Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Gelenkersetzende Therapie bei Gonarthrose

Patientenspezifische Instrumente wurden entwickelt, um die Positionierung von Knietotalendoprothesen (TKA) zu verbessern. Bei konventioneller Versorgung findet sich bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Patienten eine Abweichung von der optimalen Position. Sowohl Abweichungen in der Frontalebene als auch Malrotation der tibialen und femoralen Komponenten wirken sich negativ auf die Langzeitergebnisse der Knieendoprothetik aus. Inkorrekte Positionierung und frontales Malalignment sind wichtige Ursachen für die Unzufriedenheit der Patienten und für Komplikationen von TKA bis hin zur frühzeitig notwendigen Revision.

Die patientenspezifischen Instrumentarien (PSI) stellen, je nach Hersteller, eine Kombination von 3-dimensionalen Kernspin- oder CT-Daten und teilweise Röntgendaten dar, die benutzt werden, um eine 3-dimensionale Schablone für jeweils die Tibia und das Femur herzustellen, um die Implantation gemäß einer 3-dimensionalen präoperativen Planung am Computer vorzunehmen.

Im Wesentlichen liegen die Unterschiede der verschiedenen Hersteller in der OP-Technik (individuelles Instrument dient als 1. Schnittblock, 2. Hilfe für PIN-Positionierung oder 3. Hilfe für Blockpositionierung), in der Datengrundlage (reines MRT, reines CT, Kombination von MRT und Ganzbeinstand-Röntgenaufnahme), sowie in der Produktion (Lasersinterung vs. Fräsung). Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der momentan erhältlichen Produkte. Vergleichende Studien existieren noch nicht. Theoretische Vor- und Nachteile liegen z.B. in der Strahlenexposition, die beim CT entsteht und die durch MR-basierte Verfahren vermieden wird. Die Passform der patientenspezifischen Instrumente auf dem Gelenkknorpel ist bei MR-basierten Verfahren besser als bei CT-basierten (Abb. 12). Bei reinen Pinpositionierungshilfen kann im Gegensatz zu individuellen Schnittblöcken beim Wechsel zum konventionellen Schneideblock eine Ungenauigkeit auftreten.

Für die PSI steht eine große Anzahl von Studien zur Verfügung. Zusammenfassend erzielen diese Systeme eine Reduktion von Ausreißern auf 10–15 %, ähnlich auch die Navigation, verglichen mit 25–30 % mit konventionellen Instrumenten [73]. Die funktionellen Ergebnisse unterscheiden sich allerdings nicht [74], obwohl speziell für die Rotation der Komponenten eine Verbesserung zu finden ist [75].

Unter Kostenaspekten bieten PSI die Möglichkeit, aufgrund von verminderter OP-Zeit, insbesondere reduzierter Wechselzeit und reduzierter Instrumentenanzahl, Kosten zu sparen [76]. Einmalinstrumente können diese Möglichkeit noch verstärken (Abb. 13). Mittelfristig können die Preise der 3D-Druckverfahren erheblich fallen und die vorbestehenden Kostenrechnungen sehr vereinfachen. Die patienten-spezifischen Instrumente stellen die Grundlage für die im nächsten Abschnitt beschriebenen patienten-spezifischen Implantate dar.

Patientenspezifische Implantate

Der Gebrauch von patientenspezifisch hergestellten, „custom-made“ Implantaten wird bereits seit vielen Jahren genutzt. Während diese Technologie anfänglich für Patienten mit extremen anatomischen oder posttraumatischen Varianten verwendet wurde, wird sie zunehmend auch im primären Bereich eingesetzt. Bei der Implantation sog. konventioneller Implantate müssen stets operative Kompromisse geschlossen werden, z.B. bei der Wahl der ap- und ml-Dimension, der Veränderung der individuellen Gelenklinie auf 0°, der Rotation der femoralen Komponente usw. Neben den vorbeschriebenen, in den OP-Manualen bereits berücksichtigten Nachteilen konventioneller Implantate, gibt es allerdings noch eine Fülle weiterer Unzulänglichkeiten, die evtl. für die Unzufriedenheit der Patienten verantwortlich sein können, wie z.B. der veränderte Patellalauf durch die medialisierte Trochlea, Überstände von femoraler und tibialer Komponente, kompromittierte Rotationseinstellung der Tibia durch nicht-anatomische Implantate, Erhöhung der medialen und Erniedrigung der lateralen Gelenklinie, Mid-Flexion-Instabilität durch nicht-patientenadaptierte femorale Krümmungsradien, Notwendigkeit von Band-Release aufgrund nicht-anatomischer Rekonstruktion usw.

Analog zu den patienten-spezifischen Instrumenten, benötigen auch die Implantate eine 3-dimensionale Bildgebung des gesamten Beins, i.d.R. ein Ganzbein-CT, ebenso werden bei der Implantation PSI benutzt. Abbildung 14 zeigt die CT-Planung einer konventionellen Prothese neben einer „custom“ Knieprothese anhand desselben Kniegelenks. Bei der „custom“ Knieprothese (Bild unten) können in diesem Beispiel Breite und Tiefe der einzelnen Kondylen frei gewählt, die Trochlea in Höhe, Form und medio-lateraler Ausrichtung rekonstruiert und die Unter- oder Überstände der konventionellen Prothese (Bild oben) vermieden werden. Abbildung 15 zeigt, wie durch Verwendung patientenspezifischer Implantate, insbesondere durch die Rekonstruktion der natürlichen femoralen Gelenkflächen, die natürliche Gelenklinie rekonstruiert werden kann.

Den vielen theoretischen Vorteilen steht gegenüber, dass die Datenlage zu diesen Implantaten momentan noch nicht sehr ausgeprägt ist, wenngleich die wenigen Studien sehr gute klinische Ergebnisse aufweisen [77, 78]. Es verbleibt auch noch, zu analysieren, welche anatomischen Kriterien rekonstruiert werden müssen, um eine möglichst natürliche Kinematik wiederherzustellen und in welchem Maß das Design an konventionellen Knieprothesen angelehnt sein sollte, um möglichst gute Abriebwerte zu erzielen. Nach der persönlichen Einschätzung des Autors wird diese Technologie in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Fazit

Vor einer gelenkersetzenden Therapie der Gonarthrose steht die ausführliche klinische und radiologische Diagnostik. Für bis zu ein Drittel der Patienten ist die Versorgung mittels Teilprothese eines einzelnen Kompartments (meistens der mediale Schlitten) möglich und ausreichend. Die Versorgung mittels Teilprothese erzielt eine höhere Zufriedenheit und bessere funktionelle Ergebnisse, ist aber auch mit einer etwas geringeren Langzeithaltbarkeit verbunden. Für die primäre Knietotalendoprothese stehen verschiedene Möglichkeiten des Kreuzbanderhalts zur Verfügung (bi-CR, CR oder PS) wobei die CR-Variante in Deutschland am weitesten verbreitet ist. Dagegen bietet die PS-Variante in Bezug auf Reproduzierbarkeit und Beugefähigkeit Vorteile. Erst bei Instabilitäten der Seitenbänder werden teilgekoppelte (CC) oder vollgekoppelte Scharnierprothesen notwendig. Patienten-spezifische Knieprothesen werden in der Zukunft an Bedeutung gewinnen.

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