Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023

Hüftimpingement
Wie kommen wir mittels Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgen zur richtigen Diagnose?

Das femoroacetabuläre Impingement ist die häufigste Ursache von Knorpelschäden der Hüfte und weitaus die häufigste Ursache für eine Coxarthrose. Der Verlust einer zentrierten Bewegung mit Druckspitzen im Gelenk und das repetive Aschlagen, insbesondere bei Beugung und Innenrotation führt zur Schädigung des Labrums und des Gelenkknorpels (Abb. 2c, h). Schädigend für den Knorpel ist dabei vor allem das Cam-Impingement, da sich der verdickte Hüftkopf-Schenkelhals-Übergang bei Flexion in die Pfanne bewegt und den Knorpel quetscht und zerreibt. Weil es bei anhaltenden Beschwerden im Verlauf zur Arthrose kommt, werden die Formstörungen eines Impingement auch als präarthrotische Deformitäten bezeichnet. Bei der Ausbildung dieser Folgeschäden ist die Dauer der Impingementbeschwerden entscheidend. So zeigt eine größere Studie eine signifikante Korrelation zwischen der Dauer der Impigementsymptome und der Schäden am Knorpel und an der Gelenklippe [6]. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Progression der Knorpelschäden eines sportlich aktiven Patienten mit mäßigen Impingementbeschwerden seit ca. einem halben Jahr. Im Laufe von weiteren 8 Monaten zeigte sich eine rasche Verschlechterung mit einem rasch-progressiven Knorpelverlust und der entsprechenden Gelenkspalthöhenminderung sowie einer zunehmend reduzierten Gehstrecke. Dies machte dann doch den Gelenkersatz, in diesem Fall mit einem Oberflächenersatz, erforderlich (Abb. 3). Die Bedeutung einer möglichst frühzeitigen Erkennung und Korrektur beschreibt eine Metaanalyse mit 1773 Patientinnen und Patienten aus 38 Studien. Hier war das Outcome umso besser, je kürzer die präoperativen Symptome andauerten. Auch zeigen kurze Symptomphasen sehr gute Return-to-Sports-Raten [34]. Somit gilt, wie bei vielen Gelenkerkrankungen, je früher das Hüftimpingement erkannt wird, desto größer sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung. Ein Reviewartikel, der sich u.a. mit 62 Studien zur Hüftarthroskopie befasste, konnte zeigen, dass nach einer Hüftarthroskopie die Endoprothese zumindest im mittelfristigen Follow-up in über 90 % der Fälle vermieden wird. Auch weitere Studien sprechen dafür, dass die Hüftarthroskopie nicht nur hinsichtlich der Symptome und der Rückkehr in den Sport, sondern auch hinsichtlich der Vermeidung oder Verzögerung einer Endoprothese als erfolgreiches Verfahren anzuerkennen ist [1, 7, 34, 49]. Letztlich sind viele, vor noch nicht allzu langer Zeit als essentielle oder primäre Arthrosen bezeichnete Fälle, nach heutiger Studienlage einem Hüftimpingement anzulasten. Daher ist eine frühe, adäquate Korrektur sinnvoll, um dies zu vermeiden [1, 2, 7, 11].

Leider sind eine frühzeitige Erkennung und Behandlung eines Hüftimpingement nicht selbstverständlich. Dies liegt insbesondere daran, dass sich der klinische Verlauf, sofern es nicht zu akuten Rissen der Gelenklippe kommt, auch beim Sportler schleichend darstellt [34]. Auch sind die anatomischen Formveränderungen oft moderat ausgeprägt und die korrespondierenden frühen Gelenkschäden in der bildgebenden Diagnostik, bspw. im MRT, oft nicht feststellbar [22]. Auch bei der klinischen Untersuchung wird es nicht einfacher. So wurde bspw. gezeigt, dass die Ursache bei Beschwerden infolge einer Hüfterkrankung bei jüngeren Patienten bis 50 Jahre in mehr als 85 % der Fälle entweder gar nicht oder aber fehlerhaft diagnostiziert wurde [24]. Die frühzeitige Diagnosestellung ist somit trotz objektivierbarer Einschränkungen und Beschwerden nicht immer erfolgreich. Somit sehen wir gar nicht so selten Patienten mit klinischen und bildgebenden Impingementbefunden, die über lange Zeiträume bspw. unter der Arbeitsdiagnose „Rückenschmerz“, „leichter Verschleiß“, „funktionelle Beschwerden“, „Überlastung“, „Leistenhernie“, etc. in Behandlung waren. Darüber hinaus ist die Diagnostik aufgrund vglw. vieler Differentialdiagnosen nicht immer einfach (Abb. 4). Infolge der verschleppten Diagnose finden sich neben den ernsten strukturellen Folgeschäden oft auch Bewegungslimitierungen, muskuläre Insuffizienzen, Kontrakturen, etc. [6, 7]. Daher bedarf es neben dem chirurgischen Vorgehen multimodaler, insbesondere physiotherapeutischer Konzepte, um das klinische Outcome zu optimieren [51]. Die Physiotherapie ist somit, ebenso wie die operative Korrektur, von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass ca. 90 % der Revisionsoperationen nach einer Hüftarthroskopie aufgrund residualer Deformitäten am Schenkelhals u./o. am Acetabulum erfolgen [16, 18, 40, 47]. Eine insuffiziente knöcherne Korrektur der Deformität ist somit die häufigste Ursache für ein Versagen einer Hüftarthroskopie. Dies zeigt wie wichtig eine genaue Diagnostik zur adäquaten Planung der knöchernen Korrektur, aber auch zur Beurteilung von Patienten nach einer Korrekturoperation und anhaltenden Impingementbeschwerden ist.

Anamnese

Da das Impingement aufgrund der oft nur geringen nativradiologischen Veränderungen oft nicht erkannt wird, kann es vorkommen, dass einzelne Patientinnen und Patienten schon eine lange Vorgeschichte mit diversen Therapien oder gar diversen Eingriffen, bspw. wegen fraglicher Leistenhernien, hinter sich haben [13]. Auch vor diesem Hintergrund hat die Anamnese bei der Diagnostik des Hüftimpingement einen hohen Stellenwert. Auffälligkeiten des Gehvermögens, etwaige Beschwerden oder Therapien in der Vergangenheit sollten erfragt werden. Interessant sind auch Erkrankungen aus Kindheit wie bspw. eine Hüftdysplasie, eine Epiphyseolysis capitis femoris, etc. Beispielsweise kann eine Epiphyseolysis capitis femoris zu einer Deformierung und einem Offsetverlust am Übergang vom Femurkopf zum Schenkelhals führen, womit es auch das Bild eines Hüftimpingement auslösen kann [20]. Häufig findet sich ein symptomatisches Hüftimpingement bei sehr aktiven Sportlerinnen und Sportlern. Insbesondere betroffen sind Sportarten mit kontinuierlicher Hüftbeugung wie Reiten, Radfahren und Rudern. Weitere Sportarten, die zu einem Impingement prädisponieren sind solche, bei denen es zu Extrembewegungen unter Schnelligkeit und Belastung kommt wie bspw. beim Skisport oder Eishockey. Auch Sportarten, die mit häufigen Richtungswechseln verbunden sind wie bspw. Handball oder Tennis sind betroffen. Zudem ist das Auftreten eines Hüftimpingement mit Sportarten mit einer vermehrten Beinarbeit in Flexion und Rotation wie bspw. Kampfsportarten, Ballett, Yoga oder Akrobatik assoziiert [7, 10, 36]. Hierbei scheint nicht nur die Sportart an sich, sondern auch die Intensität eine Rolle zu spielen. So zeigen unsere eigenen Untersuchungen im Fußballsport, dass semiprofessionelle Spieler höhere Prävalenzen für einen überhöhten Alpha-Winkel aufweisen als Amateure. Ebenso zeigt das Schussbein eine vermehrte Disposition [23]. Besonders empfindlich für die Ausbildung von Impingementdeformitäten ist die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. So kann ein einseitiger und häufiger Sport bei Kindern und Jugendlichen die Ausbildung einer Kopf-/Hals-Fehlform vom Cam-Typ begünstigen. So wurden bei Heranwachsenden, die dreimal pro Woche mit Sportarten wie Fußball, Basketball und Eishockey aktiv sind, überzufällig häufig Schenkelhals-Kopf-Deformitäten mit einem Hüftimpingement gefunden [8]. Als ursächlich wird hierfür eine Art Adaptation auf rezidivierenden mechanischen Stress ggf. auch mit Auswirkungen auf die Wachstumsfuge und konsekutiven Wachstumsstörungen diskutiert. Solche Impingementdeformitäten entstehen dann zwar oft bereits im Adoleszentenalter, bleiben jedoch vglw. lang unbemerkt. Erst im Erwachsenenalter entstehen dann die Schmerzen durch eine fortschreitende Schädigung des Gelenkes. Daher sind neben den Daten zu aktuellen Sport- und Alltagsaktivitäten auch die Aktivitäten in der Kindheit und Jugend zu erfragen.

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