, die Trochlea in Höhe, Form und medio-lateraler Ausrichtung rekonstruiert und die Unter- oder Überstände der konventionellen Prothese (Bild oben) vermieden werden. Abbildung 15 zeigt, wie durch Verwendung patientenspezifischer Implantate, insbesondere durch die Rekonstruktion der natürlichen femoralen Gelenkflächen, die natürliche Gelenklinie rekonstruiert werden kann.

Den vielen theoretischen Vorteilen steht gegenüber, dass die Datenlage zu diesen Implantaten momentan noch nicht sehr ausgeprägt ist, wenngleich die wenigen Studien sehr gute klinische Ergebnisse aufweisen [77, 78]. Es verbleibt auch noch, zu analysieren, welche anatomischen Kriterien rekonstruiert werden müssen, um eine möglichst natürliche Kinematik wiederherzustellen und in welchem Maß das Design an konventionellen Knieprothesen angelehnt sein sollte, um möglichst gute Abriebwerte zu erzielen. Nach der persönlichen Einschätzung des Autors wird diese Technologie in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Fazit

Vor einer gelenkersetzenden Therapie der Gonarthrose steht die ausführliche klinische und radiologische Diagnostik. Für bis zu ein Drittel der Patienten ist die Versorgung mittels Teilprothese eines einzelnen Kompartments (meistens der mediale Schlitten) möglich und ausreichend. Die Versorgung mittels Teilprothese erzielt eine höhere Zufriedenheit und bessere funktionelle Ergebnisse, ist aber auch mit einer etwas geringeren Langzeithaltbarkeit verbunden. Für die primäre Knietotalendoprothese stehen verschiedene Möglichkeiten des Kreuzbanderhalts zur Verfügung (bi-CR, CR oder PS) wobei die CR-Variante in Deutschland am weitesten verbreitet ist. Dagegen bietet die PS-Variante in Bezug auf Reproduzierbarkeit und Beugefähigkeit Vorteile. Erst bei Instabilitäten der Seitenbänder werden teilgekoppelte (CC) oder vollgekoppelte Scharnierprothesen notwendig. Patienten-spezifische Knieprothesen werden in der Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Interessenkonflikt: Der Autor erhielt in den vergangenen 5 Jahren Vortragshonorare oder Reisekostenzuschüsse oder Finanzierung von klinischen Studien von den Firmen Smith & Nephew, ZimmerBiomet, Lima und Symbios.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Carsten O. Tibesku

KniePraxis Prof. Dr. Tibesku

Bahnhofplatz 1

94315 Straubing

carsten@tibesku.de

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