Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftarthoskopie zur Impingementbehandlung bei niedrig- bis mittelgradiger Hüftarthrose
Inwieweit können wir Empfehlungen aussprechen?

Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung ist die Einordnung der Röntgenbilder hilfreich, um die unterschiedlichen Therapieoptionen zu empfehlen und deren Er-folgsaussichten abzuschätzen. Gerade in den konventionellen Röntgenbildern lassen sich die Arthrose-typischen sekundären Knochenveränderungen gut beurteilen und klassifizieren. Unter der Vielzahl röntgenologischer Klassifikationen degenerativer Gelenkschäden ist die nach Kellgren und Lawrence sicherlich die gebräuchlichste [26]. Hier werden 4 Stadien beschrieben. Im Stadium I, dem Initialstadium, findet man umschriebene Knochenverhärtungen, sog. Sklerosierungen, die zumeist nur im Pfannenbereich erkennbar sind (Abb. 1a). Die subchondrale Sklerosierung entspricht einer Verdichtung der Knochentextur. Knorpelschäden müssen zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt vorliegen. Im Stadium II, der geringen Arthrose, zeigen sich definitionsgemäß kleine Osteophyten. Eine allerdings nur geringfügige Gelenkspaltverschmälerung deutet auf beginnende Knorpelschäden (Abb. 1b). Im Stadium III, der mäßigen Arthrose, ist die Gelenkspaltverschmälerung deutlicher, auch finden sich bereits große knöcherne Ausziehungen und feine Unebenheiten der Gelenkfläche (Abb. 1c). Im Stadium IV, der schweren Arthrose, zeigt sich eine vollständige Gelenkspaltverschmälerung und eine Deformierung der Gelenkpartner (Abb. 1d). Eine weitere, häufig in der Literatur zu findende Einteilung der Arthrosegrade des Hüftgelenks ist die Einteilung nach Tönnis [58]. Auch diese beruht auf der konventionell radiologischen Bildgebung (Tab. 1).

Arthroskopische
Möglichkeiten

Die mittlerweile zumeist arthroskopisch durchgeführten Operationen haben das Ziel die knöchern Impingementdeformitäten zu beseitigen und somit ein anschlagfreies Bewegungsspiel der Hüfte wiederherzustellen. Eine solche operative Korrektur ist ein dankbares Verfahren. Es lindert die Symptome und sichert die Wiederherstellung der Gelenkfunktion [19, 22, 37, 43]. Nachdem die Patienten im Mittel erst nach einem Krankheitsverlauf von über 3 Jahren in unsere Behandlung kommen, sind zusätzliche strukturelle Gelenkschäden leider häufig nachweisbar [10]. Daher sind bei einem gelenkerhaltenden Vorgehen neben der knöchernen Korrektur auch Konzepte zur Behandlung der knorpeligen sowie weichteiligen Pathologien nötig. Unsere Hoffnung ist, dass dies nicht nur die Symptome effektiv behandelt, sondern auch einem Fortschreitenden degenerativer Gelenkveränderungen vorbeugen kann. Neuere Langzeitstudien mit Follow-up-Zeiten von immerhin bis zu 10 Jahren zeigten nicht nur ein gutes klinisches Outcome, sondern auch hinsichtlich einer Arthroseprogression gute Ergebnisse [31, 42]. Allerdings fehlen große, prospektiv randomisierte Studien, die klären, inwieweit entsprechende arthroskopische Verfahren den Verlauf einer Arthroseprogression oder gar die Entstehung des Vollbild einer Coxarthrose verhindern oder hinausschieben können [56].

Zur richtigen Indikationsstellung empfehlen wir mehrere Kriterien, um zu beurteilen, ob der Patient von einer Hüftarthroskopie profitieren kann. Diese können in anamnestische Befunde, Ergebnisse der körperlichen Untersuchung, den Allgemeinzustand des Patienten und bildgebende Befunde unterteilt werden.

Anamnestische Befunde

Hier ist insbesondere die Schmerzanamnese wichtig. Tritt der Schmerz besonders bei Rotations- oder Flexionsbewegungen auf wie dem Aufstehen aus dem Sitzen, dem Aufsteigen auf das Fahrrad über eine Stange etc., so kann dies auf vorwiegende Impingementbeschwerden hinweisen. Wenn andere Freizeitaktivitäten, die mit repetitiven Beuge- und/oder Rotationsbewegungen einhergehen, wie bspw. das Fahrradfahren, Rudern, Kampfsportarten mit Trittbewegungen, Fußball etc. die überwiegenden Symptome hervorrufen, so kann auch dies für eine Hüftarthroskopie als Therapieverfahren sprechen [10]. Neben den Schmerzen können auch hiermit verbundene Steifheitsgefühle, ein Gefühl des Verhakens, ein Klicken oder ein Schnappen weitere typische Symptome darstellen [57].

Auch der Schmerzcharakter und die Schmerzlokalisation können hilfreich sein. Bewegungsabhängige Schmerzen, die einen eher ziehenden Charakter haben und im Bereich der lateralen Leiste lokalisiert werden, passen eher zu einer vorwiegenden Impingementsymptomatik. [10]. Manche Patienten zeigen auf die Schmerzregion, indem sie die gleichseitige Hüfte mit dem Daumen und dem Zeigefinger oberhalb des Trochanters umgreifen. Dieses sog. C-Sign ist pathognomonisch für vorwiegende Impingementbeschwerden, die sich evtl. noch arthroskopisch adressieren lassen [14]. Treten die Schmerzen hingegen eher belastungsabhängig nach langen Gehstrecken auf und haben sie eher einen permanenten, tiefen, bis in die Gesäßpartie ziehenden Charakter, so ist dies eher typisch für eine Arthrosesymptomatik. Neben dem Gehstreckenschmerz ist auch der Ruheschmerz eher der Arthrose zuzuordnen [38].

Ergebnisse der körperlichen Untersuchung

Wesentlich zur Differenzierung von Impingementbeschwerden ist eine Erhebung der Bewegungsumfänge der Hüfte. Ist etwa die Innenrotation eingeschränkt und die Außenrotation vermehrt möglich, so kann dies auf eine vermehrte Retroversion des Schenkelhalses hinweisen. Findet sich hingegen eine multidirektionale Einschränkung der Bewegungsmaße mit oder ohne Schmerzen, so weist dies auf vorwiegende Arthrosebeschwerden hin [38]. Bei einem Impingement ist die Beweglichkeit ausschließlich im Bereich der Impingementtests schmerzhaft und ggf. eingeschränkt. Der vordere Impingementtest erfolgt in 90°-Beugung. Aus dieser Position wird eine Adduktions- und Innenrotationsbewegung durchgeführt. Ebenso kann dieses Manöver auf periphere Knorpel- und/oder Labrumschäden hinweisen [21, 38, 49]. Bei einer positiven Testung ist es zur besseren Differenzierung hilfreich, den Patienten zu bitten, direkt auf die Stelle der Schmerzsensation zu zeigen. Liegen schwere Labrumrisse oder lappenförmige Knorpelschäden vor, so kann auch hier ein Schnappen oder Klicken bemerkbar werden. Beim Posterior-rim-Test wird das in der Hüfte hyperextendierte Bein nach lateral von der Untersuchungsliege abduziert. Im leicht gebeugten Knie werden der Unterschenkel und damit die Hüfte außenrotiert. Dorsale und laterale Schmerzen sind typisch für ein posteriores Impingement und/oder periphere Knorpelschäden [39].

Bildgebende Befunde

Die ap-Beckenübersicht im Stehen dient der Zuordnung des Arthrosegrads und der Bestimmung der azetabulären Überdachung. Der Centrum-Erker-Winkel ist wichtig zur Beurteilung einer Pincer-Deformität. Eine Linie läuft senkrecht auf der Verbindungslinie zwischen den Tränenfiguren nach kranial durch das Hüftkopfzentrum; die andere läuft vom Hüftkopfzentrum durch den lateralsten Punkt des meist sklerotisch veränderten Azetabulums. Der Winkel zwischen diesen beiden Linien ist der Centrum-Erker-Winkel. Manche Autoren sehen einen Wert > 35° als positiven Befund für ein Pincer-Impingement an, in der Literatur liegt der Cuttoff-Wert zumeist bei 40° [51]. Im Normalfall ist die Pfanne ein wenig antevertiert. Deshalb projiziert sich der vordere Pfannenrand medial des hinteren. Besteht eine zu ausladende anteriore und/oder anterolaterale Überdachung, liegt der vordere Pfannenrand im lateralen Abschnitt kaudal des hinteren Pfannenrands. Nach medial hin überkreuzt der vordere Pfannenrand den hinteren nach kranial (Cross-over-Zeichen). Bei einer Beckenverkippung oder einer Pfannendysplasie wird eine Beurteilung eines solchen Befunds schwierig. Solche radiologisch sichtbaren Pincer-Varianten müssen nicht immer zu Beschwerden führen [15]. Deshalb sind diese Befunde nur mit einem entsprechenden klinischen Korrelat für die Behandlung des Patienten von Relevanz. Bei der Coxa profunda projiziert sich die Kontur der Fossa acetabuli medial zur Köhler-Linie, bei der Protrusio acetabuli überlappt die mediale Kontur des Femurkopfs die Köhler-Linie. Finden sich diese Befunde zusammen mit einem erhöhten Centrum-Erker-Winkel und/oder einem positiven Cross-over-Zeichen, so geht die zu tief einliegende Hüfte mit einem Pincer-Typ-Impingement einher. Auch diese kombinierten Pathologien lassen sich arthroskopisch gut adressieren (Abb. 2). Das Erfreuliche bei den Pincer-Varianten ist, dass Knorpelschäden – im Gegensatz zu den reinen Cam-Varianten – oft erst spät und dann nur als feiner Streifen entlang der Gelenklippe zu finden sind. Die Gelenklippe weist hingegen recht früh degenerative Schäden, Verkalkungen, Ossifikationen etc. auf [3]. Unserer Erfahrung nach ist man häufig erfreut, wie geringfügig – trotz erheblicher Pincer-Komponenten – die Schäden an der Gelenkoberfläche sind (Abb. 3). Erst in einer späteren Phase kann es zu sog. Contre-Coup-Schäden kommen, welche aufgrund der Hebelwirkung und einer vermehrten posterioren Translation des Hüftkopfs entstehen [32]. Solche Befunde sind mit einer reduzierten Prognose zu sehen [4].

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