Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023

Hüftimpingement
Wie kommen wir mittels Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgen zur richtigen Diagnose?

Wichtig ist auch die Testung von Tendinosen und Rissen des M.-gluteus-medius-Ansatzes, welche sowohl isoliert als auch im Rahmen eines Hüftimpingement auftreten. Bei einem Hüftimpingement sind insbesondere Tendinosen und seltener Risse im Ansatzbereich des Muskels zu finden. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer [28, 33]. Die Testung des M. gluteus medius erfolgt in Seitenlage. Die Patientin/der Patient versucht bei leicht gebeugter Hüfte, das Bein gegen Widerstand zu abduzieren. Hierbei wird neben dem M. tensor fasciae latae vor allem der M. gluteus medius getestet. Zudem ist der Tastbefund hilfreich. Finden sich bei Druck durch Abtasten der Sehnenansätze des Gluteus medius und des Gluteus minimus Druckschmerzen an den Ansatzpunkten am Trochanter major, kann dies auf eine Tendinose oder ansatznahe Ruptur hinweisen. Letztlich gibt es neben den Tendinosen oder Rupturen am Gluteus-medius-Ansatz weitere extraartikuläre Ursachen, die für das Beschwerdebild verantwortlich sein können oder auch in Kombination vorliegen können. Entsprechende Differentialdiagnosen des Hüftimpingements sollten bekannt sein und in die Diagnostik einbezogen werden (Abb. 4).

Bildgebende Untersuchung

Die Röntgenaufnahme ist der Goldstandard zur Diagnostik Impingement-typischer Morphologien, zur Beurteilung arthrotischer Veränderungen sowie möglicherweise assoziierter Dysplasiebefunde. Basis der Bildgebung ist eine Beckenübersichtsaufnahme und eine axiale Aufnahme des betroffenen Hüftgelenkes. Zur Diagnose des Cam-Impingement wird der Alpha-Winkel nach Nötzli verwendet. Dieser wird vor allem auf axialen Röntgenaufnahmen oder 45°-Dunn-Aufnahmen im Bereich des Femurkopfes und des Schenkelhalses bestimmt. Ebenso ist der Alpha-Winkel auch mittels axialer MRT- oder CT-Schichten messbar. Hierbei wird ein Kreis in der Kontur des Femurkopfes festgelegt und das Hüftkopfzentrum bestimmt. Ein Schenkel des Winkels verläuft vom Kopfzentrum ausgehend mittig im Schenkelhals, der zweite Schenkel läuft zum Übergang von der Femurkopfrundung zum Schenkelhals [38]. Somit misst der Alpha-Winkel den Beginn der Asphärizität am Femurkopf-Schenkelhals-Übergang. Der Normwert liegt bei < 55°. Bezüglich des angestrebten Korrekturwinkels ist zu bedenken, dass in der Originalarbeit von Nötzli et al. in der Kontrollgruppe der mittlere Wert für den Alpha-Winkel bei 43° liegt (Abb. 2d) [38]. Betrachtet man den Korrekturwinkel unterschiedlicher Studien, so scheinen postoperative Werte von im Mittel 43° auch im Outcome mit einer Impingement-freien Beweglichkeit verbunden zu sein [37]. Generell sollte dieser Richtwert, insbesondere beim Sportler, erzielt werden. Auch ist zu beachten, dass bspw. bei einer erhöhten Retroversion des Schenkelhalses oder einem vglw. tiefen Pfannengrund tendenziell etwas niedrige Winkel angestrebt werden. Ebenso wichtig wie die Bestimmung des Beginns der Asphärizität am Schenkelhals-Kopf-Übergang ist die Beurteilung der Ausdehnung des Cam um die Zirkumferenz des Kopfes. Hierzu konnten Rego et al. zeigen, dass die radiale Ausdehnung eines Cam, der sog. Omega-Winkel, im Mittel bei 138° (Range 90–180°) liegt. Der Omega-Winkel korreliert hierbei nicht mit dem Ausmaß des Alpha-Winkels. Hohe Omega-Winkel sind oft auf eine vglw. weite posterolaterale Ausdehnung des Cam zurückzuführen [44]. Genau diese weitreichende Ausdehnung nach posterior wird im Rahmen der knöchernen Impingementkorrektur häufig nicht genügend adressiert [3].

Das Pincer-Impingement entsteht durch knöcherne Ausweitungen im Bereich des Pfannenrandes, die umschrieben bzw. segmental oder aber auch weitläufig auftreten können. Die Pincervarianten werden mit dem Zentrum-Erker-Winkel (engl. center edge angle, CE-Winkel) beschrieben (Abb. 1c, 2a) [42]. Für die Diagnose eines Pincer liegt der Cut-Off-Wert in der Literatur bei 35–40° [45]. In der Hälfte bis über zwei Drittel der Fälle besteht ein Mischimpingement. Hier finden sich unterschiedliche Kombinationen beider Deformitäten, die auch beide bei einer Korrektur adressiert werden sollten (Abb. 1g, h) [2]. Weitere Ursachen, die eine Pincer-Symptomatik auslösen können, sind die Coxa profunda und die eine Protrusio acetabuli. Bei einer Coxa profunda überschreitet die mediale Begrenzung der Hüftpfanne die Linea ilioischiadica (Abb. 5). Dies ist v.a. bei Frauen eine relativ häufige Normvariante [19]. Eine Protrusio acetabuli ist ein Extrembefund der Coxa profunda und liegt vor, wenn die Hüftkopfbegrenzung die Linea ilioischiadica medial überkreuzt. Beim Anschlagen des Schenkelhalses am Pincer kommt es zu einem Hebelmechanismus, sodass der Hüftkopf am hinteren unteren Pfannenrand vermehrte Druck- und Scherkräfte ausübt. So führen Pincer-Deformitäten und auch die häufigeren kombinierten Varianten des Impingement zu einer Druckübertragung nach posteroinferior. Dieser sog. Contre-coup-Mechanismus führt zu Knorpel- und evtl. Labrumschäden am kaudalen Pfannenrandbereich (Abb. 2h). Bei fortgeschrittenen Schäden kommt es dann zu einer Gelenkspaltweitenminderung. Wir führen zur besseren Darstellung solcher Befunde die in Frankreich sehr gängige Faux-profile-Aufnahme im Stehen nach Lequesne durch [25]. Vor allem lässt sich damit bei Gelenkschäden im Sinne des Contre-coup-Mechanismus eine Dezentrierung nach inferior gut darstellen (Abb. 2i). Allerdings kann die Faux-profile-Aufnahme im Rahmen der Impingmentdiagnostik auch darüber hinaus sehr hilfreich sein. So lässt sich damit auch eine anterolaterale Verschmälerung des Gelenkspaltes bei Knorpelschäden beim Cam-Impingement sehr gut nachweisen. Zudem ist eine nach kaudal ausgezogene Spina iliaca anterior inferior in den Faux-profile-Bildern gut darstellbar. Dies führt dabei zu einem Anschlagen am Schenkelhals-Kopf-Übergang, was als subspinales Impingement bezeichnet wird. Gebhart zeigte, dass ein solcher Befund mit einer schmerzhaft reduzierten Innenrotation und Beugung korreliert. Zudem wurden sehr gute Ergebnisse für eine entsprechende Abtragung gezeigt [15]. Sämtliche Befunde, sowohl der posteroinferiore und anterolaterale Knorpelverlust als auch das subspinale Impingement sind in der Impingementdiagnostik gar nicht so selten, sodass wir das zusätzliche Faux-profile-Röntgen in den letzten Jahren zunehmend verwenden.

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