Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftarthoskopie zur Impingementbehandlung bei niedrig- bis mittelgradiger Hüftarthrose
Inwieweit können wir Empfehlungen aussprechen?

Lars Victor von Engelhardt, Jörg Jerosch

Zusammenfassung:

Das symptomatische Hüftimpingement führt, in welcher Variante auch immer, zu einem fortschreitenden Gelenkverschleiß. Gegenüber den reinen Pincer-Varianten scheinen insbesondere das Cam-Impingement und die kombinierten Formen schnell zu fortschreitenden Gelenkschäden zu führen. Ideal ist somit eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser scheinbar geringfügigen anatomischen Formveränderungen. Gerade aufgrund des oft schleichenden Krankheitsverlaufs kommt aber ein erheblicher Teil der Patienten mit teilweise fortgeschrittenen Gelenkschäden zu uns. In solchen Fällen ist es oft nicht mehr ganz einfach, die richtigen Behandlungsempfehlungen zu finden. Für eine fundierte Beratung sind neben den exakten bildgebenden Befunden auch die anamnestischen und klinischen Untersuchungsbefunde sowie die Erwartungshaltung des Patienten einzubeziehen. Anhand dieser Befunde kann eine realistische Prognose abgeschätzt werden. Hierbei sollte geklärt werden, inwieweit der Patient bereit ist, eine eingeschränkte Erfolgsaussicht zu akzeptieren.

Schlüsselwörter:
Hüftarthroskopie, Arthrose, femoroazetabuläres Impingement, Cam, Pincer, Coxarthrose

Zitierweise:

von Engelhardt LV, Jerosch J: Hüftarthoskopie zur Impingementbehandlung bei niedrig- bis mittelgradiger Hüftarthrose. Inwieweit können wir Empfehlungen aussprechen? OUP 2019; 8: 420–427
DOI 10.3238/oup.2019.0420–0427

Summary: All variants of a symptomatic hip impingement lead to progressive degenerative changes of the joint. In contrast to a solitary Pincer deformity, a Cam-type impingement and the combined types appear to rapidly cause progressive joint damage. Thus, an early detection and treatment of these apparently minor anatomical deformities is ideal. However, due to often creeping progression of the disease, a considerable number of patients come to our practice with advanced joint damage. In such cases it is often challenging to find adequate treatment options. To make a sound recommendation, the exact imaging findings, the anamnestic data, the physical examination findings as well as the patient‘s expectations should be included. Based on these findings, a reasonable prognosis can be estimated. Furthermore, it should be determined to what extend the patient might be able to accept a limited chance of satisfactory clinical outcome.

Keywords: hip arthroscopy, femoroacetabular impingement, Cam, pincer, hip osteoarthritis

Citation: von Engelhardt LV, Jerosch J: Hip arthroscopy to treat impingement combined with mild to moderate hip osteoarthritis. To which extend can we recommend the treatment? OUP 2019; 8: 420–427
DOI 10.3238/oup.2019.0420–0427

Lars Victor von Engelhardt: Fakultät für Gesundheit, Private Universität Witten/Herdecke, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin, Katholisches Karl Leisner Klinikum Kleve und Kevelaer; Jörg Jerosch: Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus Neuss

Femoroazetabuläres Impingement und Coxarthrose

Obwohl jeder Vierte im Laufe seines Lebens eine Coxarthrose entwickelt, galt die Ursache dieser Volkskrankheit in der Mehrheit der Fälle bis vor wenigen Jahren als unklar [44]. Daher wurde die sog. idiopathische, primäre Coxarthrose lange Zeit als die häufigste Form der Hüftarthrose angesehen. Ganz und Leunig beschrieben vor ca. 15 Jahren einen dynamischen Konflikt zwischen Schenkelhals und Pfannenrand. Dieses sog. femoroazetabuläre Impingement ist die häufigste Ursache für Schäden an den Gelenkstrukturen [18, 32].

Hierbei kommt es durch eine verdickte Taille am Schenkelhals-Kopf-Übergang und/oder Varianten der Hüftpfanne zu einem abnormen, verfrühten Kontakt der Gelenkpartner. Dies führt zu Bewegungseinschränkungen, Kraftdefiziten und/oder Leistenschmerzen [10, 30]. Neben dieser Symptomatik kommt es zu einem beschleunigten Abrieb und frühen Abnutzungserscheinungen. Im weiteren Verlauf zeigen sich vorzeitige degenerative Veränderungen an Gelenkknorpel und Labrum. Mit dem Fortschreiten dieser Veränderungen findet sich schließlich das Vollbild einer Coxarthrose [3, 17, 33, 54].

Für diese Pathogenese einer Coxarthrose, die auf einem vermehrten Kontakt der Gelenkpartner beruht, sprechen eine Reihe unterschiedlicher Studien. Eine dänische Studie untersuchte über 4000 Menschen, unter denen ca. 10 % eine radiologisch gesicherte Coxarthrose mit einer Gelenkspaltweite < 2 mm aufwiesen. Hier zeigten die Arthrosefälle die typischen knöchernen Impingementdeformitäten um ein Vielfaches häufiger als solche ohne das Bild einer Arthrose. Die Aufarbeitung der Daten zeigte, dass sowohl die pfannenseitigen als auch die femoralen Impingementdeformitäten als signifikante Risikofaktoren einer Coxarthrose anzusehen sind [20].

Ähnliche Zusammenhänge wurden bereits in den 90er-Jahren beschrieben. So zeigte Harris bei Patienten mit einer primären Hüftarthrose in 90 % der Fälle entsprechende knöcherne Impingementdeformitäten am Schenkelhals-Kopf-Übergang und/oder der Pfanne [23]. Eine weitere retrospektive Studie untersuchte Patienten, die in einem Alter unter 55 Jahren eine Hüftendoprothese erhielten. Auch hier zeigten sich im Vergleich zur Normalpopulation überzufällig häufig radiologisch sichtbare Cam- und Pincer-Deformitäten [36]. Eine longitudinale Kohortenstudie verfolgte über 1000 Frauen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Hier wurde für das Cam-Impingement mit einem Alpha-Winkel ? 65° (obwohl es asymptomatisch war) ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Coxarthrose bzw. für eine nachfolgend notwendige Prothesenversorgung nachgewiesen. Interessanterweise stieg mit jedem Grad der Vergrößerung des Alpha-Winkels das Risiko für eine später nachfolgende Hüftendoprothese bzw. einer radiologisch gesicherten Arthrose um 3 bzw. 5 % [55]. Zusammenfassend ist das Hüftimpingement, in welcher Variante auch immer, als die häufigste Ursache einer Coxarthrose anzusehen [9, 23, 29, 34, 59]. Die Prävalenz eines symptomatischen femoroazetabulären Hüftimpingements wird in der Allgemeinbevölkerung auf 10–15 % geschätzt [33]. Letztlich ist eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser prima vista geringfügigen anatomischen Formveränderungen sowie bereits eingetretener Gelenkschäden von besonderer Bedeutung [7].

Einteilung degenerativer Veränderungen am
Hüftgelenk

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