Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftimpingement – arthroskopische Möglichkeiten
Behandlung knöcherner Deformitäten, begleitender Labrum- und Knorpelschäden und der Kapsel

Auch wenn das Labrum aufgrund der erhöhten Druck- und Scherbelastungen oft geschädigt ist, so ist ein Erhalt des Labrums dennoch erstrebenswert. Insbesondere beim fokalen oder segmentalen Pincer ist ein schonendes Vorgehen möglich. Die knöcherne Abtragung kann nach Festlegung der Resektionen ausgehend von der Labrum-Knochen-Grenze mit einer Fräse begonnen werden. Dies erfolgt dann unmittelbar bis an den darunterliegenden Knorpel. Dieses schonende, von oben kommende Fräsen erspart häufig eine vollständige Ablösung vom prominenten Pfannenrand. Der Knochen wird bis an die subchondrale Platte abgetragen, sodass neben dem Labrum auch die Junction-Zone am Labrum-Knorpel-Übergang und der angrenzende Knorpel in seiner Kontinuität zum Labrum und zum Knochen in seiner Integrität erhalten bleiben (Abb. 4a–e). Wird bspw. eine ausgedehnte Knochenresektion nötig, muss das Labrum mit einem feinen Hüftarthroskopiemesser oder einem Raspatorium en bloc abgelöst werden. Zur Labrumrefixierung erfolgt zunächst das Einbringen der Anker. Um mit der Bohrung und dem Anker nicht in das Gelenk zu penetrieren, empfehlen wir eine möglichst flache und leicht nach innen gerichtete Ankereinbringung. Perfekt sind hierbei angewinkelte Bohrführungen mit flexiblen Setzinstrumenten, mit denen sich die Anker ohne Schaffung weiterer distaler Zugänge vergleichsweise sicher ausreichend flach, nahe bei den in unseren Händen angestrebten 30°-Winkel, einbringen lassen (Abb. 4f). Um ein ausreichend stabiles Konstrukt zu erzielen, sollte man, auch wenn es in die Kosten geht, mit den Ankern nicht sparen. So empfehlen wir bei einfach armierten Ankern einen Abstand von 7–12 mm. Rechnet man das gesamte Einmalinstrumentarium für eine Hüftarthroskopie zusammen, so wird das Verfahren schnell recht kostenintensiv. Dennoch ist der Einsatz dieser Materialen für ein gutes Outcome alternativlos (s.u.) und somit gerechtfertigt. Anschließend erfolgt das Hochziehen und Anpressen des Labrums mit sog. Gleitknoten. Die Verwendung von Gleitknoten, die den Labrum-Knorpel-Komplex über den von unten kommenden Faden-Post hochziehen und den Knoten im weiteren mit einem Knotenschieber über mehrere Halbschläge sicher anpressen, ist hierbei eine gute Lösung. Hier sehen die Autoren Vorteile gegenüber der Verwendung von knotenfreien Ankern. Gerade bei einem positiven wave sign (Abb. 4d), bei dem der Knorpel innerhalb und oft auch unterhalb der Junction-Zone bereits gelöst ist und der Komplex nach kranial angespannt werden sollte, ist diese Technik hilfreich.

Das bessere Outcome eines Labrumerhalts gegenüber einer Resektion erscheint aus mehreren Gründen, wie dem Erhalt eines Sealing-Effekts oder der besseren Zentrierung der Hüfte etc., sinnvoll. Auch gibt es einige Studien, die zeigen, dass eine Rekonstruktion klinisch mit einem etwas besseren Outcome einhergeht: So zeigen 2 retrospektive Studien zu einer Fallserie von 96 bzw. 94 arthroskopischen Impingementresektionen in der Gruppe mit einer Labrumrekonstruktion nach ca. 2,4 bzw. 3,5 Jahren signifikant höhere Outcomescorings im modifizierten Harris-Hip-Score als die Gruppe, in der das Labrum entfernt wurde [35, 47]. Eine weitere randomisierte Studie mit 18 Patientinnen mit einer Pincer-Resektion oder der Abtragung einer kombinierten Cam-Pincer-Formation zeigten bei einer gleichzeitgen Labrumrekonstruktion nach 32 Monaten signifikant bessere Ergebnisse im Hip-Outcome-Score als 18 weitere Patientinnen mit einem Labrumdebridement [33]. Dennoch ist anzumerken, dass es ebenso Studien gibt, die keinen Unterschied zwischen einer Labrumrekonstruktion und einem Debridement der Gelenklippe zeigen [2, 10]. Letztlich bleibt die Datenlage hierzu dünn; es fehlt an randomisierten Studien [2]. Tendenziell empfehlen wir die Gelenklippenrekonstruktion, insbesondere in Fällen, in denen das Labrum eine suffiziente Qualität aufweist.

Gelenkknorpel

Nach Abschluss der knöchernen Korrektur und der ggf. erfolgten Labrumrefixation können knorpelrekonstruierende Maßnahmen durchgeführt werden. Claßen et al. konnten zeigen, dass bei Patienten mit einem arthroskopisch gesicherten femoroazetabulären Impingement ein präoperatives Beschwerdeintervall von 9,5 Monaten ein signifikanter Prädiktor für das Auftreten behandlungsbedürftiger Knorpelschäden ist [12]. Bei der Behandlung solcher Knorpelschäden sollte bewusst sein, dass auch das perfekt abgeheilte Knorpelkonstrukt niemals so stabil ist wie der zuvor bestandene intakte Gelenkknorpel. Es liegt somit auf der Hand, dass die Ursache, also das zugrunde liegende Impingement adäquat adressiert sein muss [52]. Nachdem die Magnetresonanztomografie für die Diagnostik leichter und auch schwerer Knorpelschäden geringe prädiktive Werte aufweist, ist der entsprechende diagnostische Nutzen entsprechend gering [28]. Somit ist die arthroskopische Befunderhebung von besonderem Interesse. Erstgradige Schäden bedürfen keiner Intervention. Zweit- und drittgradige Schäden mit teilweise abgelösten, inadhärenten Knorpelfasern bzw. kleinen Lappen können zu mechanischen Symptomen wie Einklemmungen und schmerzhaften Reizzuständen führen. Hier können ein einfaches Debridement und/oder eine thermische Chondroplastie die Beschwerden lindern evtl. auch die Progression einer Arthrose reduzieren [40, 50]. Bis auf den Knochen reichende, viertgradige Schäden bedürfen besonderer Behandlungskonzepte. Bei Knorpelschäden mit einer Ablösung des peripheren Knorpels und intaktem Labrum-Knorpel-Übergang, der sog. Junction-Zone, findet sich arthroskopisch das sog. wave sign. Diese Lösung von der subchondralen Grenzlamelle kann, wie oben beschrieben, mit einer Anfrischung oder einer Pincer-Resektion sowie einer Refixierung des Komplexes behandelt werden (Abb. 4) [9]. Vollschichtige Knorpelschäden, klinisch symptomatische Knorpelschäden mit freiliegenden Knochen sollten aufgrund der Progredienz einer Therapie zugeführt werden [40]. Mittlerweile stehen hierfür einige Methoden zur Verfügung, wobei an der Hüfte v.a. knochenmarkstimulierende und sog. matrixgekoppelte Verfahren durchgeführt werden. Knochenmarkstimulierende Techniken erhoffen die Bildung eines Regeneratgewebes. Das Debridement mit einer Kürette erfolgt hierbei bis an die subchondrale Grenzlamelle. Anschließend erfolgt eine Eröffnung des subchondralen Knochens mit gebogenen Ahlen. Somit können pluripotente Zellen aus dem Knochenmark in der Defektzone einen sog. Blutclot bilden. Hieraus kann ein faseriger Ersatzknorpel entstehen [11]. Untersuchungen zeigten, dass kleinkalibrige Ahlen die Knorpelregeneration besser stimulieren als solche mit kräftigeren Durchmessern [41]. Eine weitere Alternative ist die Mikrobohrung, die ebenso den subchondralen Knochen eröffnen und einen entsprechenden Blutclot sicherstellen kann [11]. Diese Verfahren sind nicht ganz unkritisch zu sehen. In den letzten Jahren wurde zunehmend bewusst, dass es im Rahmen der Mikrofrakturierung zu einer nicht unerheblichen, iatrogenen Schädigung der subchondralen Knochenlamelle kommen kann. So zeigten hochauflösende CT- und MRT-Verlaufsuntersuchungen im Tierversuch, aber auch am Menschen subchondrale Knochennekrosen, Zystenbildungen, Ausbildung von intraläsionalen Osteophyten etc. [5]. Klinische Nachuntersuchungen, wonach sich nach initial guten Ergebnissen bereits nach wenigen Jahren eine signifikante Verschlechterung findet, erstaunen daher nicht allzu sehr [24]. Möglicherweise verschlechtern sich zudem durch eine vorangegangene Mikrofrakturierung die Bedingungen für den Erfolg nachfolgender Verfahren wie beispielsweise der autologen Chondrozytentransplantation etc. [5]. Zwei Matched-pair-Studien am Hüftgelenk, in denen die Mikrofrakturierung mit Patienten ohne Mikrofrakturierung verglichen wurde, zeigten zudem keine Verbesserung des funktionellen Outcomes [16, 38]. Zusammenfassend scheint die Evidenz für das Auftreten ungünstiger subchonandraler Knochenveränderungen wie von Knochenzysten am Hüftgelenk ausreichend gesichert, wohingegen es an der Evidenz für einen klinischen Nutzen eher mangelt [25]. So lange der Nachweis auf einem positiven Effekt auf das klinische Langzeit-Outcome fehlt, sind wir mit der Mikrofrakturierung zurückhaltend. Interessant scheint die Verbindung der Mikrofrakturierung mit der Verwendung einer Kollagenmatrix zu sein. So verglichen Fontana et al. die zusätzliche Verwendung mit einer resorbierbaren Kollagenmatrix (Chondro-Gide, Geistlich Pharma AG, Wolhusen, Schweiz) mit einer Vergleichsgruppe, die ausschließlich eine Mikrofrakturierung unterlief. Nachdem sich über einen Zeitraum von 12 Monaten zunächst in beiden Gruppen eine signifikante Verbesserung des modifizierten Harris-Hip-Scores zeigte, zeigte die Gruppe mit der alleinigen Mikrofrakturierung nach 5 Jahren eine signifikante Verschlechterung gegenüber der Gruppe mit dem zusätzlichen Matrixverfahren. Bei 6 der 77 Patienten mit der alleinigen Mikrofrakturierung war die Implantation einer Hüftendoprothese erforderlich, wohingegen unter den anderen 70 Patienten neben anhaltend guten Werten im modifizierten Harris-Hip-Score keine Prothesenimplantation erforderlich war [20]. Bei der matrixgekoppelten autologen Chondrozytentransplantation (MACT) werden angezüchtete Chondrozyten des jeweiligen Patienten in eine Kollagenmatrix integriert. Betrachtet man die aktuelle Datenlage, so ist die MACT am Knie derzeit das zuverlässigste Verfahren mit dem besten Outcome im Langzeitverlauf [15]. In der jüngsten Zeit haben sich die Möglichkeiten einer matrixgekoppelten ACT verbessert. Neben injizierbaren Zell-Matrix-Kügelchen mit angezüchteten Chondrozyten, sog. Sphäroiden (Chondrosphere, co.don AG, Teltow, Deutschland) [32] können neuerdings auch polymerisierende und damit aushärtende Hydrogele offen, aber auch trocken- bzw. CO2 -arthroskopisch appliziert werden. Hierbei zeigen unterschiedliche Studien mit den injizierbaren, zellhaltigen Kollagenmatrices (Novocart Inject, TetecTissue Engineering Technologies AG, Reutlingen, Deutschland) nicht nur ein gutes Outcome-Scoring, sondern auch kernspintomografisch bei 16 von 20 Patienten nach 12 Monaten die Integration des Knorpelkonstrukts [7]. Neben zellbasierten Techniken werden auch zellfreie Typ-1-Kollagenimplantate verwendet. Die Matrix kann dann entweder eingeklebt oder wiederum als zähflüssiges Fertigpräparat in die angefrischte Defektzone eingebracht werden. In vivo und in vitro wurde eine ausreichende Zelleinwanderung aus dem umgebenden Gewebe in Kollagenmatrices nachgewiesen. Zudem konnte gezeigt werden, dass solche Kollagenmatrices als Trägermaterialien die Proliferation und die Proteoglykansynthese in vitro effektiv fördern. Daher erstaunt es nicht, dass auch für diese Techniken im Tiermodell zur Behandlung von Knorpeldefekten ein hohes autoregeneratives Potenzial nachgewiesen werden konnte [23]. In eigenen Nachuntersuchungen konnten wir unter Verwendung einer solchen zellfreien, aushärtenden Kollagenmatrix (Chondro Filler liquid, Amedrix, Esslingen, Deutschland) vergleichsweise gute Outcome-Ergebnisse sowohl am Knie- und Sprunggelenk als auch an der Hüfte nachweisen [6, 53]. Vorteile eines zellfreien Systems sehen wir im einzeitigen Vorgehen, da eine weitere Operation zur Zellentnahme der zu kultivierenden Zellen entfällt. Dennoch bieten wir beide Verfahren, sowohl das zellfreie als auch zellbasierte, an. Letztlich fehlen uns für beide Knorpel-Matrix-Verfahren entsprechende klinische sowie bildgebende Langzeituntersuchungen. Großzügig angelegte Langzeituntersuchungen, die den erzielten Knorpelstatus und das Outcome detailliert objektivieren, werden uns eine sinnvolle Beurteilung dieser Verfahren erlauben.

Kapsel

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